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Drastische Steuererhöhung (vorerst) vom Tisch

nh; 7. Jun 2018, 12:30 Uhr
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Drastische Steuererhöhung (vorerst) vom Tisch

nh; 7. Jun 2018, 12:30 Uhr
Waldbröl - Gegen den Verwaltungsvorschlag und die Stimmen der CDU haben die übrigen Rats-Fraktionen den Haushalt 2018 durchgeboxt, der die Bürger bis 2021 um 4,5 Millionen Euro weniger belastet - Kreis muss zustimmen (AKTUALISIERT).
Von Nils Hühn

Sieben Monate nach der Haushaltseinbringung hat der Rat Waldbröl in der gestrigen Sitzung das Zahlenwerk mit stark veränderten Hebesätzen gegen den ausdrücklichen Willen der Verwaltung und der CDU-Fraktion beschlossen. SPD, UWG, Grüne und FDP hatten einen gemeinsamen Antrag gestellt, in dem sie ihre in der Haushaltskommission erarbeiteten Hebesätze beantragten. Im Gegensatz zum Verwaltungsentwurf, in dem besonders die für alle Bürger wichtige Grundsteuer B dieses und kommendes Jahr rapide angestiegen wäre, sieht der Vorschlag der Ratsfraktionen vor, die Grundsteuer B „moderat“ um 60 Prozentpunkte auf 680 Prozent zu erhöhen und bis 2021 „einzufrieren“. Auch die Gewerbesteuer soll auf dem ohnehin schon hohen Stand von 570 Prozent bis 2022 festgeschrieben werden.

„Wir wollen das zarte Pflänzchen ‚strukturelle Entwicklung‘ gießen und nicht jetzt, nachdem es erkennbar Wurzeln geschlagen hat, vertrocknen lassen“, begründete SPD-Fraktionschef Bernd Kronenberg in der gemeinsamen Haushaltsrede. Durch die Maßnahmen erhoffen sich die vier Fraktionen, dass die Bautätigkeiten gestützt und sich auch Unternehmen in der Stadt ansiedeln. CDU-Chef Andre Steiniger warb hingegen dafür, dem Verwaltungsentwurf mit den unvermeidbaren Steuererhöhungen zuzustimmen. Wer dem vorgelegten Etat nicht zustimme, mache sich „unweigerlich zum Totengräber der Entwicklung dieser Stadt“ warnte Steiniger.


Die Folgen, die entstehen könnten, wenn der Haushalt durch die Kommunalaufsicht nicht genehmigt werden würde, hatte Bürgermeister Peter Koester bereits in der Ratssitzung vor drei Wochen aufgeworfen (OA berichtete) und wiederholte sie auch gestern. Der Rückfall in den Nothaushalt könnte ein Scheitern des Integrierten Entwicklungs- und Handlungskonzepts bedeuten, wodurch beispielsweise die Sanierung des Hallenbades und der Abriss des Merkurgebäudes gefährdet seien. Auch Kämmerin Anja Brauer unterstrich, dass die Berechnungen der Ratsmitglieder teilweise aus dem Kontext gerissen wurden und sich die Haushaltslage eben nicht strukturell, sondern konjunkturell, beispielsweise durch einmalige Rückzahlungen (Oberbergischer Kreis und Landschaftsverband), verbessert habe.

Nach den intensiven Diskussionen kam es zur Abstimmung, die auf Antrag der CDU namentlich erfolgte. Mit den 19 Stimmen von SPD, UWG, Grünen und FDP wurde der Haushalt mit den geänderten Hebesätzen gegen 15 Nein-Stimmen (CDU und Bürgermeister-Stimme) beschlossen. In Stein gemeißelt ist der Beschluss aber noch keineswegs. Denn eine Auflage der Kommunalaufsicht wird bislang nicht erfüllt. Daher soll die Verwaltung mit den Fraktionsvorsitzenden erneut mit der Kreisverwaltung in Kontakt treten und eine Ausnahmeregelung durchboxen.


[Kämmerin Anja Brauer stellte die beiden Hebesatz-Entwürfe gegenüber. Während in den Jahren 2019, 2020 und 2021 eine große Differenz von über 200 Prozentpunkten bei der Grundsteuer B besteht, sind die Entwürfe im Jahr 2022 nahezu auf demselben Stand.]

„Diese Ausnahme ist möglich, da wir mit aktuellen Zahlen gerechnet haben, die ein völlig neues Bild ergeben“, so Kronenberg. Sollte der Kreis den gestern beschlossenen Etat durchwinken, können sich die Waldbröler über einen Aufschub der extremen Steuererhöhungen freuen. 4,5 Millionen Euro beträgt die Differenz bis 2021, die aus dem Eigenkapital der Stadt gedeckt werden soll.

Stimmt die Kommunalaufsicht allerdings nicht zu, dann wird in der Ratssitzung am 20. Juni erneut der Haushalt 2018 Thema im Rat sein. Die vier Fraktionen sind so von ihrem Zahlenwerk überzeugt, dass sie es notfalls auch auf einen Rechtsstreit ankommen lassen würden. „Denken Sie dran, dass Sie die Interessen des Rates vertreten müssen“, schrieb UWG-Vorsitzender Roger Helzer dem Rathauschef ins Stammbuch. „Das ist bereits mein Albtraum“, entgegnete Peter Koester und machte keinen Hehl daraus, dass es für ihn nicht leicht werde, den Beschluss mit voller Überzeugung zu verteidigen.

Wie auch immer die Entscheidung in den kommenden Wochen ausfällt, können sich die Waldbröler Bürger auf eine drastische Steuererhöhung spätestens im Jahr 2022 einstellen. Denn in vier Jahren sind die Hebesätze bei beiden Vorschlägen nahezu identisch. Eine Grundsteuerbelastung von 950 Prozent ist dann notwendig, um den Haushaltsausgleich zu schaffen.

Hebesätze 2018 (in Klammern 2017)
Grundsteuer A: 320 Prozent (320)
Grundsteuer B: 680 Prozent (620)
Gewerbesteuer: 570 Prozent (570)

Rat kurz und kompakt
- Mit einer Schweigeminute wurde dem kürzlich verstorbenen ehemaligen Ratsmitglied Annette Tillmann gedacht.

- Einstimmig wurde der CDU-Antrag beschlossen, der die Verwaltung beauftragt, die Verhandlungen mit dem Straßenverkehrsamt fortzuführen, damit auf der B 478 zwischen Rossenbach und Ziegenhardt in beiden Richtungen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 Stundenkilometern gilt. Am liebsten wäre den Stadtverordneten ein Tempolimit ab dem Ortsausgang Waldbröls.

- Gegen die Stimmen der SPD wurde der CDU-Antrag beschlossen, auf Maßnahmen zu verzichten, die Eigenanteile der Stadt nach sich ziehen. In den kommenden drei Jahren verzichtet die Stadt Waldbröl an der Teilnahme von Förderprogrammen, wenn dadurch eine zusätzliche Belastung für den Haushalt entstehe.

- Gegen die Stimmen der UWG wurde der CDU-Antrag beschlossen, verschiedenen Haushaltsansätzen mit einem Gesamtbudget von 255.000 € mit einem Sperrvermerk zu Gunsten verschiedener Ausschüsse zu versehen.
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