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Wipperfürth: Bürgermeister-Bashing war 'in'

bv; 8. Feb 2017, 14:18 Uhr
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Wipperfürth: Bürgermeister-Bashing war 'in'

bv; 8. Feb 2017, 14:18 Uhr
Wipperfürth - Die beiden großen Wipperfürther Ratsfraktionen nutzten die Haushaltsreden zu einer Generalabrechnung mit dem Rathauschef.
Von Bernd Vorländer

Dass sich Wipperfürths Bürgermeister Michael von Rekowski warm anziehen müsste, war schon vor der gestrigen Ratssitzung klar. Schließlich hatten sich die beiden großen Parteien CDU und SPD in den vergangenen Wochen und Monaten immer stärker auf den Rathauschef eingeschossen. Und die Verabschiedung des Haushalts 2017 bot dann den Politikern auch die Bühne, um mittels der Etat-Reden, die immer auch so etwas wie eine Generalabrechnung sind, Dampf abzulassen. Insbesondere CDU-Fraktionschef Friedhelm Scherkenbach zog alle Register und machte von Rekowski für zahlreiche Fehlentwicklungen in der Stadt verantwortlich.


So sei die Pro-Kopf-Verschuldung in der Stadt seit von Rekowskis Amtsantritt 2009 geradezu explodiert. Während vor acht Jahren rechnerisch jeder Wipperfürther mit rund 3.000 € verschuldet gewesen sei, liege der Wert jetzt bei 5.000 €. Das Eigenkapital der Stadt liege bei nur noch 15 Millionen Euro gegenüber 45 Millionen Euro vor zehn Jahren.

Trotz eines den erfreulichen gesamtwirtschaftlichen Umständen geschuldeten Anstiegs der Gewerbesteuern stecke die Stadt in einer "gefährlichen Schieflage", so Scherkenbach (Bild). Dennoch habe der Bürgermeister nicht gegengesteuert, habe nichts getan, um bei neuen Gewerbegebieten und der dringenden Ansiedlung neuer Firmen in die Offensive zu kommen. Gleiches gelte für die Schaffung von Wohnungen im innerstädtischen Raum. "Und es stimmt mich schon sehr nachdenklich, dass Sie in einem 480-seitigen Haushaltsplan nicht an einer einzigen Stelle über Kostensenkungen sprechen", so Scherkenbach an die Adresse des Rathauschefs.

Auch vermisse die CDU ein zielorientiertes Personalmanagement. 2017 erreiche die Stadt den höchsten Personalstand in ihrer Geschichte, ohne dass der Versuch unternommen worden sei, intern personell umzustrukturieren. Was die Christdemokraten besonders fuchste, war das Regionale Gebäudemanagement, das Wipperfürth gemeinsam mit der Nachbarstadt Hückeswagen vereinbart hat. Gegründet, um die Kosten zu senken, geschehe hier nichts, es gebe kein Flächenreduzierungsprogramm und keine Optimierung - und das, obwohl dies der Bürgermeister zur Chefsache erklärt habe. "Sie haben in zwei Jahren keine Transparenz hinbekommen", blaffte Scherkenbach von Rekowski an. Gemeinsam mit der SPD entschied die CDU-Mehrheit, die Verantwortung für das Gebäudemanagement künftig beim 1. Beigeordneten der Stadt, Dirk Kremer, anzusiedeln.

Auch SPD-Fraktionschef Frank Mederlet (Bild) sah manchen Misston zwischen Rat und Verwaltung. "Ich bin der festen Überzeugung, dass sie sich in ihrem Kommunikationsverhalten mit dem Rat noch steigern können", wandte er sich an die Verwaltungsspitze. Wipperfürth müsse die familienfreundliche Stadt bleiben und entsprechende Angebote vorhalten. Den Ganztag am EvB-Gymnasium wollen die Sozialdemokraten unbedingt beibehalten. "Der gebundene Ganztag wird sich als Qualitätsmerkmal für den Standort unseres Gymnasiums erweisen", so Mederlet. Wie die Christdemokraten verlangt auch die SPD eine wesentliche Verbesserung des Außenbereiches des WLS-Bades.

UWG-Chef Harald Koppelberg monierte den stetig wachsenden Schuldenberg in der Stadt. Koppelberg sah jedoch - anders als die SPD - den Ganztags-Unterricht des EvB-Gymnasiums kritisch. Hier stünden die Kosten nicht in Relation zum Nutzen, zumal die Schülerzahlen erheblich gesunken seien. Auch Grünen-Fraktionsvorsitzender Andreas Schmitz sah vor allem CDU und SPD hinsichtlich des Ganztags in der Verantwortung, denn diese beiden großen Fraktionen hätten dieses Thema schließlich nach vorne gestellt. Auch FDP-Stadtrat Josef Schnepper sah die finanzielle Entwicklung der Stadt kritisch und forderte, Unternehmen neue Entfaltungsmöglichkeiten zu geben.


[Lothar Palubitzki (CDU) (li.) wurde zum 3. stellvertretenden Bürgermeister der Hansestadt gewählt und erhielt die Glückwünsche der gesamten Verwaltungsspitze, die Bürgermeister Michael von Rekowski aussprach.]

Mit großer Mehrheit wurde schließlich der Haushalt 2017 verabschiedet.

Rat kurz und kompakt  
  

● Lothar Palubitzki (CDU) wurde vom Rat einstimmig zum 3. stellvertretenden Bürgermeister gewählt. Er tritt damit die Nachfolge des verstorbenen Ratsmitglieds Norbert Grüterich an. In seinem Sinne wolle er die Arbeit fortführen, betonte Palubitzki. 

●   Der Hebesatz für die Grundsteuer A bleibt auf 320 Prozent. Die Verwaltung wollte den Hebesatz um 30 Punkte anheben, biss aber bei der CDU auf Granit. Die von einer Erhöhung vornehmlich betroffenen Landwirte müssten schon mit geringeren Erträgen und einem härteren Wettbewerb fertig werden, da passe eine Hebesatz-Erhöhung nicht in die Zeit, argumentierte CDU-Fraktionschef Friedhelm Scherkenbach. Die Gewerbesteuer wird jedoch wie vorgesehen auf 470 Prozent angehoben.
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