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Auf Schicht mit...Polizist Björn Kindel

ls; 26. Jun 2018, 15:45 Uhr
Bilder: Leif Schmittgen --- Björn Kindel (li.) und sein Kollege Michael Tietze.
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Auf Schicht mit...Polizist Björn Kindel

ls; 26. Jun 2018, 15:45 Uhr
Oberberg - Oberberg-Aktuell schaut hinter die Kulissen des Polizeialltags und erhält tiefere Einblicke - Beschimpfungen sind an der Tagesordnung.
Von Leif Schmittgen

Der Schichtdienst für den Dienstgruppenleiter (DGL) bei der Gummersbacher Polizei, Björn Kindel, beginnt immer mit dem gleichen Ritual: Zu Beginn eines jeden Dienstes findet nämlich die sogenannte Übergabe statt. Bei jener „Übergabe“, erhält Kindel einen Einblick in die Vorgänge, die sich in den vergangenen Stunden ereignet haben. Der Polizeihauptkommissar bereitet dann eine Dienstbesprechung vor, um im Anschluss alle Mitarbeiter über besondere Vorkommnisse oder sonstige Informationen, die für den bevorstehenden Dienst wichtig sind, zu informieren. Routine, und doch notwendig.


[Die Polizisten überprüfen mit einer Checkliste, ob alle für den Dienst benötigten Utensilien an Bord sind.]

Heute ist es vergleichsweise ruhig, es bleibt Zeit, um Mails im polizeiinternen System zu überprüfen. Auch das gehört zu seinen regelmäßigen Aufgaben. Gibt es demnächst Großveranstaltungen, die geplant werden müssen oder dienstinterne Neuigkeiten? Organisation ist alles – auch bei der Polizei.  Nicht nur das Aufnehmen von Unfällen, Geschwindigkeitskontrollen oder die Verfolgung von Einbrechern gehört zum Berufsalltag des Hauptkommissars, sondern eben auch der „Bürokram“. Als Nächstes steht die routinemäßige Überprüfung des Streifenwagens an: Sind alle Utensilien an Bord? Dazu gehören unter anderem Alkohol- und Drogentestgeräte oder auch schusssichere Westen. Kindel und sein heutiger Kollege, Michael Tietze, überprüfen anhand einer Checkliste das Inventar des Einsatzfahrzeugs.


Nachdem Kindel seine Kollegen für die bevorstehende Schicht eingeteilt hat, setzen sich auch die beiden Polizisten ins Auto und beginnen ihren Streifendienst. Es geht zunächst in Richtung Engelskirchen, wo man der Leitstelle einen verdächtigen Autofahrer gemeldet hat, der an einer Bushaltestelle steht und vermutlich Passanten um Geld für Benzin bittet. „Das ist eine gängige Masche, bei denen hilfsbereite Personen oftmals um ihr Geld geprellt werden“, weiß der Polizist aus seiner 20-jährigen Berufserfahrung. Oft gäben die vermeintlichen Täter nämlich nur vor, Benzin zu brauchen. Das geliehene Geld sähen die Geschädigten dann nie wieder.
 
[Der Fall in Reichshof-Allenbach war harmloser, als zunächst befürchtet. Der Mann auf dem Dach wollte einfach nur Fußball schauen.]

Über die Digitalfunkanlage des Polizeiautos wird vom Kollegen der Leitstelle ein weiterer Einsatz in Reichshof gemeldet: „Eine Person steht auf einem Dach und reagiert nicht auf Ansprache“, so die Meldung. Eine andere Streifenwagenbesatzung übernimmt den Fall in Engelskirchen, Kindel und Tietze drehen ab und machen sich auf den Weg nach Reichshof-Allenbach. Dort angekommen, erwartet die Beamten ein Mann, der ihnen aufgeregt berichtet, dass jemand auf seinem Garagendach sein Unwesen treibe. Bei der Befragung des „Übeltäters“ stellen die Polizisten fest, dass der Mann auf dem Garagendach versucht hatte, eine Satellitenschüssel zu installieren. „Er wollte nur Fußball gucken“, schmunzelt Kindel nach Klärung der Sachlage und liefert auch gleich eine Antwort auf die Frage, warum er nicht auf die Ansage der Nachbarn reagiert hatte. „Der Mann spricht einfach kein Deutsch“, sagt er. Auf Englisch klären sie den Fußballfan über die Sachlage auf.

Traurig findet Kindel, dass Menschen selbst auf dem Dorf oft ihre Nachbarn nicht mehr kennen. „Das kommt leider immer häufiger vor“, sagt der Polizist. Derweil ist auch die Streifenwagenbesatzung eingetroffen, die ursprünglich zum Einsatz gerufen wurde. Da Kindel und Tietze schneller vor Ort waren, hatten sie sich der Sache angenommen, übergeben aber jetzt an die Kollegen. Die Anwesenheit des Dienstgruppenleiters ist nicht mehr notwendig, da jede Einheit für den Einsatz letztlich selbst verantwortlich ist und auch schwierige Aufgaben eigenständig löst. Lediglich bei größeren Lagen müsse der „Chef“ mehrere Einsatzgruppen delegieren und muss bei schwierigen rechtlichen Fragen eine Entscheidung treffen.


[Auf dem Weg zun nächsten Einsatz, erzählt Kindel aus seinem oft schwierigen Berufsleben.]

Dann plötzlich der nächste Einsatz: Kollegen bringen einen alkoholisierten und mit Drogen vollgepumpten Autofahrer ins Gummersbacher Krankenhaus, wo ihm durch einen Arzt eine Blutprobe entnommen werden soll. „Das ist leider keine Seltenheit“, weiß Kindel. Früher habe es deutlich weniger Rauschgiftdelikte gegeben. Besonders die synthetischen Stoffe treiben dem erfahrenen Beamten die Sorgenfalten auf die Stirn: „Die steigern leider das Aggressionspotenzial der Menschen“, meint der erfahrene Polizeibeamte, der 1998 seine Ausbildung begann und seit 17 Jahren im Wach- und Wechseldienst tätig ist. Ihm fällt auch auf, dass der Respekt gegenüber Autoritäten, auch besonders bei jungen Menschen stark zurückgegangen sei.

„Oft muss man sich als Bulle beschimpfen lassen“, sagt der Familienvater. Persönlich nimmt er die Anfeindungen aber nicht. „Wenn man das mit nach Hause nähme, hätte ich ein ernsthaftes Problem.“ Man kämpfe stetig darum, Einsatzkräften von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst mit Anstand und Respekt gegenüber aufzutreten. Anders sei die Gefühlslage für den Hauptkommissar aber beim Überbringen von Todesnachrichten, zum Beispiel nach einem Unfall. Diese teilt pflichtgemäß der Dienstgruppenleiter, meist im Beisein von Seelsorgern, den Hinterbliebenen mit. Die Emotionen der Angehörigen ließen ihn dabei nicht kalt, das gehöre aber zu den traurigen Seiten seines Berufes.
  [Während der Prüfung seines Schützlings schaut der Polizist ganz genau hin.]

Ein junger Mensch, der nicht in das Raster jener respektlosen Zielgruppe passt, ist Nachwuchskraft Mario. Er absolviert zurzeit ein Praktikum als Teil seiner Ausbildung in Gummersbach. Björn Kindel wird ihn heute prüfen. Aus dem Routinefall der Blutprobe im Krankenhaus hat sich jetzt ein weiterer Einsatz ergeben. Dem behandelnden Arzt war nämlich einige Stunden zuvor sein Handy gestohlen worden. Ein idealer Fall für Kindel, um die Fähigkeiten seines Schützlings zu testen: Deshalb entschließen sich die Polizisten, im Krankenhaus aufzuschlagen, um den Nachwuchsbeamten dort zu prüfen.

Mario zückt seinen Block und nimmt die Anzeige des Mediziners zu Protokoll. Unter den wachsamen Blicken seines Vorgesetzten Kindel, der mit Argusaugen das Handeln des Polizeischülers beobachtet, fragt Mario vorgegebene Standards ab. Anhand eines Prüfungsbogens wird Kindel die Leistung seines Azubis dann später bewerten. Zurück auf der Wache, ist es Zeit zur Aussprache: Die vorgegebenen Fakten hat der Praktikant hervorragend gemeistert, auch die Freundlichkeit im Umgang mit dem Klienten habe gestimmt. Dass es unterm Strich für den Nachwuchspolizisten zu einem „sehr gut“ gereicht hat, freut nicht nur den Prüfling selbst, sondern auch seinen Tutor Markus Kollmann, der ihn zuvor sechs Wochen lang begleitet hatte.
  [Bestanden: Kindel freut sich mit Mario und seinem Tutor Markus Kollmann.]

Als i-Tüpfelchen bekommt Mario die Erlaubnis seines Chefs, künftig als „zweiter Mann“ mitzufahren. Das bedeutet, dass er künftig auch ohne Aufsicht aktiv ins Einsatzgeschehen eingreifen darf. Die Praktikanten fahren bis zu einem gewissen Ausbildungsstand nur als zusätzlicher Beamter mit und stocken die eigentliche Streifenwagenbesatzung auf.

Da während der Schicht die Einsatzlage nach wie vor überschaubar ist, entscheiden sich Tietze und Kindel, auf Fußstreife zu gehen. Auf dem Gummersbacher Steinmüllergelände und dem angrenzenden Busbahnhof beginnen die Beamten ihren Rundgang. Nachdem man entlang des Einkaufszentrums „Forum“ kurz nach dem Rechten geschaut hat, erreichen die Polizisten schließlich den Busbahnhof und treffen auf zwei Ordnungsamtsmitarbeiter. Schnell kommen die Beteiligten miteinander ins Gespräch. Ihnen fällt auf, dass die Bänke an den Bussteigen kürzlich beschmiert wurden. „Schade, dass man so wenig Achtung vor dem Allgemeingut hat“, findet Kindel.
 
[Man tauscht sich aus: Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes und der OVAG finden wie die Polizisten, dass es am Gummersbacher Busbahnhof deutlich ruhiger geworden ist.]  

Der vor zwei Jahren eröffnete Busbahnhof habe schon ganz schön gelitten. Allerdings – so sind sich die Gesprächspartner einig - ist es im Vergleich zum vergangenen Jahr doch sehr ruhig geworden auf dem weitläufigen Areal rund um den Bahnhof. Komplettiert wird die Gesprächsrunde durch drei Mitarbeiter der OVAG, die für täglich drei Stunden dort Stellung beziehen, um ebenfalls für Ruhe zu sorgen. Auch die von Kommune und Kreis eingeführte Ordnungspartnerschaft habe Früchte getragen.
 
[Zum Ende der Schicht, werden die von den Kollegen geschriebenen Anzeigen überprüft und an die entsprechenden Fachabteilungen weitergeleitet.]

„Es ist alles ruhig. Das schafft Ihr auch alleine“, sagt Tietze zu den Mitarbeitern lachend und steuert nun mit Kindel die nahe gelegene Polizeiwache an. Der Dienst neigt sich nämlich dem Ende zu. Nach der abschließenden Besprechung der Tagesereignisse mit den Kollegen und der sogenannten Vorgangskontrolle, also der Überprüfung der während der Schicht geschriebenen Anzeigen, gibt Kindel an die Kollegen der Nachtschicht ab und macht sich auf den Weg in den wohlverdienten Feierabend.
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