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'Alle Liebe und Traurigkeit hineingesteckt'

Red; 24. Apr 2015, 10:51 Uhr
Bilder: privat --- Schulleiterin Maria Neunkirchen (re.) und Johanniter-Mitarbeiterin Sabine Achenbach (li.) mit den kleinen Künstlern.
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'Alle Liebe und Traurigkeit hineingesteckt'

Red; 24. Apr 2015, 10:51 Uhr
Waldbröl – Die Taschen der von Schülern gestalteten Paradieshemden wurden von verschiedenen Menschen für die letzte Reise befüllt – Gestern startete die Wanderausstellung in Waldbröl.
„Das ist ja ein Bürgermeister!“ Der elfjährige Rasmus stellte begeistert fest, wer die Taschen des von ihm gestalteten Paradieshemds gefüllt hat: In das Kunstwerk des Waldbröler Gesamtschülers hatte Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies die Gegenstände hineingesteckt, die er selbst mit auf seine letzte Reise in die Ewigkeit nehmen würde. Bei der Eröffnung der Wanderausstellung „Und wenn das letzte Hemd doch Taschen hätte“, am gestrigen Donnerstag im Foyer der Gesamtschule Waldbröl, erklärte Gennies den Tascheninhalt: „Darin sind Fotos von meiner Hochzeit und meinem Sohn, da mir meine Familie das Wichtigste ist, außerdem Angelhaken und Blumen, die meine Hobbys symbolisieren.“


[Das von Rasmus (11) gestaltete Paradieshemd wurde von Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies befüllt.]

Wie Rasmus hatten alle Schüler der Kreativklasse 6 der Gesamtschule Waldbröl sieben Wochen lang insgesamt 30 Baumwollhemden kreativ bemalt, beklebt und beschrieben. Nach ihrer Fertigstellung wurden die Hemden verteilt, ihre aufgenähten Taschen von Mitbürgern mit Gegenständen für die letzte Reise gefüllt. Nun sind die Paradieshemden in Form einer Wanderausstellung unterwegs. Die Kunstaktion wird vom Ambulanten Johanniter-Hospizdienst für Morsbach, Reichshof und Waldbröl anlässlich seines zehnjährigen Bestehens begleitet.


In den ausgestellten Hemden stecken Proviant, Lektüre und viele Dinge, die den Befüllern persönlich wichtig sind. Erklärt wird der Inhalt jeweils mit einem Beiblatt. „Ich will den Wechsel von Wärme und Kälte mit ins Paradies nehmen“, schrieb eine Bauingenieurin, die Fotos der Jahreszeiten beigefügt hatte. Die Kette ihrer besten Freundin war einer Altenpflegerin wichtig und ein Lehrer steckte einen Reiseführer sowie ein Buch des deutschen Schriftstellers Walter Kempowski ein: „Weiß ich, wie lange die Reise dauert und wohin sie führt?", schrieb er dazu. In anderen Hemdentaschen finden sich eine Bibel, eine Flasche Kölsch, die Figur einer Fee oder das Bild eines Smartphones.


[Ein Foto, eine Flasche Wasser, Bücher und Federn stecken in den Taschen dieses Hemds.]

„Das Projekt ist bemerkenswert, da es sich mit der tagtäglichen Konfrontation von Leben und Tod auseinandersetzt und diese auch jungen Menschen angemessen nahebringt“, fand Bürgermeister Gennies, in dessen Kommune der Johanniter-Hospizdienst für die ambulante Begleitung von Sterbenden und ihren Angehörigen zuständig ist. „Vielen von uns ist doch schon mal etwas Trauriges passiert, aber normalerweise haben wir darüber nie geredet", sagte die Sechstklässlerin Mia bei der Ausstellungseröffnung. Zu Beginn des Kunstprojekts sprachen die Schüler mit Sabine Achenbach und Elke Kremer vom Johanniter-Hospizdienst ausführlich über den Tod. „Wir haben auch geweint“, berichtete eine Schülerin. „Wir haben schließlich all unsere Liebe und Traurigkeit in die Gestaltung der Hemden gesteckt“, erklärte der Schüler Michael den Gästen bei der Ausstellungseröffnung. „Die bei manchen Schülern vorhandene Trauer konnte sich bei dem Kunstprojekt ihre Bahn brechen und in einer positiven Auseinandersetzung mit ganz persönlichen Jenseitsvorstellungen münden“, ergänzte Maria Neunkirchen, Leiterin der Gesamtschule Waldbröl.

Derzeitige Ausstellungstermine (weitere folgen)

Bis zum 1. Mai sind die Hemden in den Pausen und während der Unterrichtszeit in der Gesamtschule Waldbröl, Höhenweg 49, zu sehen

4. bis 15. Mai: Rathaus der Stadt Waldbröl, Nümbrechter Straße 18

18. Mai bis 1. Juni: Rathaus der Gemeinde Reichshof, Hauptstraße 12, Denklingen

2. bis 14. Juni: Johanniterhaus Wiehl, Homburger Straße 7 in Wiehl
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