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Aufopferungsvoll gekämpft gegen zu starke Kieler

pn; 23. Aug 2015, 20:50 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung ----
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Aufopferungsvoll gekämpft gegen zu starke Kieler

pn; 23. Aug 2015, 20:50 Uhr
Gummersbach - Der Titelverteidiger wankt zwar kurz, lässt vor 11.000 Zuschauern in Dortmund aber nichts anbrennen - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum', AggerEnergie und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Peter Notbohm

Den Saisonauftakt zwar verpatzt, dafür aber positive Handballwerbung betrieben. So kann man das erste Spiel der diesjährigen Saison des VfL Gummersbach wohl treffend beschreiben. Gegen den Abonnementmeister aus Kiel hatten sich wohl ohnehin nur die kühnsten VfL-Anhänger einen Sieg vorstellen können. Letztlich  resümierte es Manager Frank Flatten recht treffend: „Das war gute Werbung für den Handball und auch unseren Verein, denn wir waren über Wochen Deutschlandweit in aller Munde.“ Nach der Auftaktniederlage stehen die Oberberger derzeit auf Rang 16, mit dem Abstieg sollte die Mannschaft von Emir Kurtagic bei ähnlich couragierten Auftritten aber auch dieses Jahr nichts zu tun haben.



VfL Gummersbach - THW Kiel 26:30 (12:15).

[An Carsten Lichtlein bissen sich die Kieler mehrfach die Zähne aus.]

THW-Coach Alfred Gislasson wurde nach dem Schlusspfiff nicht müde zu betonen, wie wichtig ihm dieser Sieg bei seinem Ex-Verein war: „Es war ein unheimliches schweres Spiel und wir wollten nicht so starten wie vergangene Saison gegen Lemgo.“ Das zeigten die Gäste zunächst auch von der ersten Sekunde an. Aus einer sehr offensiv ausgerichteten 3:2:1-Deckung heraus wurde Gummersbach in den ersten Minuten gnadenlos an die Wand gespielt. Während die Kieler ihre individuelle Klasse immer wieder auszuspielen wussten, taten sich die Kurtagic-Schützlinge zunächst sehr schwer mit der offensiven Defensivvariante der Norddeutschen. Beim 1:4 (8.) durch Joan Canellas war eine erste Duftmarke gesetzt, ehe es zum ersten echten Aufreger der Partie.

Gummersbachs Neuzugang Evgeni Pevnov, bis dahin einziger VfL-Torschütze, durfte sich bei den Schiedsrichtern bedanken, weiterspielen zu dürfen, nachdem sie einen Ellbogencheck ins Gesicht von Kiels Abwehrchef Rene Toft-Hansen lediglich mit einem Stürmerfoul, statt der fälligen roten Karte ahndeten. Die Gäste regelten die Angelegenheit allerdings auf ihre Art und Weise. Über 2:6 (12.) und 3:8 (15.) lieferten sich die beiden Kreisläufer weiter ein hartes Duell am Rande der Legalität, ehe nun auch Pevnov einen harten Gesichtstreffer einstecken musste und fortan die erste Hälfte mit einem dicken Eisbeutel an der Stirn von der Bank aus betrachten musste.


[Pevnov knallte nach einem Stoß mit dem Kopf auf die Schulter eines Kieler Abwehrspielers.]

Doch mit dem nun eingewechselten Alexander Becker kam auch neuer Schwung ins VfL-Spiel. Beim 6:9 durch Florian von Gruchalla (19.) war der Rückstand wieder etwas geschrumpft, aber auch in der Folge blieb die THW-Defensive ein Buch mit sieben Siegeln für die Gastgeber. Hinzukam, dass Gummersbach mehrfach mit den Schiedsrichtern haderte, die fast jede enge Entscheidung eher zu den Gunsten des Rekordmeisters auslegte. Beim 6:11 (22.) nahm Kurtagic bereits seine zweite Auszeit, konnte damit die Gemüter aber auch nicht beruhigen, da der bis dahin schwache Kapitän Christoph Schindler sich sofort eine völlige unnötige Zeitstrafe einhandelte.  Doch in den Schlussminuten der ersten Hälfte erlitt auch das Kieler Spiel einen Bruch. Da der THW in der Abwehr nicht mehr so konsequent war, witterte Gummersbach nun wieder Morgenluft und konnte in der letzten Minuten durch Treffer von Julius Kühn, Raul Santos und Alexander Becker aus einem 9:14 (29.) ein 12:14 (30.) machen.

Umso ärgerlicher der letzte Kieler Treffer durch Toft Hansen, der die letzten sieben Sekunden nutzte, um noch einmal zu erhöhen. Ein völlig unnötiges Gegentore, das aber auch insgesamt zum Spiel passte. Denn nach dem Seitenwechsel sollte es so weitergehen. Gummersbach hatte, angetrieben vom sich deutlich steigernden Schindler, nun seine beste Phase und erzielte beim 15:16 (33.) durch den wurfgewaltigen Kühn sogar den Anschlusstreffer. In der Folge verpasste es der VfL aber, sich selbst zu belohnen. Carsten Lichtlein und die gesamte Defensive steigerten sich zwar von Minute zu Minute, drei weggeworfene Gegenstoßpässe verhinderten aber ein Kippen der Partie, was durchaus möglich gewesen wäre, denn auch müde wirkende Kieler geizten in dieser Phase nicht mit Fehlern.


[Julius Kühn war vor allem aus der zweiten Reihe brandgefährlich, wird hier aber von Niclas Ekberg gestoppt.]

Auch starke Paraden von Lichtlein gegen den im Gegenstoß unkonzentrierten Domagoj Duvnjak halfen da nicht weiter. Beim 18:20 (39.) durften die Oberberger ein letztes Mal von der Sensation träumen, ehe der letztjährige Meister die Kuh vom Eis nahm. Über 19:24 (46.) und 25:28 (54.) pendelte die THW-Führung ständig bei drei bis fünf Toren, ohne dass der Kieler Sieg in der Schlussphase noch einmal in Gefahr geriet.

Trotz der Niederlage darf man aber ein durchaus positives Fazit des Gummersbacher Auftritts ziehen. Mit Kiel war schließlich nicht irgendein Gegner zum Jubiläumsspiel nach Dortmund angereist. Die Kurtagic-Mannschaft steckte nie auf und kämpfte vor 11.000 Zuschauern bis zuletzt, auch wenn das Spiel teils noch zu fehlerbehaftet war. Positiv zu erwähnen sind neben dem bärenstark Carsten Lichtlein (17 Paraden) auch Julius Kühn, der nicht nur einmal seinen starken Wurfarm aufblitzen ließ, sowie Gunnar Stein Jonsson, der andeutete in seiner zweiten Saison nun vielleicht endlich die erhoffte Verstärkung zu werden. Aber auch Alexander Becker wusste am Kreis zu gefallen. Mit einer ähnlich couragierten Leistung sollten in Balingen, das in Flensburg eine herbe Niederlage kassierte, sicherlich etwas möglich sein.  


[Simon Ernst scheint noch ein wenig müde von der Juniorenweltmeisterschaft zu sein. "Er hatte jetzt zum zweiten Mal keine vernünftige Vorbereitung. Das ist für einen jungen Spieler nicht so einfach", hofft Kurtagic seinem Schützling schnell wieder die nötige Frische verpassen zu können.]

Stimmen

Alfred Gislasson (Trainer THW): Erst einmal bin ich sehr erleichtert, dass wir überhaupt gewonnen haben und nicht so einen Start wie letztes Jahr hatten. Wir haben sehr stark begonnen, gerade in der Defensive und dadurch einfache Tore erzielt. Nach 20 Minuten kam ein ziemlicher Bruch in unser Spiel, mit vielen Fehlwürfen gegen einen überragenden Carsten Lichtlein. Nach der Pause war es ein sehr ausgeglichenes Spiel und wir haben nur in den letzten zehn Minuten etwas besser gespielt und uns absetzen können. Man konnte sehen, dass wir gut eingespielt sind und die Neuen noch etwas Zeit benötigen werden. Ich bin sehr glücklich gegen einen sehr starken VfL Gummersbach gewonnen zu haben. Wir haben jetzt zehn Tage Zeit zu trainieren.

Torsten Storm (Geschäftsführer THW): Ich möchte zunächst einmal meinem Kollegen Frank Flatten gratulieren. Diese Veranstaltung hier in Dortmund war etwas richtig positives für den deutschen Handball, nachdem wir zuletzt ja nicht nur gute Nachrichten hatten. Ich kann unserem Team nur gratulieren, wie es in die Saison gekommen ist.

Emir Kurtagic (Trainer VfL): Glückwunsch an den den THW zu zwei Punkten. Alle haben gehofft, dass wir wie Lemgo letztes Jahr den großen THW schlagen können. Aber gerade diese ersten 15 Minuten haben gezeigt, dass der THW ein anderes Kaliber ist. Wir haben zu Beginn Chancen nicht genutzt und Fehler gemacht und dadurch Kiel zu Sicherheit verholfen. Ich bin trotzdem zufrieden, denn wir haben nie aufgesteckt und phasenweise sehr gut mitgehalten. Aber über 60 Minuten hat das nicht gereicht um die beste Mannschaft Deutschlands zu schlagen. Wir sind an einigen Stellen noch etwas zu unreif. Schade, dass wir nicht einen super super Saisonstart erwischt haben.  Wir müssen jetzt nach vorne gucken und die volle Konzentration auf das schwere Spiel in Balingen lenken. 

Frank Flatten (Manager VfL): Herzlichen Glückwunsch zu zwei verdienten Punkten. Ich bin stolz, was wir hier heute auf die Platte gebracht haben. Das Team hat 60 Minuten gekämpft, aber auch auf die gesamte Geschäftsstelle, die in den letzten zwei Wochen viel Arbeit geleistet hat, die nicht jeder sieht. Wir haben ein Handballfest erlebt und für die Liga eine sehr gelungene Eröffnungsveranstaltung gezeigt. Für uns hoffe ich, dass wir dasselbe Engagement auch in Balingen zeigen werden.


[11.000 Zuschauern bereiteten einen tollen Rahmen für das Auftaktspiel des VfL.]

VfL Gummersbach

Carsten Lichlein (1.-60. Minute, 17 Paraden, darunter zwei Siebenmeter)
Matthias Puhle (n.e.)

Simon Ernst
Julius Kühn (6)
Magnus Persson 
Gunnar Stein Jonsson (3)
Florian von Gruchalla (2)
Alexander Becker (4)
Andreas Schröder(1)
Raul Santos (4/1)
Chrstian Zufelde
Christoph Schindler (3)
Evgeni Pevnov (2)
Mark Bult (1)

THW Kiel

Niklas Landin (31.-50. Minute, drei Paraden)
Nikolas Katsigiannis (1.-30. und 51.-60. Minute, acht Paraden)
Domagoj Duvnjak (6)
Rogerio Ferreira Moraes
Rene Toft Hansen (2)
Erlend Mamelund
Christian Sprenger
Steffen Weinhold (2)
Christian Dissinger
Patrick Wiencek (4)
Niclas Ekberg
Joan Canellas (3/1)
Rune Dahmke (6)
Marko Vujin (2/1)

Zuschauer:
11.000.

Schiedsrichter:
Andreas Pritchow / Marcus Pritschow.

Siebenmeter
1/1 – 4/2 (Santos treffsicher – Canellas und Vujin scheitern an Lichtlein).

Strafen
8:2 Minuten (Schindler, Kühn, Bult, Santos - Dahmke).
  
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