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"Eigentlich wollte ich gar keine Musik machen"

ls; 4. Sep 2018, 10:30 Uhr
Bilder: Jörg Grosse Geldermann (Titelbild und Textbild 1), Colm Walsh (Textbild Irland).
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"Eigentlich wollte ich gar keine Musik machen"

ls; 4. Sep 2018, 10:30 Uhr
Hückeswagen - Julian Wasserfuhr ist Jazztrompeter und Bierbrauer - OA hat mit ihm über diese ungewöhnliche Kombination und das neue Album gesprochen.
Von Leif Schmittgen

Julian Wasserfuhr ist vielseitig talentiert: Neben der Jazzmusik gilt seine Liebe auch dem Bierbrauen. Gemeinsam mit seinem Bruder Roman hat er sich in der internationalen Jazzszene einen Namen gemacht, das letzte Album der beiden „Landed in Brooklyn“ platzierte sich sogar in den Deutschen Singlecharts. Nur anderthalb Jahre später erscheint nun die neue CD „Relaxin` in Ireland“. Musikalisch weicht das Werk von seinem Vorgänger ab, denn die Rahmenbedingungen, unter denen die Alben entstanden sind, unterschieden sich deutlich.

„In New York, wo unser letztes Album entstanden ist, war alles sehr hektisch“, berichtet der 30-Jährige. Mit drei Musikern hatten die Brüder die CD innerhalb von drei Tagen eingespielt. „Jeder wusste vorher, was er zu tun hatte, Raum für Inspiration blieb da wenig“, räumt der Trompeter ein. Das war wiederum auch das Spannende für die Jazzbrüder, denn ein einzigartiger Sound ist durch die Konstellation und die äußeren Umstände zustandegekommen.   


[Nicht nur bei der Musik, auch beim Bierbrauen beweisen die Wasserfuhr-Brüder ein glückliches Händchen.]

Die Musik auf dem neuen Album, das am 26. Oktober erscheint, sei dagegen völlig anders. Der Label-Chef der Wasserfuhrs, Siggi Loch, hatte schon vor einiger Zeit bei den beiden angefragt, ob sie nicht irgendwann einmal ein Album auf der Grünen Insel aufnehmen wollten. Der Inhaber des Studios in der Nähe von Cork ist ein Bekannter Lochs. Beide stellten schließlich auch den Kontakt zum Cellisten Jörg Brinkmann aus Bochum her. „Er ist studierter Klassikmusiker, interessiert sich aber auch für Jazz“, berichtet Julian. Nach mehreren Treffen der Brüder mit Brinkmann sind tolle Ideen entstanden. Anschießend reisten die Musiker nach Irland, um innerhalb einer Woche die musikalischen Ideen auf Tonträger zu bannen.

 

Herausgekommen sind neue, relaxte Klänge, die es vorher von den Wasserfuhrs noch nicht zu hören gab. „Die Atmosphäre auf dem Land war völlig entspannt. Wir haben im selben Haus geschlafen, wo sich das Studio befand und haben so weitere spontane Ideen entwickelt“, berichtet Wasserfuhr. Die Aufnahmen bezeichnet er als „ehrlich“. „Wir haben sogar kleinere Fehler bewusst drin gelassen, um die Authentizität der Musik zu steigern. Einmal habe man sich sogar nachts ins Studio gesetzt. „Wir hatten einfach Bock und haben losgelegt“, schmunzelt er.
 
[Relaxt gingen die Musiker in Irland ins Studio und erholten sich während der Pausen in der Natur.]

Als Kind hatte Julian Wasserfuhr wenig "Bock", ein Instrument zu spielen. „Ich stamme aus einer Musikerfamilie und hörte den ganzen Tag nur Töne. Eigentlich wollte ich gar keine Musik machen“, blickt er zurück. Da noch niemand im Haus Trompete spielte (Roman spielt Klavier), haben seine Eltern einen Trick angewendet. „Sie taten so, als bekäme niemand einen Ton aus dem Instrument und weckten so meinen Ehrgeiz." Damals war Julian sieben Jahre alt und seine Musikerkarriere kam ins Rollen. Als er bei seiner Kommunion (er war inzwischen neun) etwas vorspielen sollte, aber sechs Monate nicht geprobt hatte, bekam er kaum noch einen Ton aus dem Instrument. „Da war ich geschockt und habe von dort an begonnen, täglich zu spielen“, verrät er.   

Zunächst nahm er Unterricht der klassischen Musik, mit elf Jahren fiel ihm eine CD des Trompeters Chet Baker in die Hände, in dessen Musik er sich sofort verliebte. „Er ist bis heute mein Vorbild“, so Wasserfuhr. Seine eigene Jazzkarriere war geboren und führte, gemeinsam mit seinem Bruder, steil nach oben. Etliche Musikpreise hat der 30-Jährige schon eingeheimst, diese sind ihm aber gar nicht so wichtig. „Natürlich ist es schön, für seine Arbeit belohnt zu werden“, ist Julian überzeugt.   

Aber er sieht in Preisverleihungen auch eine gewisse „perverse Attitüde“. Denn sie sind aus seiner Sicht sehr „subjektiv“. „Eine Jury ist zusammengestellt - und bei einer Entscheidung spielt auch immer der persönliche Geschmack des Mitglieds eine Rolle. Das sagt nicht unbedingt etwas über die Qualität aus“, begründet er. Viel lieber ist ihm - auch deswegen - der direkte Draht zum Publikum. „Wenn nach einem Stück applaudiert wird, weiß ich, dass es den Zuhörern gefallen hat." Und das sei der schönste Lohn für die Arbeit.   
 
[Am 26. Oktober erscheint das neue Album der Jazz-Brüder.]

Die Wasserfuhrs leben von ihrer Musik, Konzerte spielen sie auf der ganzen Welt. Da ist das Bierbrauen im heimischen Keller in Hückeswagen für Julian der ideale Ausgleich zum Beruf. 2014 hatten die Wasserfuhrs mit einem Bekannten ein paar Biere getrunken und sind dann auf die „Schnapsidee“ gekommen, sich selbst ans Bierbrauen zu machen „Zunächst interessierte es uns nur, wie man günstig an Bier gelangt“, schmunzelt der Bierliebhaber. 30 Cent pro Liter schien den Brüdern ein fairer Preis und man schaffte sich zunächst einen kleinen Braukessel an.  

„Das erste Bier schmeckte hervorragend“, erinnert er sich. Die folgenden Brauversuche scheiterten dagegen, warum wusste man zunächst nicht. Die Antwort fanden die Brüder dann dank jeder Menge Fachliteratur. Unter anderem spielt penible Hygiene eine große Rolle für das Ergebnis, da schon kleinste bakterielle Ansammlungen für den Menschen zwar nicht schädlich sind, den Geschmack aber entscheidend beeinflussen können. „Deswegen putze ich die Brauanlage auch schon mal drei Stunden lang“, so Wasserfuhr.   

Das sei der ideale Ausgleich zur Musik, dabei bekomme er den Kopf frei und müsse nicht viel nachdenken. Deswegen stillen die Brüder ihren Bierdurst schon längst nicht mehr nur alleine. Sie haben inzwischen ihre eigene Sorte, das nach Reinheitsgebot gebraute „Schnaff“, wie sie es tauften und seit Kurzem auch vertreiben. Während des Hückeswagener Altstadtfestes im vergangenen Jahr stellten sie ihre Komposition der Öffentlichkeit vor, nachdem alle Lizenzauflagen, die zum gewerblichen Bierbrauen erfüllt werden mussten, erledigt waren. Wasserfuhr: „Unter dem Strich ist das Bier gut angekommen.“ Dies ermutigte die Brüder dazu, mit minimalen Veränderungen in Serie zu produzieren – inzwischen mit größerer Brauanlage.   


Zwar spricht Julian beim Bierbrauen von einem „Ausgleich“, Synergien schaffen die Brüder aber trotzdem. Bei ihren Konzerten bieten sie ihr Bier zur Verköstigung an. Außerdem besuchen beide auch bei ihren Auslandskonzerten Brauereien, um weitere Inspirationen für neue Geschmacksrichtungen zu finden. Neue Ideen für ihre Musik, die sicherlich Stoff für weitere Alben bieten, finden die Wasserfuhrs auf ihren Konzertreisen außerdem.   
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