Archiv

'Wir haben auch Fehler gemacht'

bv; 21. May 2018, 13:43 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Marienheides stellvertretender Bürgermeister Timo Fuchs hat nach dem verlorenen Bürgerentscheid den Blick nach vorne gerichtet.
ARCHIV

'Wir haben auch Fehler gemacht'

bv; 21. May 2018, 13:43 Uhr
Marienheide - Marienheides stellvertretender Bürgermeister Timo Fuchs über den Bürgerentscheid und die Perspektiven seiner Gemeinde.
Von Bernd Vorländer

OA: Eine gespaltene Bevölkerung, ein desavouierter Rat, eine Zukunft mit vielen Fragezeichen: Ist Marienheide noch zu retten?

Timo Fuchs: Auf jeden Fall, jetzt gilt es nach vorne zu schauen. Natürlich hat uns das Votum des Bürgerentscheids weh getan, aber demokratische Entscheidungen muss man respektieren. Von Resignation ist aber keine Spur, jedenfalls nicht bei mir. Wir müssen jetzt unsere Lehren ziehen, alle Interessengruppen mitnehmen, damit wir unsere Vision eines zukunftsorientierten Marienheide realisieren können.

OA: Aber es ist doch viel Vertrauen verloren gegangen. Wie will der Rat wieder ein harmonisches Verhältnis zu seinen Bürgern bekommen und Marienheide von außen nicht als Ort des Streits und der Missgunst wahrgenommen wird?

Timo Fuchs: Wir haben im Rat auch Fehler gemacht, haben den Einzelhandel nicht ausreichend beteiligt, etwa in der Lenkungsgruppe. Dabei waren unsere Pläne immer auch darauf ausgerichtet, den Einzelhandel im integrierten Handlungskonzept zu stärken. Wir hätten unsere Ideen da noch besser kommunizieren müssen. Das gilt im Übrigen auch für die Bürgerkonferenzen, die zwar sehr gut waren, deren Ergebnisse wir aber nicht ausreichend erklärt und den Marienheider Einwohnern nahe gebracht haben. Nach den Konferenzen haben wir gedacht, der Kommunikationsauftrag sei erledigt. Ein Irrtum. Weitere Arbeitsgruppen mit den unterschiedlichen Interessengruppen wären nötig gewesen, die ihre Sicht eines künftigen Marienheide hätten einbringen können.    


OA: Warum gibt es in Marienheide eigentlich keinen Vertrauensvorschuss der Menschen in die Ratsarbeit?

Timo Fuchs: Das würde ich so pauschal nicht sagen. Mir persönlich sind diejenigen sogar lieber, die unser Handeln auch einmal kritisch hinterfragen. Richtig ist aber auch, dass wir in Marienheide viele Einzelinteressen haben. Und man sollte auch nicht drum herum reden, dass sich die Zahl derer, die sich nahezu komplett gegen alles aussprechen und hinter jeder Entscheidung ein Komplott vermuten, vergrößert hat.

OA: Wie bekommt man jetzt in Marienheide Aufbruchstimmung hin?

Timo Fuchs: Wir benötigen in Marienheide weiterhin handlungsfreudige Politiker und Bürger, die einen Zukunftsanspruch erheben. Denn wir wollen ja eigentlich alle dasselbe: Marienheide eine gute Perspektive geben. Der Anspruch muss eben sein, die schönen Ecken unseres Hauptortes noch besser hervorzuheben, den Boden zu schaffen, damit Menschen dort flanieren und ihre Freizeit genießen können wie auch einkaufen und ihre Besorgungen machen. Man muss das mal ganz deutlich sagen: Die 6,4 Millionen Euro, die uns das Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt hätte, werden jetzt in anderen Kommunen investiert. Das macht mich tieftraurig.

OA: Marienheide ist ja auch Wirtschaftsstandort und steht in Konkurrenz mit Nachbargemeinden und Städten um Unternehmen, die sich ansiedeln wollen. Hat die ganze Diskussion dem Standort Marienheide geschadet?

Timo Fuchs: Davon kann man ausgehen. Es geht sogar noch weiter. Mancher einheimische Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob es sich noch lohnt, bestimmte Bau- und Veränderungsvorhaben in Marienheide zu tätigen, wenn man möglicherweise Opfer von Gezänk werden könnte. Und wenn man dann bedenkt, dass sich Ratsmitglieder die Frage stellen, ob man sich angesichts dieses massiven Gegenwinds ehrenamtlich noch in den Dienst der Allgemeinheit stellen soll und der eine oder andere in der Verwaltung über eine berufliche Veränderung nachdenkt, ist das der Boden für politische Instabilität.

OA: Was muss der Rat jetzt tun?

Timo Fuchs: Wir dürfen uns nicht beleidigt zurückziehen. Wir haben in der Etappe eine Niederlage kassiert, das war bitter. Aber die Zukunft Marienheides ist zu wichtig, als dass wir jetzt Emotionen den Vortritt lassen. Wir müssen Wege finden, den Veränderungsstau der vergangenen 40 Jahre aufzuarbeiten, denn wir wollen ja immer noch Aufenthaltsqualität verbessern und Marienheide ein neues Flair geben. Und das wird uns künftig nur gemeinsam mit allen Interessengruppen und Bürgern gelingen.    
  
WERBUNG