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Lange Haftstrafe trotz Geständnis

fj; 16. Aug 2018, 13:15 Uhr
Bild: privat
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Lange Haftstrafe trotz Geständnis

fj; 16. Aug 2018, 13:15 Uhr
Gummersbach – Im April raubte ein 29-Jähriger einer Bergneustädterin die Handtasche samt Schlüssel und fuhr mit ihrem Corsa davon – Nach einer wilden Verfolgungsjagd mit der Polizei beging er Fahrerflucht – 26 Monate Haft.
Noch heute, knapp vier Monate nach der Tat, bekommt sie Panik, wenn jemand auf der Straße hinter ihr geht, berichtete die 69-jährige Zeugin, die heute am Amtsgericht Gummersbach aussagte, unter Tränen. Daran, dass sie das Erlebte nur schwer verarbeiten kann, änderte auch die Entschuldigung des 29-jährigen Angeklagten nichts, die dieser zunächst über seinen Verteidiger, dann persönlich – die Augen gen Boden gerichtet – an die Bergneustädterin richtete. Dem in Ruppichteroth lebenden Angeklagten warf die Staatsanwaltschaft vor, der Frau am 24. April die Handtasche geraubt zu haben. Mit Gewalt habe er der älteren Dame, die zu Fuß auf der Kölner Straße unterwegs war, nachdem sie ihren Opel Corsa in der Stadionstraße abgestellt hatte, die Handtasche entrissen. Zielgerichtet sei er dann zu deren Wagen gelaufen, habe ihn mit dem in der Tasche gefundenen Schlüssel aufgeschlossen und sei davon gefahren.

Zunächst verliefen die Fahndungsmaßnahmen der Polizei ohne Erfolg. Am 26. April jedoch erkannten zwei Polizisten auf ihrem Streifendienst in Waldbröl den als gestohlen gemeldeten Wagen. Am Steuer saß der Angeklagte, der umgehend Gas gab. Mit hoher Geschwindigkeit floh er, teils über Feldwege fahrend, vor den Ordnungshütern, bis er im Kreisverkehr an der Nutscheidstraße von der Straße abkam und gegen einen Baumstumpf prallte. Der aus Litauen stammende Angeklagte flüchtete zu Fuß in ein Waldstück, konnte aber wenig später in der Wohnung seiner Lebensgefährtin festgenommen werden (OA berichtete). Das Resultat: Anklagen wegen Raub, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Fahrerflucht. Auch der Diebstahl eines Parfüms aus den Auslagen des Gummersbacher Karstadt‘s wurde dem Mann zur Last gelegt.

Der ließ über seine Dolmetscherin verlauten, dass er alle Taten gesteht – was von der Staatsanwaltschaft „erfreut“ zur Kenntnis genommen wurde, hatte der Angeklagte doch während des Ermittlungsverfahrens noch abenteuerliche Geschichten darüber erzählt, den Wagen mit steckenden Schlüssel „gefunden“ zu haben. Rechtsanwalt Stephan Kuhl, Verteidiger des Angeklagten, erklärte, dass sein Mandant sechs Monate vor der Tat in eine Drogensucht abrutschte. Gleichzeitig habe er seinen Job als Bauhelfer aufgrund von schlechten Auftragslagen im Baugewerbe verloren. „Das alles führte dazu, dass er zur Tatzeit wahllos durch den ganzen Oberbergischen Kreis stromerte, immer auf der Suche nach Geld und Drogen.“

Ebenfalls unter dem Einfluss von Amphetaminen und Marihuana habe er sich dann spontan zum Raub entschlossen. Ganz anders sah das der Staatsanwalt sowie der Anwalt der ausgeraubten Bergneustädterin, die als Nebenklägerin auftrat: Der 29-Jährige habe genau beobachtet, wie die Frau ihren Corsa abstellte. Nach dem Raub rannte er zielstrebig zum Auto und habe dabei flink den Schlüssel aus der Tasche gesucht und aufgeschlossen – keine Tat eines von Drogen benebelten Menschen. Erschwerend hinzu kamen die Vorstrafen des Angeklagten: Bereits 2017 war ihm der Führerschein entzogen worden, weil er unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln am Steuer erwischt wurde, später wurde er noch einmal wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt. „Diese einschlägigen Vorstrafen zeigen doch, dass er keineswegs erst ein paar Monate vor der Tat durch einen Schicksalsschlag in den Drogenkonsum abrutschte. Viel mehr beweisen sie, dass er auch heute wieder gelogen hat“, so der Anwalt der Nebenklägerin.

Das sahen Richter Ulrich Neef und seine beiden Schöffen ähnlich. Sie verurteilten den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten und entschieden sich somit für ein Strafmaß, das eine Bewährungsstrafe ausschließt. So verließ der Angeklagte, der vor der Verhandlung bereits vier Monate in Untersuchungshaft saß, den Gerichtssaal so, wie er gekommen war: in Handschellen.

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