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Opfer soll die Täter angeblich provoziert haben

pn; 5. May 2017, 17:00 Uhr
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Opfer soll die Täter angeblich provoziert haben

pn; 5. May 2017, 17:00 Uhr
Waldbröl/Bonn – Während die Angeklagten erneut den erschlagenen Familienvater als Aggressor bezeichneten, widersprechen sich die drei Tatzeugen am zweiten Prozesstag.
Von Peter Notbohm


Irgendwann reichte es dem Vorsitzen der Großen Strafkammer im Prozess um einen totgeprügelten 40-Jährigen Waldbröler. Als auch der dritte Tatzeuge sich auf Erinnerungslücken berufen wollte und zudem recht widersprüchliche Aussagen machte, raunte er den Minderjährigen an, dass dieser massiven Ärger bekommen werde, wenn er nicht endlich mit der Wahrheit herausrücke und drohte ihm zudem mit einer Vereidigung. Zwar erzählte der 17-jährige Berufsschüler, der damals auch die Polizei gerufen hatte, nun nach und nach das Tatgeschehen vom ersten September des vergangenen Jahres, wirkte dabei aber ebenso verunsichert und fahrig, wie zuvor sein 24-jähriger Onkel und davor der ihm befreundete 21-jährige Cousin des jüngsten Angeklagten.


Begonnen hatte der zweite Prozesstag zunächst mit den Einlassungen von Peter Z. und Bastian D. Sie bestätigten weitestgehend die Geständnisse ihrer beiden Mitangeklagten Anton B. und Max Z. (alle Namen geändert), versuchten die Gewaltorgie dabei aber ebenfalls so weit es ging, zu verharmlosen. Auch Peter Z. gab zu, dass man eigentlich Flüchtlinge habe „aufmischen“ wollen, ehe man zufällig das spätere Opfer Klaus B. auf dem Parkplatz eines Getränkemarktes getroffen habe. Dieser habe im alkoholisierten Zustand die aggressiv auftretende Gruppe sofort verhöhnt. „Ihr kleinen Pisser wisst gar nicht, mit wem ihr euch anlegt“, soll der 40-Jährige das Quartett beschimpft haben. Zudem habe er sie in russischer Sprache als „Hurensöhne“ beleidigt, ergänzte der gebürtige Russe Bastian D.


Als der Waldbröler dann auch noch mit einer Flasche ausgeholt habe, hätte man sich zunächst nur wehren wollen. Nachdem die Schmähungen und Provokationen nach den ersten Schlägen allerdings nicht aufgehört hätten, folgten Tritte und Prügel mit einem etwa 50cm langen Kantholz. „Wir haben ihm mehrfach gesagt, er habe genug und soll sich verziehen. Er wollte das aber unbedingt weiter klären“, erzählte Peter Z. „Ich hätte nie gedacht, dass er sterben könnte und würde alles dafür tun, die Zeit zurückdrehen zu können“, lies Bastian D. hingegen durch seinen Anwalt verlesen.


Den Verharmlosungen der vier Angeklagten wurden aber bereits durch den ersten Zeugen teils widersprochen. Während Anton B. noch angegeben hatte, das Opfer mit einem Schlag niedergestreckt zu haben, berichtete dessen Cousin von einem finalen Tritt in den Rücken, wonach das Opfer auf den Asphalt aufgeknallt sei und leblos liegen geblieben sei. Auch hätte das Quartett Klaus B. niemals, wie zuvor behauptet, im Anschluss in die stabile Seitenlage gebracht, ehe es geflüchtet sei. „Sie haben ihn einfach liegen lassen“, berichtete der 21-Jährige, der sich bei den anschließenden Fragen der Rechtsanwälte allerdings häufig durcheinander bringen ließ, aber auch betonte, dass Klaus B. die Gruppe provoziert habe.


Auch Norman N. ließ sich im Anschluss von den vielen Nachfragen verunsichern, berief sich immer wieder auf Erinnerungslücken und berichtete nur recht vage von der Prügelattacke: „Ich will das alles nur schnell vergessen. Ich hatte in letzter Zeit selbst genug Probleme.“ Dabei wusste der 24-jährige zweite Zeuge durchaus auch Interessantes zu erzählen. Denn wenige Minuten vor der Prügelei wäre auch er beinahe mit dem Quartett aneinander geraten, als dieses auf der Jagd nach den Asylsuchenden gewesen sei. Er habe mit seinem Auto stark bremsen müssen, um einem Steinwurf zu entgehen.

Dass er sich kurz darauf mit den Angeklagten auf dem Parkplatz normal unterhalten habe, er damals zudem noch einen fünften Täter gesehen haben wolle und die Tatsache, dass er seine polizeiliche Aussage ungelesen unterschrieben habe, rundeten allerdings ein fahriges Gesamtbild ab. Fortgesetzt wird der Prozess am kommenden Freitag um 9:15 Uhr.
  
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