Archiv

Zurück im Leben

bv; 5. Aug 2016, 09:25 Uhr
ARCHIV

Zurück im Leben

bv; 5. Aug 2016, 09:25 Uhr
Wiehl – Udo Kolpe verunglückte im Dezember 2015 schwer und gewann den Kampf um sein zweites Leben – Jetzt kämpft er sich Stück für Stück voran.
Von Bernd Vorländer

Es gibt diese Momente, mit denen niemand rechnen kann, die aber ein ganzes Leben verändern. Der 14. Dezember 2015 war so ein Tag für Udo Kolpe. Morgens hatte er seinen Wohnort Wiehl verlassen und war in Richtung Hückeswagen aufgebrochen, wo es galt, eine Bauabnahme abzuwickeln. Damit wäre die Bausaison beendet gewesen. Das letzte, was Kolpe an diesem Tag mitbekam, war das Geräusch, als der Boden unter seinen Füßen nachgab und er mehr als 7,50 Meter nach unten fiel. Ungebremst. Danach war nur noch Dunkelheit. Der Handball-Chef im Oberbergischen, der SPD-Abgeordnete im Wiehler Rat, Motor im Gemeinnützigen Verein Oberwiehl, der Hans Dampf in allen Gassen erlitt schwerste Verletzungen. Notarzt, Rettungshubschrauber, künstliches Koma. Von alledem bekam Kolpe nichts mit. Seine Frau Birgit, die Familie, die Freunde, die um ihn bangten und hofften, die Komplikationen um die Weihnachtszeit, als sein Leben an dem berühmten seidenen Faden hing.

Mehr als sieben Wochen gaben die Ärzte dem Körper von Udo Kolpe Zeit, die schweren Verletzungen zu verarbeiten. Dann entließ man ihn aus dem Dämmerschlaf. Und eben das war für den 61-Jährigen ein  Schock, denn er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. „Die Menschen um mich herum hatten alle diese komischen Kittel in unterschiedlichen Farben an und manche sogar Papierblumen im Haar. Ich dachte, das war’s: Ich bin entführt worden“, blickt Kolpe mit einem Schmunzeln zurück. Da ist er wieder, der unverkennbare Humor, mit dem er auch die vergangenen Monate nach seinem „Erwachen“ gemeistert hat. Kolpe’s Schock, das war die Intensivstation des Klinikums in Köln-Merheim. Und dass gerade die Hochzeit des Karnevals in der Domstadt begonnen hatte, wusste der Verunglückte auch nicht.


Seit Februar kämpft sich Udo Kolpe zurück ins Leben. Erst ganz vorsichtig, dann mit immer größeren Schritten. „Ich habe eine Woche im Krankenhaus benötigt, um zu verstehen, dass ich gar nichts mehr konnte. Das war die totale Hilflosigkeit“, blickt er zurück. Frau, Familie und die besten Freunde aus dem Handball, mit denen er seit Jahrzehnten in seinem Heimatverein CVJM Oberwiehl zusammen ist, halfen nach Kräften. Doch Schritte nach vorne, die musste Udo Kolpe alleine machen. Und er als Sportler ackert seit Wochen in der Nümbrechter Reha-Klinik. „So viel habe ich mich im ganzen Leben noch nicht bewegt“, wickelt Oberbergs Mr. Handball täglich ein straffes Programm ab. Aus großen körperlichen Baustellen sind kleinere geworden. Kolpe ist selbst gespannt, wie weit die Rehabilitation noch vorangeht.

Kolpe jammert nicht herum, er macht – so wie eigentlich immer. „Wir sind uns da beide ähnlich. Wir stellen uns den Aufgaben und packen das an“, sagt Birgit Kolpe und ihr Mann nickt. Vor einigen Monaten hat sie ihm gesagt, dass er wieder mal ein wenig seine vielen Ehrenämter wahrnehmen solle, weil sie überzeugt war, dass er das brauchen würde. Also organisierte Kolpe die Oberwiehler Seniorenfahrt, die diesmal nach Remagen ging, besuchte Beach-Handball-Turniere und schmiedete bereits wieder Pläne, wie man den oberbergischen Handball überlebensfähig machen kann. „Wir müssen in fünf Jahren soweit sein, dass wir ein Überlebenspaket geschnürt haben, sonst wird es eng“, weiß Kolpe um die Handball-Probleme in dem Kreis, dem er als Vorsitzender vorsteht.

Doch der Unfall hat in ihm auch einiges geändert und die Sinne geschärft. Mit einem anderen Blick schaue er heute auf die Schicksale von Mitmenschen, sagt Kolpe. Und er habe auch gelernt, nicht mehr alles selbst zu managen, sondern Dinge zu delegieren. Die Genesungszeit, „die längste Zeit, die ich mit meiner Frau an einem Stück zusammen verbracht habe und die mir sehr gut getan hat“, wird sicher noch einige Monate weitergehen. Aber Kolpe will wieder zurück in den Job, seine Erfahrungen als Bauingenieur einbringen. Den ganzen Tag auf Dauer zu Hause – das kann und will er sich nicht vorstellen. „Dafür ist es noch zu früh“, sagt der Wiehler, packt seine Sporttasche, lässt sich zur Reha fahren – und kämpft weiter.
  
WERBUNG