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Mission geglückt: erfolgreich entschleunigt

nh; 18. Oct 2016, 14:50 Uhr
Bilder: Nils Hühn.
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Mission geglückt: erfolgreich entschleunigt

nh; 18. Oct 2016, 14:50 Uhr
Wiehl - Hagen Jobi genießt seine Freizeit - Als Landrat im Ruhestand widmet er sich vermehrt seiner Familie, seinem Garten und hat endlich wieder Zeit für spontane Städtereisen.
In den vergangenen Monaten verbrachte Hagen Jobi mehrere Tage in Paris, Rom, Leipzig, Würzburg, an der belgischen Küste und sogar mehrere Wochen in Ungarn. Damit hat er seine Ankündigung wahr gemacht und nutzt die Zeit als Ruheständler zum Reisen mit seiner Frau Anne-Marie. „Ich wollte schon immer mal den Thalys zwischen Köln und Paris testen. Jetzt waren wir für zwei Tage in Frankreich und haben das Louvre Museum besucht“, erzählt Jobi begeistert von spontanen Städtereisen, die vor einem Jahr noch undenkbar waren.

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte der heute 69-Jährige seinen letzten Tag als Landrat des „schönsten Landkreises“, wie er als Kreishaus-Chef zu sagen pflegte. „Ich wollte immer den gesamten Kreis von Radevormwald bis Morsbach und Bergneustadt bis Lindlar zusammenfassen. ‚Kreis der vielen Talsperren‘ wäre albern gewesen, also wurde es der schönste Landkreis. Und diese Formulierung ist wohl bei den Menschen hängengeblieben“, wird Jobi auf sein Zitat immer noch angesprochen.


Und für Hagen Jobi ist dies nicht nur eine leere Floskel, sondern er meint es wirklich ernst. Erst als 16-Jähriger kam er mit der Familie nach Drabenderhöhe. Mit seiner Frau Anne-Marie wohnt er seit 42 Jahren im selben Haus nur unweit des Zentrums und hat sich ein kleines Paradies geschaffen. Im und ums Haus herum haben die Jobis zahlreiche Kunstwerke von bekannten sowie regionalen Künstlern angesammelt. Zu jedem Bild und jeder Skulptur kann der Kunstliebhaber eine Geschichte erzählen. Seine größte Leidenschaft ist allerdings der Garten.

„Für mich ist das keine Arbeit. Ich mache das gerne“, so der Landrat a. D., der am liebsten mit der Gartenschere umherzieht und die Bäume und Büsche zurechtschneidet. „Früher musste alles ruckzuck gehen und vieles blieb auf der Strecke“, nimmt er sich jetzt die Zeit, um mit viel Liebe zum Detail den Garten zu hegen und zu pflegen. Dabei denkt Jobi auch schon ans hohe Alter: „Damit ich auch in Zukunft alleine die Hecke schneiden kann, habe ich sie um einen Meter zurückgeschnitten, um nicht mit 80 Jahren auf der Leiter zu stehen.“

Aber Jobis neue Welt besteht nicht nur aus Reisen und Gartenarbeit. „Ich habe jetzt das Abo der Philharmonie“, freut er sich auf viele schöne Abende in Köln. Auch in der direkten Nachbarschaft kann er sich jetzt öfter blicken lassen und war seit Langem wieder beim Meisterchorsingen des MGV Drabenderhöhe und konnte bei den Vorbereitungen zum Erntedankfest von Anfang bis Ende dabei bleiben. Auch an einem Treffen ehemaliger Landräte in Monschau nahm er ohne Termindruck teil. Hagen Jobi hat sich erfolgreich entschleunigt und die Arbeit des Kreishauses hinter sich gelassen.


[Mit der Gartenschere bewaffnet zieht es Hagen Jobi immer wieder in seinen Garten, um Sträucher, Büsche und Bäume zu beschneiden.]

Besuche an seiner ehemaligen Arbeitsstätte sind selten geworden, aber mit seinem Nachfolger Jochen Hagt steht er in unregelmäßigen Kontakt. Wenn er dann über Themen wie den Öffentlichen Nahverkehr, regionale Strukturfördermaßnahmen, Tourismus im Oberbergischen oder die Krankenversorgung spricht, merkt man, dass ihn die Thematik doch nicht ganz loslässt. „Natürlich interessiere ich mich weiter für die Kommunalpolitik“, gibt er unumwunden zu. „Nur hat sich mein Blickwinkel verändert“, gehören schlaflose Nächte wegen Verwaltungsangelegenheiten der Vergangenheit an.

Sollte Jobi nachts aus dem Schlaf gerissen werden, ist es vielleicht sein Enkel Frederik, der jetzt häufiger bei den Großeltern zu Besuch ist und mit dem der Opa gerne im Garten tobt. „Endlich steht die Familie im Mittelpunkt“, genießt er die neue Situation, an die er sich schnell gewöhnt hat. Einzig die Koordination der Termine war anfangs schwer, hatte dies über Jahre hinweg sein Sekretariat erledigt. „Irgendwann hab ich die Zettelwirtschaft abgeschafft und jetzt kann ich die Termine auch selbstständig in mein iPhone eintragen“, hört man ein wenig stolz in der Stimme mitschwingen.

Alle Vorhaben, die er als Ruheständler umsetzen wollte, hat der Wiehler aber nicht erledigt. So fehlt ihm immer noch das E-Bike, das er sich mit dem Geld zu seinem Abschied als Landrat kaufen wollte. Auch das Drehorgelmuseum in Marienheide und die Burgruine Bieberstein hat er noch nicht besucht. „Aber ich hab ja Zeit“, stehen die Punkte immer noch auf Jobis „Zu-erledigen-Liste“. Neben der Tätigkeit als Vorsitzender des Kreissportbundes („Die Arbeit macht mir Spaߓ) sollte er nun ausreichend Freizeit dafür haben - „auch wenn wir Rentner manchmal ebenfalls in Zeitnot geraten“, scherzte Jobi mit seinem bekannten breiten Grinsen, das schon zu Landratszeiten ein Markenzeichen der Frohnatur war.
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