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'Wer heute Filialen schließt, verkennt die Realität'

bv; 6. Feb 2018, 09:37 Uhr
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'Wer heute Filialen schließt, verkennt die Realität'

bv; 6. Feb 2018, 09:37 Uhr
Oberberg - Volksbank-Oberberg-Vorstandsvorsitzender Ingo Stockhausen will das Geschäftsstellen-Netz beibehalten, schätzt die Gefahr des Bankensterbens nicht so hoch ein und kritisiert die Boni bei der Deutschen Bank.
Von Bernd Vorländer

OA: In der vergangenen Woche hat eine Studie für Aufsehen gesorgt, die ein dramatisches Bankensterben vorhersagt. Waren Sie überrascht und macht Ihnen das Sorgen?

Stockhausen: Der Trend der Studie mag stimmen, aber diese Rasanz sehe ich bei weitem nicht, denn die große Zahl der selbständigen Institute rekrutiert sich weiterhin aus Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Und Fusionsprozesse, die wir wahrnehmen, sind auch endlich. Es geht immer um die Frage, wer sich in der jetzigen Situation einer Niedrigzinsphase mit den Markt- und Rahmenbedingungen so arrangiert, dass er angemessene Erträge generiert. Und die Eigenkapitalquote muss stimmen, die von der Bankenaufsicht verlangt wird. Diese Zielvorgaben erfüllen wir ganz bequem. Noch einmal: Die Ergebnisse der Studie treffen auf die Volksbank Oberberg in keiner Weise zu.

OA: Aber unterliegt nicht auch die Volksbank Oberberg Veränderungsprozessen? Viele Geldgeschäfte werden heute online erledigt. Denken Sie als Folge über einen Abbau von Filialen nach?

Stockhausen: Wir haben in den vergangenen Jahren gegen den allgemeinen Trend unser Geschäftsstellen-Netz ausgebaut und werden diese Standorte auch künftig nicht in Frage stellen. Die Wirklichkeit ist nämlich etwas anders, als sie theoretisch oft dargestellt wird. Die Psychologie im Kundengeschäft wird häufig unterschätzt. Wir haben zusammen mit der TH in Gummersbach untersucht, was junge Menschen von einem modernen Bankinstitut erwarten. Zwei Drittel sagen, dass sie einen persönlichen Ansprechpartner in ihrer Geschäftsstelle wünschen, auch wenn sie bestimmte Bankgeschäfte online erledigen. Wer heute Filialen schließt, um mit dem eingesparten Geld in digitale Strukturen zu investieren, verkennt ein Stück weit die Realität und die Bedürfnisse des Kunden.


OA: Wenn die Kunden den Beratungskontakt benötigen, könnte man dann auch über eine Aufgabenausweitung in den Geschäftsstellen nachdenken?

Stockhausen: Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Gedanken, welches Leistungsprofil Geschäftsstellen und Mitarbeiter den Kunden bieten können, um die Besuchsfrequenz wie den individuellen Mehrwert zu vergrößern. In diesem Zusammenhang sind für uns Services, die über die eines reinen Finanzdienstleisters hinausgehen, durchaus vorstellbar.

OA: Stichwort Strategie: Oft ist die Rede davon, dass kleinere Institute strategische Partner benötigen. Gilt das auch für die Volksbank Oberberg?

Stockhausen: Diese Frage stellen wir uns auch. Wir haben diesen Prozess ja schon vor Jahren hinter uns gebracht, aus Ortsbanken eine Regionalbank gemacht. Wir gehören zu den größten 25 Genossenschaftsbanken von insgesamt 950 in  Deutschland. Was wir zunächst brauchen, ist eine hohe Effizienz in den Geschäftsprozessen - die haben wir. Und wir müssen die aufsichtsrechtlichen Anforderungen bewältigen, da brauchen sie Spezialwissen und entsprechende Mitarbeiter. Auch hier sind wir hervorragend aufgestellt. Für uns stellt sich nur eine Frage, nämlich ob wir unseren seit vielen Jahren beschrittenen Wachstumskurs auf Dauer durchhalten können. Und da bin ich ziemlich optimistisch.  

OA: Eine Frage zum Schluss: Wie sehr haben Sie sich persönlich über die Boni für Deutsche Bank-Manager geärgert, obwohl diese Bank Verluste macht? Hat das nicht negative Auswirkungen auf das Ansehen der gesamten Branche?

Stockhausen: So etwas belastet auf jeden Fall das Vertrauensverhältnis zwischen Banken und Kunden, und ist Wasser auf die Mühlen derer, die von einer Selbstbedienungsmentalität sprechen. Die Reputation unserer Branche ist sowieso schwierig, da hätte ich erwartet, dass sich die Deutsche Bank zurückhält. Man muss sich dann letzten Endes auch nicht wundern, wenn die Moral und Disziplin in einer Gesellschaft abnehmen. Natürlich sind diese Zahlungen rechtens, aber nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch moralisch in Ordnung.
  
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