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Totschlags-Prozess: Angeklagter schweigt noch

pn; 23. Apr 2014, 16:00 Uhr
Bilder: Peter Notbohm.
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Totschlags-Prozess: Angeklagter schweigt noch

pn; 23. Apr 2014, 16:00 Uhr
Köln/Gummersbach – Heute begann der Prozess um einen tödlich verlaufenen Streit unter Brüdern – Während der Angeklagte zur Tat noch keine Angaben machen wollte, belastete ihn ein jugendlicher Zeuge schwer.
Von Peter Notbohm

Sechs Schüsse sorgten im vergangenen August für ein blutiges Ende eines wohl bereits seit Jahren schwelenden Streits zwischen zwei Brüdern aus Derschlag. So nahm es jedenfalls die Staatsanwaltschaft Köln in ihrer heutigen Anklageverlesung an, die den 43-jährigen Gummersbacher wegen Totschlags anklagte. Demnach soll der gelernte Werkstoffprüfer in der Nacht vom 25. auf den 26. August 2013 seinen jüngeren Bruder zunächst im ersten Obergeschoss des gemeinsamen geerbten Hauses in den Oberarm geschossen haben, anschließend im Hof des Grundstücks in die Wade und schlussendlich mit vier Schüsse in den Rücken getötet haben. Das Opfer sei an den Lungen- und Halsschlagadertreffern schnell verblutet.


[Der 43-jährige Gummersbacher mit seinen beiden Anwälten Harald Placke (links) und Heinrich Eckmann (rechts)].

Während der Angeklagte zunächst die Aussage verweigerte, gaben seine beiden Anwälte Harald Placke und Heinrich Eckmann ein kurzes Statement ab, dass man das Gutachten zu spät erhalten habe und mit der Verarbeitung dessen noch nicht fertig sei. Eine Einlassung seitens des Angeklagten werde es im weiteren Prozessverlauf geben, wobei Placke durchblicken ließ, dass man den Tatvorwurf bis auf Kleinigkeiten weitestgehend anerkenne. So kamen anstelle des Angeklagten eine Nervenärztin sowie ein Psychiater als Gutachter zum Tragen, die während der Untersuchungshaft mit dem Oberberger mehrere Gespräche geführt haben.

Aus ihren Berichten kristallisierte sich schnell das Bild eines Außenseiters heraus, der seit Kindertagen aufgrund seiner starken Diabetes immer wieder ausgegrenzt wurde, der sich damit aber auch arrangiert habe, "wenn man ihn denn in Ruhe lasse". Im jugendlichen Alter sei er zudem eventuell während einiger Familienurlaube von einem Sylter Fotographen missbraucht worden. Zu seinen beiden Geschwistern habe er nur wenig Kontakt gehabt, dieser sei zudem häufig von Streitereien geprägt gewesen, gerade um das Erbe, nachdem beide Eltern gestorben waren.

Ob dieser Situation habe der Angeklagte sogar Selbstmordgedanken gehabt, die sich am Tatabend manifestiert hätten. „Ich wollte mir vor meinem Bruder den Kopf vom Kegel schießen, damit ihn dieses Bild sein Leben lang verfolgt“, berichtete Dr. Konstance Jankowski aus den Gesprächen mit dem 43-Jährigen. Sein Bruder habe ihn daraufhin aber beleidigt und einen Hammer nach ihm geworfen. Daraufhin sei der unter Cannabiseinfluss stehende Angeklagte "explodiert", so dass es zu der folgenschweren Tat kam. Nachdem das im Hof verletzt liegende Opfer ihn dann nochmals beleidigt habe, fielen die tödlichen Schüsse.

Eine deutliche andere Sicht der Dinge vermittelte hingegen der 14-jährige Sohn der Nebenklägerin, die mit dem Opfer bereits mehrere Jahre in Witten zusammenlebte. Laut ihm sei der Angeklagte häufig mit mehreren Waffen im Haus herumgelaufen, habe diese mittels eines Schalldämpfers auch im Garten ab und zu benutzt, damit sogar gegenüber den Kindern geprahlt und sei ohnehin ein sehr aggressiver Mensch gewesen. Nach den ersten Schüssen im Obergeschoss habe der mutmaßliche Täter ihm sogar die Waffe vor die Stirn gehalten und aufgefordert alle Handys herauszugeben.

„Er hätte mich, meinen Bruder und meine Schwester wohl auch erschossen, wenn mein Vater draußen nicht nach der Polizei gerufen hätte“, schloss der Junge einen Unterzuckerungszustand beim Angeklagten kategorisch aus: „Die Anzeichen dafür kenne ich von meinem Vater zu gut. Er war einfach nur aggressiv.“ Glück hatte der Schüler zudem ein weiteres Mal bei der Flucht des 43-Jährigen, als der Angeklagte ihn nur wenige Zentimeter mit seinem Auto verfehlte. Die Familie sei seit dem Tag völlig am Boden zerstört, wobei er noch am besten mit der Situation umgehen könne.

Hier erwachte dann auch der Angeklagte aus seinem Schweigen. „Es tut mir sehr leid, was an diesem Abend passiert ist“, entschuldigte er sich bei dem Jungen. Weitere Angaben zur Tat sollen am Montag folgen, wenn er sich am zweiten Prozesstag äußern will.

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