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James Bond aus Oberberg

uk; 20. Aug 2015, 12:32 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Im Gespräch mit OA wusste Erhard Bosch Interessantes zu berichten.
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James Bond aus Oberberg

uk; 20. Aug 2015, 12:32 Uhr
Gummersbach – Erhard Bosch (79) hat als früherer Hallensprecher und Geschäftsführer des VfL Gummersbach viele interessante und spannende Anekdoten zu erzählen - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum', AggerEnergie und die Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Uli Klein

Natürlich  ist er gespannt, so richtig gespannt und eigentlich müsste er auch vor Ort sein. Doch wenn die Handballer des VfL Gummersbach am Sonntag den alten Rivalen THW Kiel zum Jubiläumsspiel (mit der Partie wird die 50. Bundesligasaison eröffnet, siehe Bericht) empfangen,  wirdErhard Bosch im heimischen Wohnzimmer vor dem Fernseher mitfiebern und nicht in der Dortmunder Westfalenhalle. Jener Kultstätte, in der der VfL einst grandiose Europacupschlachten schlug und sich in den 1970er und 1980er Jahren zur besten Vereinsmannschaft der Welt entwickelte.
 

Erhard Bosch begleitete den märchenhaften Gummersbacher Erfolgsweg in dieser Zeit hautnah. Er amtierte ab 1973 nicht nur als Geschäftsführer, sondern auch als Hallensprecher. "The Voice of VfL" moderierte indes nicht nur auf der ganz großen Dortmunder Bühne, sondern informierte blau-weiße Fans und Aktive auch in der heimischen Eugen-Haas-Halle, nachdem er zuvor schon in der altehrwürdigen Halle an der Reininghauser Straße zum Mikro gegriffen hatte.


Bosch muss heute noch grinsen, wenn er an seine ersten  Erfahrungen als Hallensprecher in Dortmund zurückdenkt: "Vor dem Debüt sollte ich dem damaligen Sprecher Karl-Ernst Lüdorf   über die Schulter gucken. Karl-Ernst machte seinen Job völlig souverän. Ein bisschen verblüfft war ich dann aber doch, als er die Fans aufforderte: "Meine Damen und Herren, wir bitten sie das Rauchen im Interesse der Spieler einzustellen, selber aber genussvoll weiterpaffte." Anekdoten wie diese erlebte der heute 79-jährige viele: "In 23 Jahren am Mikro bekommt man schon einiges mit", sagt er.

Spektakulär gestalteten sich insbesondere die  Kräftemessen mit den Ostblock-Teams. SC Magdeburg, MAI und ZSKA Moskau, Steaua Bukarest oder auch Partizan Bjelovar kamen  in jener Zeit nicht nur zum sportlichen Vergleich. Vielmehr hatten die Begegnungen immer etwas von Klassenkampf zwischen Ost und West.  Und dennoch kam es am Rande der prestigeträchtigen Auseinandersetzungen auf dem Parkett durchaus auch zu zwischenmenschlichen Kontakten. Erhard Bosch, der aushilfsweise auch schon mal  für TuSEM Essen am Mikrofon saß und zwischen 1982 und 1995 zudem die Spiele der deutschen Nationalmannschaft kommentierte, erzählt von einem Europacup-Match des VfL gegen ZSKA Moskau mit deren Star Vladimir Maximow.




"Er kam damals vor dem Hinspiel in Dortmund mit einer aus einem Neckermann-Katalog herausgerissenen Seite zu uns und erklärte, dass er und seine Mitspieler ,das haben will'- abgebildet waren elektronische Geräte wie Walkman, Kassetten- oder Videorecorder, oder Kameras. Dinge, die es in der Sowjetunion nicht gab." Da Bosch die Artikel auf die Schnelle an einem Europacupwochenende nicht besorgen konnte, wurde ausgemacht, dass er sie zum Rückspiel in Moskau mitbringen sollte. Bosch ging freilich nicht zu Neckermann, sondern bat Heinz Kreiensiek um  Unterstützung. Und der damalige Karstadtchef half tatsächlich und brachte Lieferant Bosch so unfreiwillig in die Bredouille.

Als die Gummersbacher Delegation nämlich auf dem Flughafen Sheremetyevo gelandet war und sich der Zollkontrolle näherte, bekam Erhard Bosch plötzlich doch leichtes Herzrasen: "Kein Maximow in Sicht, kein Klub-Offizieller in Sicht, in der Schlange wurde von hinten gedrängelt und ich mit diesem Elektronik-Kram im Gepäck. Ich sah mich schon beim KGB-Verhör", schildert Bosch die bangen Minuten in der russischen Hauptstadt. Dann aber die Erlösung: Ein mit diversen Orden behängter Offizier erschien auf der Bildfläche und schleuste den "Gummersbacher Schmuggler" samt Gepäck unbehelligt durch einen Hinterausgang. "Der stolze Ordensträger war Maximow, der als Superhandballer den Rang eines hohen Tiers in der Armee bekleidete", berichtet Erhard Bosch.



Doch das war noch nicht das Ende der Geheimdienst-Story. "Danach wurde ich einen Wagen verfrachtet. Der Fahrer brachte mich in einen Moskauer Vorort, in dem zwei Limousinen mit abgedunkelten Scheiben warteten: Ein paar Jungs packten die Ware von unsrem Auto in die Limousinen. Anschließend chauffierte mich Maximow in unser Mannschaftshotel."


"James Bond aus Oberberg" könnte vermutlich endlos von seiner Zeit als Geschäftsführer und Hallensprecher erzählen. Seine Ära endete 1996, als Ehefrau Helga ihr Recht auf Urlaub einforderte: "Wir waren lange Zeit nie weg, da ich stets durch den Verein gebunden war. Aber nach 23 Jahren musste ich dem Anliegen meiner lieben Gattin Folge leisten" formuliert der Ex-Hallensprecher in geschliffenen Worten." Gerade so wie einst im Dienst des VfL in der Westfalenhalle. Für die große, aktuelle  (Nostalgie-)Partie am Sonntag drückt Erhard Bosch seinem VfL natürlich alle Daumen, gesteht aber: "Wir haben eine tolle, junge Mannschaft mit sehr guter Perspektive. Aber ich denke, dass sich der THW mit seinen Superstars und seiner Erfahrung am Ende knapp durchsetzen wird. Leider."

  
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