Archiv

'Wir dürfen die Oberstufe nicht aus den Augen verlieren'

fn; 22. May 2014, 08:16 Uhr
Bild: Fabian Nitschmann.
ARCHIV

'Wir dürfen die Oberstufe nicht aus den Augen verlieren'

fn; 22. May 2014, 08:16 Uhr
Morsbach - Auch der amtierende Bürgermeister Jörg Bukowski kam dieser Tage zum OA-Interview und sprach sich unter anderem für eine Oberstufe in Morsbach aus - Außerdem machte er Hoffnungen auf einen neuen Drogeriemarkt im Ort.
OA: Herr Bukowski, Sie stecken gerade mitten in ihrem zweiten Wahlkampf, dieses Mal nicht als Kandidat, sondern als Amtsinhaber. Lässt es sich als Bürgermeister einfacher wahlkämpfen?

Bukowski: Von der Sache her ist es eigentlich sogar schwerer, weil man gewissen Einschränkungen unterliegt und aufpassen muss, in welcher Funktion man unterwegs ist. Wenn ich als Bürgermeister auf einem Termin bin, darf ich keinen Wahlkampf machen, das wäre Amtsmissbrauch. Man muss also sehr sauber zwischen Bürgermeister und Privatperson unterscheiden.

OA: Hinzu kommt, dass Sie an den Leistungen der vergangenen Jahre gemessen werden. Dabei fällt auf, dass seit Jahren die gleichen Punkte diskutiert werden. Macht es Sie nicht stutzig, dass Sie diese Themen angegriffen, aber nicht von der Agenda genommen haben?

Bukowski: Natürlich ist die Wahl auf meine Person bezogen eine andere und die Wähler fragen sich, ob sie mit den vergangenen viereinhalb Jahren zufrieden waren oder nicht. Ich denke aber, dass wir grundsätzlich die Themen aus dem Wahlkampf 2009 abgearbeitet haben.  Das Thema Schule ist eigentlich erledigt, aber trotzdem ist es noch irgendwie da, vor allem mit Blick auf die auslaufenden Schulen. Hier wird versucht, das ein oder andere Störfeuer loszutreten, was eigentlich nicht da ist.

OA: Dass weiter über die Schulen debattiert wird, ist in ihren Augen also Taktik der politischen Konkurrenz?

Bukowski: Ja, die Entscheidungen sind eigentlich getroffen. Es gibt lediglich noch die Diskussion zur Oberstufe, die wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen, weil das ganz klar ein schwerwiegender Standortnachteil ist. Dass bei der Grundschule derzeit geklagt wird, liegt daran, wie der Beschluss zum jahrgangsübergreifenden Unterricht zu Stande gekommen ist. Das war eine schulinterne Entscheidung und ich habe von meiner Seite aus einiges versucht, dass diese nicht so schnell kommt.



OA: Konkret zur Oberstufe: Wie kann diese für Morsbach Realität werden?

Bukowski: Da gibt es zwei Wege. Zum einen könnte sich an den landesrechtlichen Vorgaben etwas ändern. Dann könnte die Oberstufe auch im Klassenverband und nicht nur im Kurssystem stattfinden. Natürlich geht damit die Differenzierung verloren und die Schüler können nicht mehr aus einer Vielzahl an Fächern ihr Paket zusammenstellen,  aber prinzipiell ist es vorstellbar, die Oberstufe so zu führen. Der zweite Weg ist eine Anerkennung von Zahlen, die letztlich nicht wirklich beweisbar sind. Für eine Oberstufe brauchen wir eine durchgehende  Vierzügigkeit im Unterbau. Wir haben die Vierzügigkeit derzeit nur in einem Jahrgang. Es kommt aber immer noch vor, dass Schüler in Klassenstärke die Gemeinde verlassen, um auf eine Gesamtschule zu gehen. Die Eltern treffen diese Entscheidung, weil es ihnen um die Oberstufe ohne Schulwechsel für das Kind geht. Wenn man diese Kinder mit berechnen dürfte, würde man die nötige Vierzügigkeit erreichen.

OA: Lassen Sie uns an dieser Stelle zu den Kommunalfinanzen wechseln. Im Vergleich zu anderen Kommunen im Kreis steht Morsbach gut da. Haben sie die Hoffnung, dass man in einem der nächsten Jahre eine schwarze Null erwirtschaften kann?

Bukowski: (schmunzelt) Die Hoffnung habe ich nicht, weil das Finanzausgleichssystem das nicht hergibt. Das beste Beispiel ist das vergangene Jahr mit historisch hohen Gewerbesteuereinnahmen von über zwölf Millionen Euro, die sonst in der Vergangenheit bei sechs bis sieben Millionen Euro lagen. Diese Steigerung müsste eigentlich zwingend dazu führen, dass wir unseren Haushalt ausgleichen könnten. Aber wir bekommen dank der eigenen starken Steuerkraft keine Schlüsselzuweisungen des Landes mehr und müssen sehr viel Kreis- und Jugendamtsumlage bezahlen. Wenn bei uns eine Gewerbesteuererwartung von zwölf Millionen Euro nicht ausreicht, um einen Haushalt auszugleichen, dann kann irgendwo etwas nicht stimmen. Ich bin im Grund stolz darauf, dass wir in der Gemeinde so eine hohe Steuerkraft haben und dass unsere Betriebe so stark sind. Aber als Gemeinde hätte ich natürlich auch gerne etwas davon.

OA: Wie stabil ist denn dieser Stand von zwölf Millionen Euro an Gewerbesteuereinnahmen?

Bukowski: Aktuell liegen wir unter diesen zwölf Millionen Euro in der Erwartung, wobei es meist erst im Herbst gravierende Veränderungen gibt. Natürlich sind wir ständig im Gespräch mit den Unternehmen und wir hören meist sehr positive Signale. Die großen Firmen wollen derzeit sogar groß investieren und sich erweitern. Insofern bin ich zuversichtlich, dass wir die hohe Gewerbesteuer in etwa halten können.

OA: Gleichzeitig dazu hat die Firma Optirent vor wenigen Tagen die Gemeinde verlassen. Drohen solche Szenarien aufgrund fehlender Gewerbeflächen künftig öfter?

Bukowski: Grundsätzlich ja, da sind wir einfach durch unsere Region derzeit ein wenig beschränkt. Mir war der Bedarf der Firma bekannt, nur wir konnten in Erblingen keine Erweiterungen in der gewünschten Größenordnung darstellen. Die Flächen, die wir in Lichtenberg anbieten konnten, waren für Optirent allerdings keine Alternative aufgrund des Mitbewerbers am gleichen Standort.

OA: Auf ihrer Homepage erklären Sie, dass sie den Einzelhandel im Ort vor allem mit einer Drogerie und einem Bekleidungsgeschäft stärken wollen. Wie sollen diese Geschäfte bei der aktuellen Bevölkerungsentwicklung nach Morsbach gelockt werden?

Bukowski: Wir haben tatsächlich vor allem im Bekleidungsbereich das Problem, dass hier zunächst auf die Einwohnerwerte geguckt wird und die Unternehmen erst bei 15.000 Einwohnern Interesse haben. Man muss an dieser Stelle deutlich machen, dass außer den 11.000 Morsbachern auch etwa 2.000 Montaplast-Mitarbeiter und die Einwohner aus Friesenhagen und Birken-Honigsessen die örtliche Kaufkraft bilden. Hinsichtlich der Drogerie bin ich konkret mit einem Investor im Gespräch, der wiederum mit einem Drogeriemarkt im engen Kontakt steht. Es muss manchmal jemanden geben, der einfach auch eine Idee laut ausspricht und dann handelt. Ähnlich war das auch beim Ärztehaus.

OA: Sie haben das Thema angesprochen, haben von ihrem Büro aus freien Blick darauf. Ist das Ärztehaus ein Erfolgsprojekt?

Bukowski: Ja und Nein. Erfolgsprojekt klares Ja, weil viele Gespräche zeigen, dass es für die langfristige Entwicklung genau richtig war. Viele andere Kommunen überlegen aufgrund des Ärztemangels, was sie machen sollen, und kommen am Ende vielleicht auf die Lösung, die wir nun schon lange haben. Nein insofern, dass das Haus nicht genug gefüllt ist. Vor allem neue Ärzte sollten kommen, das haben wir insgesamt nicht geschafft.

OA: Ein wichtiges und vor allem aktuelles Thema ist der Doch-Nicht-Neubau des Bauhofs. Im Interview vor einem guten Jahr haben Sie sich noch klar für den Neubau ausgesprochen und eine Sanierung für nicht sinnvoll gehalten. Nun ist der Neubau aber vom Tisch.

Bukowski: Ich stehe zu meiner Aussage: Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten halte ich die Sanierung nicht für die beste Lösung. Aber uns fehlte der Alternativstandort. Wir haben acht Standorte geprüft und nur der Standort Wisseraue kam danach in Frage. Da hat sich dann aber gezeigt, dass sowohl in der Bevölkerung, als auch in der Politik viel Gegenwehr da war. Mir fehlte insgesamt eine gewisse Überzeugung in der Politik, ein solches Projekt umzusetzen. Daher wird nun am Standort Volperhausen saniert.

OA: Zum Abschluss eine Frage, die auch Herr Willmer beantworten durfte: Was sind die drei Kernpunkte, die für die Wahl Jörg Bukowski sprechen?

Bukowski: 1. Ich wohne hier in Morsbach und werde auch hier wohnen bleiben. Ohne Herrn Willmer etwas Böses zu wollen, aber für ihn ist das wohl eher ein Spiel auf Zeit. Er hat klar gemacht, dass er sich hier eine Wohnung nehmen will, keinen Wohnsitz. Sein Lebensmittelpunkt wird also Lindlar bleiben. Das halte ich nicht für wirklich günstig. Außerdem glaube ich, dass es gut ist, wenn nach den viereinhalb Jahren nun eine gewisse Konstanz besteht. 2. Ich denke, dass ich mit Fug und Recht behaupten kann, dass sich in Sachen Gemeindeentwicklung viel getan hat und ich bin sicher, dass es gut war, was wir getan haben. Ein Beispiel ist hier das Schul- und Sportzentrum samt Aula, also ein komplett neues Schulhofumfeld, was ich einfach schön finde. Wir haben da viele neue Möglichkeiten geschaffen, und das war absolut richtig. Hinzu kommt die Schule selbst, die ich weiterhin für den Standortfaktor Nummer eins halte. 3. Ich beschäftige mich aktuell mit neuen Themen und möchte bei der Umsetzung keine Zeit verlieren. Die Kontakte in die Unternehmen und Vereine hinein besteht und ich fühle mich wohl und bekomme viele gute Rückmeldungen, sodass ich gerne noch ein paar Jahre weiter machen würde.

OA: Herr Bukowski, auch an Sie vielen Dank für das Gespräch. 

Das Gespräch führte Fabian Nitschmann.
  
WERBUNG