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"Entscheidend is auf'm Platz"

bv; 3. Dec 2018, 11:06 Uhr
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"Entscheidend is auf'm Platz"

bv; 3. Dec 2018, 11:06 Uhr
Gummersbach - Weil beim VfL Gummersbach Anspruch und Wirklichkeit seit Jahren weit auseinanderklaffen, sollte man sich auf das Wesentliche konzentrieren - die Veränderung der sportlichen Situation.
VfL-Fans sollten jetzt stark sein - oder nicht weiterlesen. Noch sind vier Spiele in diesem Jahr zu absolvieren, aber die saisonübergreifende Bilanz für 2018 liest sich wie der Auszug aus einem Horror-Roman. Die Chance, einen VfL-Sieg zu erleben, steht bei 1 zu 5. Sechs Siege stehen 24 Niederlagen gegenüber. Mit einer solchen Bilanz steigt man üblicherweise ab - nicht so in der Handball-Bundesliga, in der sich bislang immer noch zwei Teams fanden, die noch schwächer agierten. Doch irgendwie wird der VfL Gummersbach zum Maskottchen der Beletage des deutschen Handballs. Wenn schon Teams wie GWD Minden - ohne den Ostwestfalen jetzt zu nahe treten zu wollen - die Kreisstädter wie geprügelte Hunde nach Hause schicken, spricht niemand mehr voll Bewunderung vom Handball-Dino, dem Gründungsmitglied der Bundesliga, sondern nur noch mitleidsvoll von einem VfL, bei dem nur noch die gefüllte Vitrine an einst ruhmreiche Zeiten erinnert. Mitleid, das ist viel schlimmer als Kritik.

Die Macher des VfL haben jetzt entschieden, sich einen frischeren, moderneren Anstrich zu geben. Mehr junge Menschen sollen sich für den VfL begeistern, mehr Sponsoren angelockt werden. Ein neuer Textilausstatter wurde gefunden. Gummersbach soll handballtechnisch nicht mehr Tradition sein, sondern irgendwie VfL 2.0. Gutes Stichwort, 2:0 Punkte, das wär was. Zukunft gewinnt man nämlich nur bedingt mit Marketingkonzepten - und gar nicht, wenn der Markenkern nicht stimmt. Einer hat das so gekonnt zusammengefasst, da braucht es keine sprachlichen Verrenkungen. "Entscheidend is auf'm Platz", so Adi Preißler, bekannter Fußballer von Borussia Dortmund in den fünfziger Jahren. Wen will man für den VfL begeistern, wenn die Leistung nicht stimmt?  

Und die stimmt schon lange nicht mehr. Zwei handballerische Glücksfälle wie Simon Ernst und Julius Kühn, konnten das eine gewisse Zeit kaschieren. Doch jetzt liegt der Dauerpatient VfL auf der Intensivstation. Mehrere Kardinalfehler müssten beseitigt werden, um wieder Hoffnung auf Genesung zu machen.

● Das Jammern über Verletzungen ist müßig, damit haben auch andere Teams zu kämpfen. Richtig ist, dass der Kader schon vor Saisonbeginn zu klein war.

● Der Mannschaft fehlt ein Kopf, eine Autoritätsperson, die auf dem Spielfeld vorangeht, Handball lebt, einen der antreibt und seinen Mitspielern den Kopf wäscht, damit Desaster wie in Lemgo oder Minden nicht stattfinden. Zur Klarstellung: Auch Drago Vukovic konnte diese Rolle nicht bekleiden.

● Wenn die finanziellen Möglichkeiten des Vereins - auch aufgrund von Misswirtschaft in der Vergangenheit - nicht rosig sind, muss man clever agieren. Etwa, indem man bestrebt ist, eines der besten Scouting-Systeme in Deutschland zu entwickeln. Jugendförderung ist die beste Zukunftsinvestition, Vertrauen in Talente geht nur über Spielpraxis.

● Und schließlich: Es gilt in Gummersbach wieder Demut zu lernen. Was früher toll war, bringt heute keine Punkte. Der Weg der Genesung wird lang werden, wer diesen Weg nicht mitgehen will, sollte sich andere Betätigungsfelder suchen.

Der VfL muss sportlich die Kurve bekommen, die Mannschaft endlich den Charakter zeigen, den man von jedem Sportler, vor allem natürlich von Profis erwarten kann. Für den Augenblick gilt: Wenn der VfL Gummersbach in der aktuellen Verfassung wirklich die Heimat des Handballs wäre, wäre es um diese Sportart schlecht bestellt.
  
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