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Kommentar: Wildwest bei ISE

bv; 15. Jun 2008, 00:00 Uhr
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Kommentar: Wildwest bei ISE

bv; 15. Jun 2008, 00:00 Uhr
(bv/31.5.2008-10:20) Von Bernd Vorländer
Bergneustadt - Die Lichter beim insolventen Zulieferer ISE gehen nicht aus: Ein gutes Signal - Doch der Umgang mit abweichenden Mitarbeitern ist unwürdig.
Die gute Nachricht vorweg. Die Zukunft von rund 1.500 Arbeitnehmern, ja die der gesamten Stadt Bergneustadt scheint zumindest für einen überschaubaren Zeitraum gesichert, denn offenbar wird Investor Nordwind noch am Wochenende die Unterschrift unter die Verträge setzen. Das Aufatmen ist deutlich zu spüren bei allen Beteiligten, denn ein Aus nach der ISE-Pleite hätte der „Feste“ einen Schlag versetzt, von dem sie sich nicht so schnell erholt hätte. Also alles in Ordnung? Mitnichten, denn die Art und Weise, wie man im Unternehmen mit denen umgegangen ist, die den Auflösungsvertrag nicht unterschreiben wollten, erinnert an Wildwest-Methoden des Steinzeit-Kapitalismus. Wie Schwerverbrecher wurden Abweichler vor aller Augen von Sicherheitspersonal aus dem Werk geführt, fristlos entlassen, davongejagt. Andere erhielten zu Hause ungebetenen Besuch und die Drohung, sich nicht mehr im Unternehmen blicken zu lassen.

So ein Verhalten der Verantwortlichen ist unwürdig, zumal die Entlassenen auf dem Boden geltenden Rechtes agieren und sich persönlich nichts zuschulden kommen ließen. Allem Anschein nach hat Insolvenzverwalter Christopher Seagon, dem man ansonsten ausgezeichnete Arbeit attestieren muss, die Nerven verloren. Mag sein, dass der Druck des Finanzinvestors groß war und die Zeit drängte: Dennoch hätte man andere Wege finden müssen, um Interessen durchzusetzen. Auch die IG Metall, die dieses Treiben dem Vernehmen nach nur mit einem Achselzucken begleitete, gibt ein schwaches Bild ab. Die umfassende Wahrung von Arbeitnehmerinteressen bedeutet eben auch, diejenigen vor maßlos übertriebenem Handeln zu schützen, mit denen man inhaltlich nicht übereinstimmt.

Im Übrigen: Zu glauben, die fristlosen Kündigungen hätten aus übergeordneten Gründen ausgesprochen werden dürfen und wären gerichtsfest, ist ein wenig naiv. 90 Prozent der meist folgenden Kündigungsschutzklagen enden mit einem Vergleich. Und diese Kosten für die abtrünnigen ISE-Mitarbeiter dürfte der Investor Nordwind längst in seine Kosten für die ISE-Übernahme eingerechnet haben.

Artikel: ISE: Vertragsabschluss mit Nordwind am Wochenende immer wahrscheinlicher

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