Archiv

Grundsteuer: Kommunen erwarten Mammutaufgabe

bv; 10. Apr 2018, 17:20 Uhr
Bild: Michael Kleinjung --- Die seit mehr als 50 Jahren nicht mehr angepassten Einheitswerte für Grundstücke sind völlig überholt und daher verfassungswidrig, erklärten heute die Richter in Karlsruhe.
ARCHIV

Grundsteuer: Kommunen erwarten Mammutaufgabe

bv; 10. Apr 2018, 17:20 Uhr
Oberberg - Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Berechnungsgrundlage zu kippen, warnen oberbergische Städte und Gemeinden sowohl vor Einnahmeausfällen, als auch einer zu großen Belastung der Bürger.
Von Bernd Vorländer


Das, was die Richter des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts am heutigen Dienstag beschlossen und bekanntgaben, konnte nicht wirklich überraschen. Bereits seit längerer Zeit war klar, dass die Hüter der Verfassung das aktuelle System zur Berechnung der Grundsteuer für unvereinbar mit den deutschen Rechtsgrundätzen erklären würden. Die Berechnung der Grundsteuer sei "völlig überholt" und führe zu "gravierenden Ungleichbehandlungen" der Immobilienbesitzer, so das  Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil. Schließlich beruhen die bisherigen Bewertungskriterien zum sogenannten Einheitswert in Westdeutschland auf Zahlen aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland sogar aus dem Jahr 1935. Auf deren Grundlage ist eine gleiche und gerechte Steuerbelastung für Mieter und Immobilienbesitzer nicht mehr gegeben, da die Bewertungsgrundlage heute nichts mehr mit dem tatsächlichen Marktwert zu tun hat.


Klar ist seit heute aber auch, dass die Grundsteuer völlig neu gedacht werden muss und Änderungen möglicherweise gravierende Auswirkungen auch auf die oberbergischen Kommunen haben könnten. Bis 2019 hat der Gesetzgeber Zeit, die entsprechenden Regelungen des Bewertungsgesetzes zu reformieren, bis 2024 müssen die Gesetze umgesetzt werden. „Die Zeitspanne ist gar nicht groß, das wird ein riesiger Kraftakt“, ist Gummersbachs Kämmerer Raoul Halding-Hoppenheit überzeugt. In Deutschland müssen nämlich 35 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Und der Gummersbacher Kassenwart sieht nicht, dass nun die Kommunen mit dieser logistische Großaufgabe belastet werden dürfen. „Das muss auch künftig Sache der Finanzämter bleiben.“ Für Halding-Hoppenheit steht darüber hinaus fest, dass eine Reform nicht zu Lasten der Bürger gehen könne. „Wir dürfen die Menschen nicht über Gebühr belasten.“ Andererseits wäre seines Erachtens ein Einbruch der Grundsteuer B für die Stadt Gummersbach „dramatisch“. Schließlich generiere man im Haushalt annähernd zehn Millionen Euro über diese Einnahmen.

Auch Lindlars Bürgermeister Dr. Georg Ludwig spricht von einer „Mammutaufgabe“, vor der man nach der Entscheidung des Gerichts stehe. Wollten Bund und Länder Städte und Gemeinden stärker in die Pflicht nehmen, gehe dies nicht ohne Kompensation. „Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen.“ Für Marienheides Kämmerer Simon Wojwod kommt es darauf an, dass man jetzt praktikable Entscheidungen trifft. „Man wird Lösungen finden müssen, die zugleich einfach und gerecht sind. Das ist die besondere Schwierigkeit.“ Waldbröls Kämmerin Anja Brauer treibt eine andere Sorge um. „Eines darf nicht passieren, nämlich dass die Fristen bei den zuständigen staatlichen Ebenen nicht eingehalten werden. Denn dies würde massive Einnahmeausfälle für die Kommunen bedeuten.“

Ulf Reichardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Köln, warnte im Zusammenhang mit der Gerichtsentscheidung die Kommunen davor, die Entwicklung zu versteckten Steuererhöhungen zu nutzen. Die Unternehmen im Bezirk der IHK Köln würden bereits seit Jahren durch steigende Hebesätze der Kommunen bei Grund- und Gewerbesteuer zusätzlich belastet. Der nordrhein-westfälische Städte- und Gemeindebund mahnte den Gesetzgeber dagegen, bei der Neufassung der entsprechenden Regelungen die Lebensfähigkeit der Kommunen im Auge zu behalten. Dr. Bernd Jürgen Schneider, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, hob die Bedeutung der Grundsteuer hervor: "Die Gemeinden können auf die Einnahmen aus der Grundsteuer nicht verzichten." Gerade in finanzschwachen Kommunen mache die Grundsteuer einen Großteil der Einnahmen aus.
  
WERBUNG