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Alte Gebäude neu gedacht: Mit innovativen Ideen in die Zukunft

fj; 9. Jan 2019, 12:35 Uhr
Bild: Fenja Jansen --- Das enge Aggertal setzt Engelskirchen bei der Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten natürliche Grenzen – das treibt Bürgermeister Dr. Gero Karthaus zu immer neuen kreativen Ideen, wie aus Altem Neues gemacht werden kann.
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Alte Gebäude neu gedacht: Mit innovativen Ideen in die Zukunft

fj; 9. Jan 2019, 12:35 Uhr
Engelskirchen – Was bringt das neue Jahr für Engelskirchen und wohin wird die Entwicklung gehen? Oberberg-Aktuell sprach mit Bürgermeister Dr. Gero Karthaus über Herausforderungen und Ziele der Gemeinde.
Von Fenja Jansen

Ründeroth: Alte Bücherfabrik, Ausbau Bahnhof, Umbau altes Bahnhofsgebäude

Der Umbau der alten Bücherfabrik Jäger an der Oststraße in Ründeroth steht für Engelskichens Bürgermeister Dr. Gero Karthaus ganz oben auf der „To-do-Liste 2019“: „Der Umbau zu einem Bürgerzentrum sowie Zentrum für Gesundheit und Pflege ist sowohl ein Leuchtturm im Integrierten Handlungskonzept zur städtebaulichen Entwicklung als auch beantragtes Regionale-Projekt.“ Verfolgt wird ein völlig neuer Ansatz: Zum ersten Mal sollen in der Region alle Instanzen, die Menschen benötigen, um möglichst lange selbstständig und selbstbestimmt leben zu können, unter einem Dach vereint werden – vom Beratungsangebot im Gesundheitsbereich bis zu Finanzfragen, erklärt Karthaus. Im Verfahren um eine Förderung im Zuge der Regionale gab es für dieses Konzept bereits den sogenannten „C-Stempel“, womit die erste Hürde genommen ist. Ein europaweiter Architektenwettbewerb läuft noch bis ins Frühjahr, dann wählt eine Jury den Siegerentwurf aus, der als Grundlage für die weiteren Planungen dient. Karthaus geht davon aus, dass bis Ende 2019 feststeht, ob das Projekt eine Regionale-Förderung erhält. Es winken 20 Millionen Euro. „Aber auch ohne Förderung würden wir das Projekt weiterverfolgen, weil wir überzeugt davon sind“, so der Rathauschef. Ob dann auch das Bürgerzentrum realisiert werden kann, sei allerdings fraglich. Jedoch: Karthaus ist sehr optimistisch, dass es mit einer Förderung klappt und hofft, dass Ende 2020 der erste Spatenstich erfolgen kann.

2019 will die Verwaltung ebenfalls alle Weichen für den Ausbau des Ründerotther Bahnhofs stellen, damit ab 2020 gebaut werden kann. „Der Bahnhof rückt immer mehr als oberbergischer Mobilitätsknotenpunkt in den Fokus, da er Zubringerbahnhof aus dem Wiehltal ist“, begründet Karthaus die Dringlichkeit des Ausbaus. Derzeit prüfe der Kreis die Einführung einer Schnellbuslinie von Reichshof über Wiehl nach Ründeroth, damit nicht jeder Pendler aus dem Wiehltal mit dem Auto anreisen muss. Die Gemeindeverwaltung wird die Ladestraße ausbauen: Hier sollen ein Pendlerparkplatz und auch eine Wendeschleife für die neue Buslinie entstehen, sollte diese kommen. Auch Ladestationen für E-Bikes und –Autos gehören für Karthaus zu einem zukunftsfähigen Bahnhof.

In Bezug auf das alte Ründerother Bahnhofsgebäude führt die Gemeinde derzeit abschließende Gespräche mit einem Investor, der das Gebäude in ein Bed & Breakfast umbauen will.

Ortskern: Bahnhofsgebäude, Parkraumkonzept, neue Brücke

In Punkto Bahnhofsgebäude ist man in Engelskirchen schon einen Schritt weiter als in Ründeroth: „Der Investor steht fest und arbeitet derzeit an einer Baugenehmigung“, fasst Karthaus zusammen. Das alte Gebäude wird Platz für einen Neubau machen, neben 18 Wohnungen sollen hier ein Drogeriemarkt, ein gastronomischer Betrieb und ein Café einziehen. Um den Kunden genügend öffentlichen Parkraum bieten zu können, arbeitet die Gemeinde derzeit an einem Parkraumkonzept. „Ziel ist es, den Ortskern von Dauerparkern frei zu halten und so Platz für die Geschäftskunden zu schaffen“, so Karthaus. Pendlerparkplätze werden am Straßenrand in der Leppestraße angesiedelt, die Parkplätze im Ortskern werden bewirtschaftet. Über das genaue Konzept beraten die Ausschüsse im Frühjahr. Fest steht: Spätestens, wenn der neue Drogeriemarkt eröffnet, soll auch die Parkplatzbewirtschaftung starten. Karthaus geht von einem Baubeginn für den Neubau noch vor dem kommenden Sommer aus.

Zweites großes Projekt im Ortskern wird der Neubau einer Fußgänger- und Radfahrerbrücke vom Engelsplatz in Höhe des Caritashauses auf das ehemalige Firmengelände H&K Müller sein. Hier soll die Brücke auf einen neuen Geh- und Radweg treffen. Radfahrer und Fußgänger könnten den Ortskern so umgehen, kämen an der Grundschule wieder auf die Straße. Das Projekt soll in diesem Jahr durchgeführt werden.



Schnelles Internet

Ein Gigabit und Glasfaser bis zu den Haushalten: In Sachen „schnelles Internet“ blickt die Gemeinde einer rosigen Zukunft entgegen: „Ich bin optimistisch, dass die Vertragsunterzeichnung in den nächsten Tagen stattfinden wird. In den nächsten zwei bis drei Jahren wäre der Ausbau dann abgeschlossen“, so der Verwaltungschef.

Entwicklung Industriegebiet Klause

Ob der neue Klause-Abschnitt realisiert werden kann und soll, ist Sache der Bauleitplanung und somit der Gemeinde Lindlar, so Karthaus. „Wenn es losgeht, sind wir unter den bereits ausverhandelten Bedingungen dabei“, erklärt er entspannt. Auf den Vorwurf, Engelskirchen würde „Rosinen picken“ antwortet Karthaus: „Für die Entwicklung müssen auch beide Gemeinden einen Ausgleich schaffen. Dieser ist für Lindlar nur halb so groß, weil Engelskirchen als waldreichste Gemeinde des Kreises als Partner mit dabei ist und ihren Anteil leistet. Die Vorgabe, dass das Gebiet nur gemeinsam entwickelt werden darf, lässt so mancher Kritiker gerne außen vor. Dass die Pläne auf solchen Widerstand in der Bürgerschaft stoßen, kam für Karthaus dabei nicht überraschend: „Niemand mag es, wenn er plötzlich auf ein Gewerbegebiet statt grünen Wald blickt. Das war absehbar und umso wichtiger ist es natürlich, in der Planung schon frühzeitig Transparenz zu zeigen.“

Allgemeine Entwicklung

Die Nähe zu Köln und der direkte Anschluss an die Autobahn und die Bahnstrecke sind für Karthaus die Gründe, warum Engelskirchen zunehmend in den Fokus von Kölnern gerät, die auf der Suche nach bezahlbarem Wohn- und Arbeitsraum sind. „Dieser Effekt wird in den kommenden Jahren noch zunehmen“, prognostiziert er. Dies führe zwar zu steigenden Grundstückskosten, sorge aber für den wichtigen Zuzug junger Menschen und Familien: „Wir brauchen 160 Babys pro Jahr, um unsere Schulen und Kindergärten offen halten zu können. Auch das Vereinsleben und viele andere Angebote sind auf Nachwuchs angewiesen“, gibt Karthaus Beispiele, wie der Zuzug aus den Städten für ein lebendiges Engelskirchen sorgen kann. Hier lohne es sich, in eine weitere Attraktivitätssteigerung der Gemeinde zu investieren, durch Verdichtung und Lückenschlüsse in zentralen Lagen für neuen Wohnraum zu sorgen, aber auch völlig neue Wege zu gehen, um beispielsweise Gewerbe anzuziehen: „Riesige Gewerbegebiete zu erschließen ist nicht die Stärke der Region, schon alleine, weil erst mal Tonnen von Boden bewegt werden müssten, um ebene Flächen zu schaffen. Das ist teuer und macht Landschaften kaputt. Warum sich also nicht auf die eigenen Stärken besinnen und neue Wege finden, um Natur und Gewerbe zu versöhnen und so neue Möglichkeiten zu schaffen?“, will er 2019 auch dazu nutzen, um über innovative Möglichkeiten nachzudenken. „Insbesondere im Hinblick auf die Themen ‚Gesundheit‘, ‚Gewerbe‘ und ‚Verkehr‘ sollte die Region auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und mit dem Kreis setzen“, so Karthaus.

Wahlkampf 2020

Ein Jahr vor der nächsten Bürgermeisterwahl werden die Parteien ihre Weichen stellen und über geeignete Kandidaten nachdenken – ob Karthaus sich erneut für das Amt zur Verfügung stellen wird, ist derzeit jedoch ungewiss. „Ob ich noch mal kandidieren möchte, werde ich mir im Laufe dieses Jahres überlegen“, so der Amtsinhaber.

Rückblick 2018

Als Erfolg im abgelaufenen Jahr verbucht Karthaus die Tatsache, dass trotz erheblicher Reduzierung der Gewerbesteuer ein kleiner Haushaltsüberschuss erwirtschaftet werden konnte. „Nach wie vor kann sich die Gemeinde keine Extravaganzen leisten, aber es herrscht in Bezug auf die Finanzen nicht länger Not und Elend“. Auf eine Klage, mit der eine Gewerkschaft kurz vor Weihnachten einen verkaufsoffenen Sonntag verhindern will, könne der Bürgermeister in diesem Jahr dagegen gut verzichten. „Die Aufgeregtheit im Rat und das Vorgehen, direkt den Weg einer Dienstaufsichtsbeschwerde zu gehen, wenn man nicht seinen Willen bekommt, muss sich in diesem Jahr auch nicht wiederholen“, wünscht sich der Bürgermeister mehr sachliche Diskussionen in Rat und Ausschüssen und genauso mehr Akzeptanz dafür, wenn eine große Mehrheit der Meinung ist, dass eine solche Diskussion an eine andere Stelle gehört.
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