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Das große Wechselbad der Gefühle

uk; 4. Dec 2016, 20:47 Uhr
Bilder: Alexander Arnold --- Tolle leistung von Rückraum-Shooter Julius Kühn nach seiner Verletzung. Der Hüne traf elfmal.
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Das große Wechselbad der Gefühle

uk; 4. Dec 2016, 20:47 Uhr
Gummersbach - Einen hoch verdienten Punkt gegen die favorisierten Füchse aus Berlin sicherten sich die Bundesligahandballer des VfL Gummersbach - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
von Uli Klein  

VfL Gummersbach - Füchse Berlin 26:26 (13:14).

Ein bisschen Energie ist dann doch noch da: Julius Kühn geht in die Hocke und kritzelt ein Autogramm auf das Trikot des kleinen Marvin. Nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit: Der Nationalspieler des VfL Gummersbach ist nämlich fertig, total fertig. Gemeinsam mit seinen Kollegen hatte der 22-Jährige zuvor dem Tabellenvierten der Bundesliga einen hoch verdienten Punkt (26:26) abgeknöpft - mit der stärksten Saisonleistung. 4.132 Fans  machen sich dennoch mit durchaus grenzwertigen Gefühlen auf den Heimweg. Zum einen hoch erfreut, weil sie nach extrem schwachem Beginn ihrer Lieblinge eine tolle Vorstellung des VfL-Teams gesehen hatten. Zu anderen ein bisschen verbittert. Ein Sieg gegen die Hauptstädter wäre allemal möglich gewesen, wenn, ja wenn das deutsche Elite-Schiedsrichterpaar Lars Geipel/Marcus Geipel die Begegnung ein bisschen objektiver gepfiffen hätten.


[Simon Ernst hat sich in dieser Szene gegen die Berliner Deckung durchgesetzt und erzielt ein Tor.]

Nachdem die Referees schon zuvor so gut wie jede Fifty-Fifty-Situation zugunsten der Hauptstädter ausgelegt und dem VfL nicht nur einmal den Vorteil wegepfiffen hatten, schickten die Star-Schiedsrichter in den finalen 100 Sekunden mit Evgeni Pevnov und Andreas Schröder gleich zwei VfL-Spieler aufs Sünderbänklein. Entscheidungen, die man so treffen konnte, die aber jede Verhältnismäßigkeit vermissen ließen. Denn für völlig identische Szenen auf der Gegenseite wurde Blau-Weiß mit schnöden Freiwurfpfiffen abgespeist. Allein die Strafzeitenstatistik (Zwölf Minuten für die Hausherren, aber nur vier Minuten für die genauso herzhaft zupackenden Gäste) entsprach keinesfalls den Realitäten. Nicht nur VfL-Coach Emir Kurtagic schüttelte angesichts vieler diskussionswürdiger Pfiffe den Kopf, widerstand aber angesichts der später bärenstarken Leistung seiner Jungs der Versuchung, seine Analyse auf die streitbare Spielleitung zu reduzieren.



Natürlich war dem Sportlehrer nicht entgangen, dass sein Team in den ersten 22 Minuten völlig chancenlos geblieben war ("da haben wir gar keinen Zugriff gefunden."). Die Füchse mischten die VfL-Abwehr nach Belieben auf, sodass die Hausherren wie ein panischer Hühnerhaufen übers Parkett stolperten und Berlin - gestützt auf einen soliden Silvio Heinevetter im Kasten sowie den schier unbremsbaren Petar Nenadic (allein sieben der ersten neun Füchse-Treffer gingen aufs Konto des Serben) - fast widerstandslos die Initiative überließe. Der 13:6-Vorsprung  der Hauptstadtgesandten resultierte  jedenfalls aus einem Mix Gummersbacher Unzulänglichkeiten und der Nenadic-Festspiele in der Arena. Erst jetzt, als die Partie quasi schon entschieden schien, spielten die Hausherren ernsthaft mit.


[Hart zur Sache ging es hüben wie drüben: Hier liegt Andreas Schröder im Clinch mit Fabian Wiede.]

Und wie: Angeführt vom von nun an überragend haltenden Carsten Lichtlein im Gummersbacher Tor sowie einem plötzlich groß aufspielenden Julius Kühn im Rückraum  kämpfte man sich heran und glich mit einem 7:0-Lauf zum 13:13 aus. Nenadic sorgte zwar mit einem glücklich verwandelten Strafwurf noch einmal für einen Füchsevorteil zur Pause, doch der Lauf des VfL-Express war nach Wiederbeginn einfach nicht mehr zu stoppen. Mit einem zweiten, fast beängstigendem Zwischenspurt zog man schnell auf 17:14 (34.) davon und behauptete diesen Vorteil bis zur 48. Minute (24:21).


[Erst Enttäuschung, dann frenetischer Jubel und am Ende Zufriedenheit über ein tolles Spiel beim VfL-Anhang.]

"Dann haben wir uns aber zusammengerissen und das Ding noch einmal gedreht. Unter dem Strich können wir mit dem Punkt sehr zufrieden sein", kommentierte Berlins oberbergischer Fuchs Paul Drux die Endphase, in der den Gästen doch noch ein Dusel-Remis gelang. Während Berlins Trainer Erlingur Richardsson beim Pressetalk von einem "unter dem Strich gerechten Ergebnis" sprach, trauerte Kurtagic der knapp verpassten, vollen Ernte nach: "Klar wäre es großartig und nicht unverdient gewesen, wenn wir das Spiel gewonnen hätten." Gleichwohl attestierte der Trainer seinen Spielern nach sehr mäßigem Beginn "eine tolle Leistungssteigerung". Eine Meinung, die offensichtlich auch die VfL-Fans in der ausverkauften SCHWALBE arena teilten. Das blau-weiße Volk sorgte schon während des Partie für leidenschaftliche Unterstützung und verabschiedete den VfL mit donnerndem Applaus.



VfL
Carsten Lichtlein (17 Paraden/davon 1 Siebenmeter)
Lasse Hasenforther

Julius Kühn (11/5)
Andreas Schröder (4)
Simon Ernst (3)
Florian Baumgärtner (3)
Evgeni Pevnov (2)
Florian von Gruchalla (2)
Alexander Becker (1)
Christoph Schindler
Tobias Schröter




Füchse
Silvio Heinevetter (1. bis 42./8 Paraden)
Petr Stochl (ab 42./4 Paraden)

Petar Nenadic (10/6)
Bjarki Elisson (6/3)
Fabian Wiede (3)
Mattias Zachrisson (3)
Ignacio Plaza Jiminez (2)
Steffen Fäth (1)
Kresimir Kosina (1)
Drago Vukovic
Kevin Struck
Jakov Gojun
Paul Drux
Christoph Reißky,

Schiedsrichter: Lars Geipel/Marcus Helbig (Steuden/Landsberg)

Zuschauer: 4.132

Siebenmeter: (VfL 5/5 - Füchse 10/9, Nenadic scheitert 1 x an Lichtlein)

Strafzeiten: 12 - 4  Minuten (VfL: Pevnov 2x, Ernst, Schröder, Schindler, Kühn - Füchse: Reißky, Drux)     
  
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