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Die Zeit läuft gegen die Hausärzte

ch; 12. Mar 2011, 16:45 Uhr
Bilder: Christian Herse --- Dr. Ralph Krowleski (li.) diskutierte mit Dr. Andrea von Hehn-Wasilewski (v.r.n.l.), Anne Theuer und Ministerin Barbara Steffens.
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Die Zeit läuft gegen die Hausärzte

ch; 12. Mar 2011, 16:45 Uhr
Waldbröl – Bei ihrem Besuch im Südkreis sprach NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens mit niedergelassenen Ärzten und ihren Vertretern über die prekäre Situation der Gesundheitsversorgung.
Die Grünen-Politikerin Barbara Steffens ist gestern Abend mit sicherlich gemischten Gefühlen wieder in Richtung Heimat gefahren. Nachdem sie sich zunächst im Krankenhaus Waldbröl über die Umbaumaßnahmen informiert hat (OA berichtete), stellte sich die NRW-Gesundheitsministerin anschließend den Fragen der niedergelassenen Ärzten und gab ihre Einschätzung ab.

[Für Steffens gibt es Versagen auf verschiendenen Ebenen.]

Besonders einprägsam dabei sicherlich der Bericht der Hausärztin Dr. Andrea von Hehn-Wasilewski, die eigentlich 2009 ihre Praxis verkaufen wollte, aber schlichtweg keinen Abnehmer dafür fand: „Ein Gutachter bestätigte mir, dass meine Räume modern waren und ich einen festen Patientenstamm besaß. Jedoch arbeite ich auf dem Land und das hat alle Käufer abgeschreckt.“ Die Folge ist, dass viele Ärzte ihre Praxen zu Ramschpreisen nahezu verschenken, was vor fünf Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Wie sich die Lage bis 2015 verändern könnte, erklärte der Sprecher der niedergelassenen Ärzte in Oberberg, Dr. Ralph Krowleski: „Aktuell haben wir noch 31 Hausärzte im Südkreis, die jedoch keinen Nachfolger finden. In vier Jahren werden circa 36.000 Patienten, die häufig chronisch erkrankt sind, über keinen wohnortnahen Mediziner mehr verfügen.“ Vor allem die Zeit würde gegen die Ärzte laufen, da durch den demographischen Wandel immer mehr Menschen älter und somit auch anfälliger für Krankheiten werden, aber von unten keine Jungmediziner mehr folgen.


Eine Reaktion daraus ist, dass viele Patienten Hilfe in den Krankenhäusern suchen, aber dort nicht fündig werden. „Wir mussten Abteilungen schließen und hatten in den letzten Jahren Probleme, dass wir ausländische Ärzte beschäftigten mussten, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren“, berichtete Anne Theuer von der Patientenbeschwerdestelle des Kreiskrankenhauses Waldbröl. „Das hat viele Leute sehr verärgert.“ Ein Unding für Steffens, der diese Problematik durchaus bewusst ist: „Nicht nur auf dem Land, sondern auch in vielen Städten stehen die Praxen leer. Der Beruf des Arztes muss wieder attraktiver gestaltet werden, was nicht nur durch eine Geldfrage geregelt werden muss. Auch der Respekt und die Anerkennung müssen zurückkehren.“


[Moderator Uwe Söhnchen denkt über die Worte seiner Parteifreundin nach.]

Für viele Patienten sind die Hausärzte auch Anlaufstelle für persönliche Fragen. „Bei vielen kenne ich die Lebensgeschichte und weiß, was sie bedrückt. Wenn wir mehr Zeit hätten, dann könnten wir uns deren Problemen annehmen, was so manche Behandlung unnötig machen würde“, weiß von Hehn-Wasilewski zu erzählen. „Stattdessen leiten viele direkt an Fachärzte weiter und dürfen dann nachher deren Befunde deuten, weil diese wiederum keine Zeit hatten, meinen Patienten das Ergebnis zu erklären.“

Es fehlt an Vernetzung, an Geldmitteln und an Kommunikation zwischen Landes- und Bundespolitik. „Berlin diktiert die Stückzahlen, nach denen die Ärzte hier auf dem Land die Menschen behandeln sollen, ohne zu wissen, wie es hier aussieht“, fand Steffens klare Worte. Alle bisher gezeigten Lösungen würden den Ärztemangel in seiner Ursache nicht beheben.

„Wir haben zwar ein Austauschprogramm mit österreichischen Medizinstudenten, aber damit steuern wir nicht der Tatsache entgegen, dass wir hier zu wenig Studenten in dem Bereich haben.“ Kein Geld, dafür zu hohe Belastungen. Manche Krankenhäuser würden bereits soweit gehen, möglichen Ärzten eine Rundumpaket anzubieten. „Da sucht die Klinik dem Lebenspartner eine Arbeitsstelle, einen Kindergartenplatz für den Kleinen und noch eine geeignete Wohnung. Umzugskosten inklusive, solange man den Arzt irgendwie anlocken kann.“ Das seien schon pure Verzweiflungstaten.

  
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