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Urteil sorgte für Fassungslosigkeit

pn; 11. Jun 2016, 17:58 Uhr
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Urteil sorgte für Fassungslosigkeit

pn; 11. Jun 2016, 17:58 Uhr
Wipperfürth/Köln – Während alle Beteiligten des Verfahrens eine Unterbringung des Verurteilten in eine psychiatrische Klinik befürworteten, sah das Gericht eine Gefängnisstrafe für ausreichend an.
Von Peter Notbohm

„Auch die Justizvollzugsanstalt bietet Möglichkeiten, an sich zu arbeiten“, gab Richter Peter Koerfers dem 23-Jährigen, der wegen Totschlags zu 11 Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden war (OA berichtete), mit auf den Weg. Worte, die bei den Angehörigen des getöteten 63-jährigen Taxifahrers für fassungslose und ohnmächtige Gesichter sorgten. Schließlich hatten sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch die Nebenklage und auch seine Verteidigerin für eine anschließende Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik plädiert. Selbst der Verurteilte, der bislang nur wegen Körperverletzungs- und Sachbeschädigungsdelikten aufgefallen war, hatte sich eine solche Einweisung, die ihn eventuell lebenslang weggesperrt hätte, gewünscht.


„Meine Mandanten sind natürlich geschockt. Wir werden wahrscheinlich gegen dieses Urteil angehen, denn das Gericht hat die Einlassungen der psychiatrischen Sachverständigen völlig falsch interpretiert“, sagte Dr. Dagmar Schorn, die Nebenklägeranwältin, die die Familie des Getöteten vertrat. Ob auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen wird, ist dagegen noch offen. Sie hatte neben der Einweisung eine 12-jährige Haftstrafe wegen Mordes in verminderter Schuldfähigkeit gefordert.


Staatsanwalt Wolfgang Heß stufte das Verhalten des Verurteilten als rücksichtslos, brutal und heimtückisch ein. „Er hat eine problematische Persönlichkeitsstruktur und ist von einer hohen Impulsivität und Instabilität im Charakter gekennzeichnet“, hatte er in seinem Plädoyer ausgeführt. Unstrittig war dabei die Tat selbst. Die hatte der Täter bekanntlich in allen Verhören und auch vor Gericht stets eingeräumt. Unter massivem Alkoholeinfluss von mindestens zwei Promille hatte der 23-Jährige im August des vergangenen Jahres eine Taxirechnung für eine Fahrt von Much nach Wipperfürth über 89,90 Euro nicht zahlen können. Nachdem man sich darauf verständigt hatte, einen letzten Versuch, Geld abzuheben zu starten und ansonsten eine Polizeidienststelle anzusteuern, hatte er überraschend eine Messer gezogen und den Taxifahrer mit über 20 Stichen getötet.


„Es war zu erwarten, dass man hier vor Gericht ein Bübchen präsentieren wird, das eine schwere Kindheit hatte, aber er hat einer Familie den Vater genommen. Was Mord ist, muss Mord bleiben und wer gefährlich ist, muss auch weggesperrt werden“, hatte die Anwältin der Nebenklage in einem sehr emotionalen Plädoyer noch intensiv für eine anschließende Unterbringung geworben. Dem konnte sich auch die Anwältin des Angeklagten nicht völlig verschließen. Zwar sah sieh keine Mordmerkmale bei der Tat und plädierte lediglich auf Totschlag, sah aber ebenfalls eine „schwere andersartige Abartigkeit“ im Charakter des Täters, der an einer schweren psychischen Störung leide. „Als Rechtsanwältin tue ich mich schwer gegen meinen Mandanten eine Unterbringung zu fordern, aber er will es selbst, da er das Gefühl hat, dass er dort hingehört und man ihm dort hilft“, schloss sie ihre Ausführungen.


Diesen drei Anträgen wollte die Kammer um den Vorsitzenden Peter Koerfers letztlich aber nicht folgen. Beim Täter läge keine bipolare Störung vor, lediglich eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Drogen- und Alkoholmissbrauch. Das Gericht habe auch nicht aus Mitleid nur auf Totschlag entschieden, sondern sich an das Gesetz zu halten, wie der Richter betonte. Selbiges gelte auch für die nicht angeordnete Einweisung in eine psychiatrische Klinik. „Es handelt sich um keine überdauernde Erkrankung und die Gefährlichkeitsprognose spricht ebenfalls dagegen. Sein bisheriger Werdegang und die Vorstrafen sprechen nicht für eine hohe Wahrscheinlichkeit weiterer ähnlicher Taten“, begründete er in dem über einstündigen Urteil, das vermutlich demnächst von einer höheren Instanz geprüft werden wird.
  
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