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„Egal, wo man herkommt, auf das Herz kommt's an“

gre; 24. Jul 2018, 10:40 Uhr
Bilder: Michelle Grebe --- WippAsyl-Gründerin Gabi Weiß und die Landtagsabgeordnete Berivan Aymaz (Mitte) mit dem Team von WippAsyl, Paten und Geflüchteten.
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„Egal, wo man herkommt, auf das Herz kommt's an“

gre; 24. Jul 2018, 10:40 Uhr
Wipperfürth - Die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe WippAsyl betreut seit 2014 Geflüchtete in Wipperfürth und hilft bei Amtsangelegenheiten, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten - Berivan Aymaz, MdL stattete der Initiative gestern einen Besuch ab.
Von Michelle Grebe

Mit langsamen und verständlichen Worten fragt Berivan Aymaz die aus Syrien stammende Familie, wie es mit den Sprachkursen und der Kinderbetreuung läuft und untermauert ihre Fragen mit den dazu passenden Gesten. Wenn die 46 Jährige sich über Aufenthaltsstatus und abgeschlossene Deutschkurse erkundigt, weiß sie genau, wovon sie spricht. Schließlich kam sie selbst als junges Mädchen aus der Türkei nach Deutschland, musste sich an ihre neue Heimat und neue Umstände gewöhnen und die ihr unbekannte deutsche Sprache lernen. Dankbar erinnert sie sich an die Hilfe zurück, die ihr und ihrer Familie zu Beginn in Deutschland zuteilwurde. So gab ihr die Mutter einer Freundin einen Sprachkurs, damit sie sich so schnell in die neue Heimat integrieren konnte.

Heute sitzt sie für Bündnis 90/Die Grünen im Düsseldorfer Landtag und ist Sprecherin für Flüchtlingspolitik und Integrationspolitik. Auf ihrer Sommertour durch Nordhrein-Westfalen besucht Aymaz verschiedene Beratungseinrichtungen, Flüchtlingsinitiativen sowie interkulturelle und transnationale Projekte, um so nach der Sommertour im September ein Positionspapier aufzusetzen, um Probleme und noch notwendige Maßnahmen anzugehen und mit den Beteiligten in den unterschiedlichen Einrichtungen gemeinsam zu überlegen, wie das Einwanderungsland NRW in Zukunft gestaltet sein soll. Nach Besuchen in Köln, Bonn und Bochum stand gestern ein Besuch in Wipperfürth bei WippAsyl an.

Die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe WippAsyl betreut Geflüchtete und hilft ihnen bei der Integration. Während es zu Beginn der Flüchtlingswelle noch hauptsächlich darum ging, eine Unterkunft und ausreichend Kleidung zu finden, sind die Probleme vier Jahre später ganz andere. Es geht um den Aufenthaltsstatus, Deutschkurse, die Frage, ob das im Ausland erworbene Studium oder die abgeschlossene Ausbildung anerkannt werden und die tägliche Bewältigung von Papieren von Amt, Schule oder Arbeitgeber, die nicht immer verständlich sind. Um für alle Angelegenheiten des alltäglichen Lebens einen Ansprechpartner zu haben, gibt es in Wipperfürth seit 2014 die Initiative WippAsyl, die ein Patenschaftsprogramm entwickelt hat.



Bei ihrem Besuch hörte sich Aymaz in der Wipperfürther Initiative gerne die positiven Erfahrungen von Ehrenamtlichen und geflüchteten Familien an und freut sich sichtlich mit, wenn Leyla aus dem Iran stolz verkündete, sie habe die B1-Sprachprüfung in Deutsch bestanden und könne sich nun für den höher qualifizierten Sprachkurs anmelden. Doch bei der Gesprächsrunde in den WippAsyl-Räumlichkeiten ging es vor allem darum, Probleme aufzudecken und herauszufinden, wo noch Handlungsbedarf besteht, um die Situation für Geflüchtete und auch Ehrenamtliche zu erleichtern.

So kann Sana aus Syrien, Mutter von drei Kindern, bislang noch keinen Deutschkurs absolvieren, da in ihrer Nähe momentan kein Deutschkurs mit Kinderbetreuung angeboten wird und ihr Mann nicht auf die Kinder aufpassen kann, da er arbeiten geht und parallel noch einen Deutschkurs besucht. Dabei ist es für die Integration sehr wichtig, dass auch die Mütter sofort Deutschkurse besuchen können, um auch später noch einen Beruf zu finden oder eine Ausbildung machen zu können. Dafür werden in Deutschland Sprachkenntnisse auf B2-Niveau vorausgesetzt. Das entspricht etwa den Sprachkenntnissen nach fünf Schuljahren, vergleichbar mit den Englischkenntnissen, über die hierzulande ein Schüler der 10. Klasse verfügt.

Ohne die 30 Freiwilligen, die als Paten ehrenamtlich helfen, wäre das Projekt jedoch nicht möglich, sagt Gabi Weiß, die die Initiative ins Leben gerufen hat. Anfangs fand noch alles in ihrem Wohnzimmer statt: Das Sammeln von Sachspenden, die Vorstellung von Paten und die gesamte Organisation. Weiß wollte den Geflüchteten gerne helfen, denn für sie stand der Mensch im Mittelpunkt, der in Deutschland versucht, eine neue Heimat zu finden. „Dabei ist es mir egal, wo einer herkommt, auf das Herz kommt es an“, sagt die WippAsyl-Gründerin. Die Zuteilung von Familien und Paten macht sie übrigens nach Gefühl. „Ich schaue mir die Familie an und überlege dann, mit welchem Paten oder welcher Patin es am besten passen würde“, und meistens stimmt bei diesem persönlichen „Matching" wohl auch die Chemie.

So betreut eine Patin eine Familie aus Afghanistan mit fünf Kindern und noch mitgereisten Großeltern und noch zwei Frauen aus Somalia. Auf die Frage Aymaz´, wie viele Stunden in der Woche sie denn für dieses Engagement aufbringen würde, antwortet sie nur mit einem Lächeln im Gesicht, dass die Zugezogenen mittlerweile wie eine eigene Familie für sie seien und sie gerne dort ihre Freizeit verbringe, auch wenn mittlerweile nicht mehr ganz so viel Hilfe benötigt wird. Es sei ein Geben und Nehmen und aus dem anfänglichen Patenschaftsprogramm ist so eine tiefe Freundschaft entstanden.

Auch wenn die Erfahrungen aus insgesamt vier Jahren WippAsyl zum Großteil durchweg positiv erscheinen, gibt es dennoch viel zu tun. Vor allem Deutschkurse in der Nähe mit Kinderbetreuung werden gebraucht, um auch die Mütter sofort mit der neuen Sprache vertraut zu machen und auch im Deutschkurs andere Leute kennen zu lernen. Dies und einige andere Punkte nimmt Berivan Aymaz mit nach Düsseldorf, um diese Wünsche und Sorgen mit in ihr Positionspapier einzubauen.

Mehr Informationen über WippAsyl finden Interessierte unter: www.wippasyl.de.
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