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Blaublütig, leidenschaftlich und den Erfolg im Blick

bv; 19. Jul 2017, 07:00 Uhr
Bilder: Bernd Vorländer --- VfL-Sportdirektor hat klare Vorstellungen von weiteren Schritten der Professionalisierung beim Handball-Bundesligisten VfL Gummersbach.
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Blaublütig, leidenschaftlich und den Erfolg im Blick

bv; 19. Jul 2017, 07:00 Uhr
Gummersbach – Christoph Schindler ist seit rund sechs Wochen Sportdirektor des VfL Gummersbach und hat bereits seine Handschrift hinterlassen - RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und die AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Bernd Vorländer

Die Gelassenheit, die er ausstrahlt, die ruhige, besonnene und zielorientierte Art, die deutlich wird, wenn er über Handball spricht, passt so gar nicht zu dem derzeitigen Stress. Er sieht sein Büro im Moment länger als seine Frau und die beiden Kinder. Und wie bei jedem jungen Vater ist auch er schon mal an der Reihe, bei einem 13 Wochen alten Säugling morgens um 4:30 Uhr aufzustehen und seiner Frau eine „Mütze“ voll Schlaf mehr zu gönnen. Aber Christoph Schindler beschwert sich nicht. Er lebt aktuell doppelte Leidenschaft – hier die Familie, dort die Arbeit als Sportdirektor des VfL Gummersbach. Und beides ist ihm nicht Verpflichtung, sondern ein auch emotionaler Bestandteil einer wichtigen Lebensphase. Hier der Vater, dort der oberbergische Bundesligist, von dem Christoph Schindler sagt, dass der für ihn etwas Besonderes sei. Er habe es schon als Auszeichnung verstanden, 2010 zu diesem Traditionsverein zu wechseln, dann die Mannschaft vier Jahre lang als Kapitän aufs Spielfeld zu führen. Und jetzt Verantwortung für alle sportlichen Belange zu übernehmen – das ist nochmal eine ganz andere Nummer. Man nimmt es Schindler ab, dass blaues Blut durch seine Adern fließt.


Nach dem letzten Spiel der alten Saison ist Schindler ins kalte Wasser gesprungen, hat nach dem Prinzip „learning by doing“ begonnen, musste nach der Verletzung von Schlüsselspieler Simon Ernst für Ersatz sorgen und ist nach eigenem Bekunden dem einen oder anderen in den ersten Wochen schon auf die Füße getreten. Ein „Weiter so“, das wollte er nicht. Eher schon Strukturen professionalisieren, an Stellschrauben drehen, um die Innen- und Außenwirkung zu verbessern. Manchmal waren es Kleinigkeiten, manchmal hat Schindler Dinge entdeckt, die sich eingeschlichen oder sogar verselbständigt haben – und die ihm nicht gefallen. „Wer mich kennt, weiß, dass ich an diesen Themen dranbleibe und sie vorantreibe“, hat er bereits Gespräche geführt. „Aber das ist intern, und da bleibt es auch.“

Natürlich weiß Schindler, dass der VfL weitere Sponsoren benötigt, um neue Ziele anpeilen zu können. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Deshalb hat er sich zunächst mit dem Machbaren auseinandergesetzt. Er will die sogenannten „weichen Faktoren“ optimieren. Einheitliche Spiel- und Trainings-Kleidung, von der Bundesliga bis zu den Jugendteams, natürlich alle in Blau, kein Farbengemisch wie bislang. Der Kraftraum in der SCHWALBE arena wurde komplett neu bestückt und bundesligatauglich gemacht. Dasselbe gilt für die Kabinen, die jetzt weniger denen einer Schulturnhalle ähneln, sondern modern ausgestattet sind mit Schränken für jeden einzelnen Spieler, an denen ein lebensgroßes Konterfei des jeweiligen Akteurs prangt. In den Kabinengängen werden an den Wänden große Mannschaftsfotos platziert. „Die Spieler sollen jeden Tag wissen, wer ihr Arbeitgeber ist, sie sollen sich voll und ganz mit dem VfL Gummersbach identifizieren“, sagt Schindler.  

Und der 33-Jährige hat weitere Kleinigkeiten geändert: Endlich haben die Akteure feste Parkplätze an der Halle, auch die Trainingsbekleidung wird jetzt zentral gewaschen und der Mannschaftsbus entspricht den höchsten Standards in der Liga. Natürlich im VfL-Blau gehalten mit dem Schriftzug „Leidenschaft vereint“, einer eigenen Küche, in der die von einem Ernährungsberater vorgekochten Gerichte auf den teils langen Auswärtsfahrten erwärmt und serviert werden können. Für Schindler ist es zudem selbstverständlich, dass sich alle Profis nach einigen Monaten in Deutsch verständigen können, weswegen zweimal wöchentlich ein Sprachlehrer gerade den Neuzugängen in der Arena entsprechenden Unterricht erteilt.



Natürlich weiß der VfL-Sportdirektor, dass die neue operative Führungsriege des VfL - mit ihm selbst, Geschäftsführer Peter Schönberger und Trainer Dirk Beuchler – an Erfolgen gemessen wird. Trotzdem mahnt Schindler, zu Beginn die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben. Die kommende Saison sei für die Blau-Weißen eine mit mehreren Fragezeichen. „Mindestens vier Spieler haben noch keine Erfahrungen in der Liga. Ich glaube, wir werden ein sportliches Übergangsjahr vor uns haben, aber wir wissen genau, wo wir hin wollen.“ Den Vertrag mit Sky sieht er als „große Chance“. Manches sei gewöhnungsbedürftig, wie etwa die Spielzeiten, manches auch kostenintensiv, wie die zahlreichen Übernachtungen vor Auswärtsfahrten, doch unterm Strich bleibe ein Gewinn an Popularität für den Handball und an Reichweite durch die Fernsehübertragungen, was für die Sponsorengewinnung wichtig sei.

In Schindlers Plänen spielen auch einige jüngere Akademiespieler eine Rolle, etwa Marcel Timm, der in der nächsten Spielzeit seine Chance nutzen soll. Positiv überrascht ist er von den „Neuen“ beim VfL, bei denen zu spüren sei, dass sie sich rasch integrieren wollten. Und auch der Trainer erhält lobende Worte: Er entspreche mit einer durchaus freundlichen Grundhaltung, die sich allerdings klar an der Erfüllung der sportlichen Ziele orientiere, seinen Vorstellungen einer sportlichen Leitung.

Christoph Schindler macht Druck – auch, wenn das Gespräch ein Ende nehmen soll. Schließlich wartet ein prall gefüllter Schreibtisch, und in die Halle will er auch. Da ist er immer noch der Spieler, der weiß, dass der persönliche Kontakt gerade zu den Neuzugängen enorm wichtig ist. Dass mit dem verletzten Simon Ernst über Monate ein Leitwolf auf dem Spielfeld fehlt, schmerzt Schindler eigentlich am meisten. „Das müssen wir jetzt als Team gemeinsam meistern, müssen als echte  Einheit auftreten“, hofft er, den Ausfall im Kollektiv kompensieren zu können.
  
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