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Zwischen Postkartenidylle und harter Realität

bv; 3. Aug 2016, 08:00 Uhr
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Zwischen Postkartenidylle und harter Realität

bv; 3. Aug 2016, 08:00 Uhr
Reichshof – Thomas Weber ist Revierförster im Reichshof, hat nach eigener Aussage den schönsten Beruf der Welt, ist aber von der Romantik, die seinem Beruf zugemessen wird, weit entfernt.
Von Bernd Vorländer

Nur ganz in der Ferne hört man Geräusche, die von einem Auto stammen. Ansonsten Vogelgezwitscher, das Rauschen der Bäume, ein Hund, der bellt. Irgendwie Postkartenidylle und ganz schön kitschig. Mittendrin steht Thomas Weber. Für den 34-Jährigen, seine Frau und zwei Kinder ist das alles Alltag. Ein Forsthaus mitten im Grünen, Damwild und Ziegen vor dem Haus, hier lebt der Mann, den die meisten als Förster bezeichnen würden. Dabei ist er seit zehn Jahren Forstwirtschaftsmeister, hat seine Weiterbildung komplett selbst bezahlt und für seinen Traumberuf 30.000 € ausgegeben, denn so viel kostete die Meisterschule. Nach einem Schulpraktikum war es um Weber geschehen. „Der Gedanke, diesen beruflichen Weg einzuschlagen, hat mich nicht mehr losgelassen.“ Ausbildung im Siebengebirge, erste Berufsjahre in Eitorf, dann 2011 der Wechsel ins Oberbergische. Dort ist der Revierleiter verantwortlich für 1.200 Hektar Wald im Puhlbruch, in der Nähe von Eckenhagen, und die Region an der Wiehltalsperre.


[Mitten im Wald steht das Forsthaus, in dem Forstbetriebsmeister Thomas Weber mit seiner Familie lebt.]

Der Umzug fiel der Familie anfangs schwer, denn im Westerwald hatte man gerade ein Haus gebaut und vor einigen Jahren war das Forsthaus ziemlich heruntergekommen. Heute, nach der Renovierung, in die der Landesbetrieb Forst und Wald einiges investiert hat, ist das Haus ein Kleinod. Thomas Weber ist in der glücklichen Lage, sich jeden Tag auf seinen Job freuen zu dürfen, beschreibt die Eindrücke, die er an einem nebelverhangenen Wintertag im Wald macht, immer noch mit einem melancholischen Unterton. Und doch sei der Beruf so ganz anders als die Eindrücke, die man landläufig habe.

„Wir sind nicht die Förster, die mit Dackel und Waffe durch den Wald gehen. Vom Traumbild der Gesellschaft sind wir meilenweit entfernt“, sagt Thomas Weber. Der Beruf habe sich erheblich gewandelt. Man sei nicht nur Helfer und Pfleger, sondern vielmehr Logistiker, müsse zahlreiche Interessen bedienen. Naturschutz, Jäger, Landwirte, Erholungssuchende, ja selbst der Landes-Finanzminister haben eigene Interessen und eine unterschiedliche Erwartungshaltung im Wald. Weber muss diese Interessen bündeln, ausgleichen und jedes Jahr eine festgelegte Holzmenge schlagen lassen, die – am Markt verkauft – dem NRW-Kassenwart ein hübsches Sümmchen einbringt. Natürlich sei das Prinzip der Nachhaltigkeit oberstes Gebot.


Derzeit wird alles für den Winter-Einschlag vorbereitet, der bereits im September beginnt. Betriebswirtschaftlich zu denken, ist eine der Grundlagen der Arbeit von Thomas Weber, der Papierkram kommt hinzu. Letzterer ist unbeliebt, aber unvermeidbar. Forstbetriebsmeister – das ist heute ein Full-Time-Job. Meist ist Weber bereits um 6 Uhr morgens außer Haus und meist ist der Arbeitstag erst abends vorüber. „Über Langeweile kann ich mich nicht beklagen“, erzählt er mit einem Lächeln im Gesicht. Im Oberbergischen ist er mit seiner Familie längst heimisch. „Wir sind hier in Windfus ganz toll aufgenommen worden.“ Insofern kann er sich vorstellen, in seinem Revier alt zu werden. Ein besser bezahltes Angebot in einer anderen Branche kann ihn im Übrigen nicht reizen. „Niemals“ lautet die Antwort auf die Frage, ob er einen anderen Arbeitsplatz dem Wald vorziehen würde. Wer auf der Terrasse des Forsthauses steht, weiß warum.       
  
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