Archiv

Von tiefer Dankbarkeit bis zu harscher Kritik

us; 3. Oct 2018, 20:25 Uhr
Bilder: Ute Sommer --- Zusammen mit Peter Koester (sitzend) trugen sich (v.li.) Jürgen Knabe, Klaus-Peter Jansen, Jochen Gran, Dieter Hammeran (Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins), Roland Esch, Clare Lager und Arne Raue ins Goldene Buch der Stadt Waldbröl ein.
ARCHIV

Von tiefer Dankbarkeit bis zu harscher Kritik

us; 3. Oct 2018, 20:25 Uhr
Waldbröl - Im Rahmen einer sehr gut besuchten Festveranstaltung in der evangelischen Kirche würdigte die Stadt Waldbröl, zusammen mit Delegationen aus den Partnerstädten und Vertretern der Kirchen, den 28. Jahrestag der Deutschen Einheit.
Von Ute Sommer

Unter den Motto "Was uns verbindet" begrüßte Waldbröls Bürgermeister Peter Koester neben der zahlreich vertretenen Bürgerschaft, den Ehrengästen aus den Partnerstädten Jüterbog, Aßlar und dem britischen Witham, den Superintendenten des Kirchenkreises an der Agger, Jürgen Knabe und den Leiter des Seelsorgebereichs An Bröl und Wiehl, Klaus-Peter Jansen. Zusammen mit allen Festrednern stimmte er darin überein, dass rund 30 Jahre nach dem Mauerfall nicht alles perfekt, aber vieles doch gelungen sei. "Doch steht diese Zufriedenheit mit der Einheit auf tönernen Füßen." Da die  Regierung in Berlin im Wesentlichen um sich selbst kreise und die Sorgen der Bevölkerung nicht wahrnehme, verlaufe eine unsichtbare Wand zwischen Regierenden und Regierten, die zu berechtigter Verdrossenheit und Unzufriedenheit der Menschen auf der Straße führe.

Diese Spaltung gelte es zu überwinden, denn ein vereintes Deutschland sei gleichermaßen Grundlage für ein starkes Europa. Pfarrer Klaus- Peter Jansen lobte die vertrauensvolle Ökumene in der Stadt, die in vielen gemeinsamen Projekten gelebte Praxis werde. Aus Friedensgebeten heraus hätten sich die berühmten Leipziger Montagsdemos entwickelt, was zeige, dass Gebete grundlegend für die Wiedervereinigung gewesen seien. "Suchen wir nicht das Trennende, sondern das was uns in Glauben und Leben verbindet", forderte er alle Christen auf, gemeinsam ein glaubhaftes Zeugnis in der Gesellschaft abzulegen.


In seinem Grußwort übte Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue, trotz Dankbarkeit über den florierenden Mittelstand hüben und drüben sowie annähernder Vollbeschäftigung und sprudelnder Steuereinnahmen, harsche Kritik an der Deutschen Regierung, die hinter dem Dieselskandal als Ablenkungsmanöver, vor den realen gesellschaftlichen Problemen wie dem Bildungsnotstand, dem unkontrollierten Massenzuzug und dem derzeit wankenden Parteiensystem in Deckung gehe. "Eigentlich bin ich Optimist, aber der Tag der Deutschen Einheit 2018 ist die Zeit zum Nachdenken".

Als stellvertretende Bürgermeisterin von Witham erinnerte sich Clare Lager an den "wundervollen Moment", als sie vor 28 Jahren, in ihrer Küche Tee kochend, aus dem Radio vom Fall der Mauer hörte. "Andere aktuelle Nachrichten sind schlechter", berichtete sie von den schwierigen Zeiten in ihrem Heimatland, in dem viele Mitbürger große Sorgen vor den Folgen des Brexit hegen. "Ich hoffe sehr, dass wir die EU nicht verlassen". Aßlars erster Bürger Roland Esch unterstrich "Einigkeit und Recht und Freiheit" als Pfeiler für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland. Die Gäste aus dem polnischen Swiebodzice hatten sich aus terminlichen Gründen entschuldigt.



[König Friedrich Wilhelm III. schaut auf die Hochstraße: Karl-Otto Schild (links) und Bürgermeister Koester (rechts) bei Enthüllung der Büste.]

Für musikalische Highlights zwischen den Redebeiträgen sorgten der Waldbröler Sister Act-Chor, unter Leitung von romy Bürger und Poco-Brass aus Thierseifen, mit Dirigent Tim Marenbach. Ein besonderes Hörerlebnis für das Publikum bereiteten die syrischen Musiker Masoud Sulaiman und Hesham Ahmad Mohammad, die mit Saiteninstrument und Trommel ihre Dankbarkeit gegenüber Deutschland zum Ausdruck brachten. Welchen Beitrag die Kirchen zum Tag der Deutschen Einheit zu liefern hätten? Genau wie sein katholischer Kollege, Pfarrer Jansen unterstrich der evangelische Pfarrer Jochen Gran, dass es gerade junge Leute von der Kirchenbasis waren, die die Wende damals bewirkt hätten, weil  sie die Botschaft Jesu Christi als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens aller Menschen zum Vorbild nahmen. Diese friedvolle Botschaft werde in Kirchenkreisen bewahrt und gelebt und sei damit das Salz in der Suppe Europas und der Welt.

Mit einem launigen Redebeitrag informierte Lukas Krumm, Primaner des Hollenberg-Gymnasiums, über die Geschichte der Ökumene in Waldbröl und den Beitrag König Friedrich Wilhelm III zur Stadtentwicklung. Nach Schließung ihrer baufälligen Kirche im Jahr 1837 feierten die Protestanden bis 1843 ihre Gottesdienste in der Kirche der katholischen Geschwister, bevor durch großzügige Zuwendungen König Friedrich Wilhelms III. die Renovierung des eigenen Gotteshauses abgeschlossen wurde.

Da dieser als Verantwortlicher seinerzeit eine Kirchenverfassung als Unterbau für die evangelische Kirche im Rheinland gefordert habe, sei der König quasi der "Geburtshelfer" der Kirchenkreises an der Agger, erläuterte Superintendent Jürgen Knabe. Zur Würdigung der Bedeutung des Tages trugen sich alle Redner mit ihrer Unterschrift im Goldenen Buch der Stadt Waldbröl ein. Im Nachgang zum Festakt enthüllten Bürgermeister Peter Koester und Kirchbaumeister Karl-Otto Schild auf dem Kirchplatz die frisch instandgesetzte Büste König Friedrich Wilhelms III. 
WERBUNG