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Elternunterhalt - kein Kontakt, aber trotzdem zahlen?

Red; 22. Mar 2014, 10:00 Uhr
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Elternunterhalt - kein Kontakt, aber trotzdem zahlen?

Red; 22. Mar 2014, 10:00 Uhr
Oberberg – Oberberg-Aktuell informiert in dieser Rubrik über Rechtsfragen – Der Service wird präsentiert von Fincke Rechtsanwälte Bergneustadt – Heute geht es um das Thema Elternunterhalt.
Von Andreas Günther – Fachanwalt für Familienrecht   

Die steigende Lebenserwartung hat Auswirkungen auf viele Bereiche.  Im Familienrecht rückt immer mehr der sog. Elternunterhalt in den Fokus.  Nicht nur  (kleine) Kinder  können von ihren Eltern Unterhalt fordern, nein – im Alter kann sich die Unterhaltssituation umkehren: die Eltern können Unterhalt von ihren Kindern verlangen. Es geht oft um hohe Summen, gerade wenn die Eltern im Alten- und Pflegeheim untergebracht sind. Müssen die Kinder  immer zahlen oder gibt es Ausnahmen?

Mit dieser Frage hatte sich auch jüngst der BGH  zu befassen:  Der fast 90 Jahre alte Kläger lebte bis zum Tod im Altenheim. Die Kosten des Heims bezahlte die Stadt, als Träger der örtlichen Sozialhilfe. In einem solchen Fall gehen mögliche Unterhaltsansprüche des Hilfeempfängers  gegen Angehörige automatisch per Gesetz auf die Stadt über. Diese kann dann den Unterhalt einklagen. Beklagt wurde hier der  61 Jahre alte Sohn. Dieser wehrte sich mit folgendem Argument: Seit fast 40 Jahren habe der Vater keinen Kontakt mehr zu ihm,  kurz nach dem Abitur  habe er von ihm nichts mehr gehört. Reicht dies, um den Unterhaltsanspruch des Vaters entfallen zu lassen?

Nein, entschieden die Richter aus Karlsruhe in der aktuellen Entscheidung vom 12.02.2014 (AZ: XII ZB 607/12): Voraussetzung für einen Anspruch auf Elternunterhalt  ist zunächst die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen. Der Sohn verfügte hier über ein ausreichendes Einkommen oberhalb des aktuellen Selbstbehalts  beim Elternunterhalt von 1.600 Euro – war also leistungsfähig. Er berief sich aber auf eine grobe Unbilligkeit nach  § 1611 BGB. Dieser normiert  unter anderem Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch, welche von dem Unterhaltsverpflichteten  behauptet und auch beweisen werden müssen: gröbliche  Verletzung der  eigenen Unterhaltspflichten durch den Elternteil,  eine schwere Verfehlung gegen den Unterhaltsverpflichteten  oder einen nahen Angehörigen.

Liegen solche Umstände vor kann die Inanspruchnahme unbillig sein. Keines der Tatbestandsmerkmale sah der BGH als gegeben an. Zwar habe der Vater das familiäre Band zu seinem Sohn durch den Kontaktabbruch durchschnitten.  Aber dies allein reicht nicht aus, den Unterhaltsanspruch entfallen zu lassen.  Vielmehr habe sich der Vater in den ersten 18 Lebensjahren  –  die Eltern hatten sich als der Sohn 18 war scheiden lassen – um seinen Sohn gekümmert. Gerade in dieser Phase der ersten Lebensjahre sei er seinen elterlichen Pflichten nachgekommen, also in einer Zeit, in welcher die Betreuung und Fürsorge für die Kinder besonders wichtig ist.

Der beklagte Sohn wies noch darauf hin, dass der Vater ihn zusätzlich enterbt habe  - er sei im Testament auf den „strengsten Pflichtteil“ gesetzt worden. Auch hier hatten die BGH-Richter kein einsehen. Mit dem Testament habe der Vater nur von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht. Mit seiner Entscheidung präzisiert der BGH seine Rechtsprechung, lässt aber auch Fragen offen. Wenn die Elternpflichten bis zur Volljährigkeit so betont werden,  was ist dann bei  einem Imstichlassen schon während der Minderjährigkeit? Hierüber musste der BGH (noch) nicht entscheiden.  Dies kann durchaus zu einer Verwirkung des Unterhalts führen.  Hätte der Vater hier den Sohn im Kleinkindalter verlassen, keinen Unterhalt gezahlt und keinen Kontakt gehabt – wären dessen Chancen im späteren Unterhaltsprozess erheblich besser gewesen.


  
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