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An der Wiehltalbahn scheiden sich die Geister

lo; 24. Oct 2002, 19:53 Uhr
Oberberg Aktuell
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An der Wiehltalbahn scheiden sich die Geister

lo; 24. Oct 2002, 19:53 Uhr
(lo/24.10.2002-19:40) Von Björn Loos
Oberberg - Sinnvolle Ergänzung zum öffentlichen Personennahverkehr, Steuerverschwendung oder doch ein schönes Instrument, um den Fremdenverkehr in Oberberg aufzuwerten: Oberberg-Aktuell gibt einen Überblick über den Stand der Dinge in Sachen Wiehltalbahn und deren zukünftiger Nutzung.
[Bilder: Oliver Mengedoht.]



Die Vergangenheit



Die Wiehltalbahn von Dieringhausen über Bielstein, Wiehl, Brüchermühle und Waldbröl nach Morsbach war früher nur ein Teil des umfassenden Schienennetzes im Oberbergischen Kreis. 1966 wurde dann der Personenverkehr auf der Wiehltalbahn eingestellt. Zu der Zeit transportierten vier Zugpaare immerhin noch 1000 Fahrgäste pro Tag.



Der Plan



Im September 2001 erstellte die "Gesellschaft für fahrgastorientierte Verkehrsplanung" im Auftrag des Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und des Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn eine Untersuchung über die Wirtschaftlichkeit einer Reaktivierung der Wiehltalstrecke und der seit 1979 für Personenverkehr stillgelegten Strecke Bergneustadt - Dieringhausen.

In diesem Gutachten wurden verschiedene Szenarien einer Reaktivierung vorgestellt: Die jeweiligen Kosten, Vor- und Nachteile. Die Gesamtinvestionen für die komplette Reaktivierung von Bergneustadt über Dieringhausen bis zum Endhaltepunkt Morsbach würden sich auf circa 44 Millionen € belaufen.



In der Praxis sähe dieses Szenario wie folgt aus: Die Bedienung der Strecke Waldbröl - Brüchermühle - Wiehl - Bielstein - Osberghausen - Dieringhausen und Dieringhausen - Bergneustadt im Halbstundentakt. Dazu wäre unter anderem ein neuer Umsteigebahnhof in Osberghausen für den Anschluss Wiehltalbahn in Richtung Köln nötig.



Nicht nur die Finanzierung von Wiederaufbau und Unterhalt der Strecke und deren Bauten stände im Mittelpunkt, sondern auch die Umstrukturierung des Öffentlichen Personennahverkehrs zum so genannten "Integralen Verkehrkonzept": Bestimmte Buslinien müssten an Umsteigepunkten - wie zum Beispiel dem Bahnhof Wiehl - an den Zugverkehr angebunden werden. Dazu würden Sammeltaxis und Taxi-Busse für Personen angeboten, die in Orten wohnen, in denen keine befriedigende Busanbindung besteht.

In seinem Ausblick spricht die Gesellschaft für fahrgastorientierte Verkehrplanung davon, "die Reaktivierung der Wiehltalbahn unverzüglich in Angriff zu nehmen." Laut Bernd Kronenberg, Vorsitzender des Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn, würde das Ganze "lediglich etwa drei Jahre dauern".



Die Kommunen



Die Kassen in den Kommunen sind leer. Deshalb stößt die Reaktivierung der Wiehltalbahn als Mittel des ÖPNV in den Rathäusern nicht gerade auf Gegenliebe, da natürlich Kosten auf die Gemeinden und Städte zu kommen würden.



In Wiehl: "Wir müssten in der Nähe des Bahnhofes nach Auflagen des Eisenbahnbundesamtes eine Unterführung und eine Überbrückung bauen und die Blinkanlage im Wert von einer Millionen Euro ist ebenfalls noch nicht genehmigt", sagt Kämmerer Hans-Otto Dick, der außerdem fragt: "Ist dieses Angebot für den ÖPNV tatsächlich eine Verbesserung oder nur eine Verschiebung des Bedarfs, hat das Umsteigen von Bus auf Bahn einen wirtschaftlichen Sinn?" Dem stellt Kronenberg gegenüber: "Die OVAG soll Verfahrensbeteiligter sein. Durch das integrale Verkehrssystem könnten Busstrecken optimiert und Zubringerfunktionen zu den Haltepunkten der Bahn geschaffen werden."



In Reichshof hat man seinen Standpunkt auf der letzten Ratssitzung noch einmal verdeutlicht: "Keine Reaktivierung der Strecke für den ÖPNV, Sicherung der Trasse zur touristischen Nutzung ja."

Waldbröls Bürgermeister Waffenschmidt machte hingegen klar, wohin Waldbröl seine Fühler ausstreckt: "Unser Bahnhof ist Schladern an der Siegtalstrecke. Von dort aus ist man in 25 Minuten am ICE-Bahnhof in Siegburg und in 50 Minuten in Köln. Ein Ausbau der Wiehltalstrecke mit 44 Millionen € hat gerade in diesen Zeiten, wo es den Kommunen finanziell schlecht geht, keine gebotene Priorität." Kronenberg: "Die 33 Kilometer Streckenlänge würde so viele Kosten verursachen, wie es die 10 Kilometer der Ortsumgehung Waldbröl/Denklingen machen. Es werden also keinesfalls Steuern verschwendet."



Bleibt also als Endstation die touristische Nutzung. "Es würde sich auf die Mobilität der Urlaubsgäste in Oberberg auswirken. Die Strukturkraft der Region könnte sich verbessern und Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden." Waldbröl und Reichshof unterstützen dieses Vorhaben, während in Wiehl Skepsis herrscht. Dick: "Die touristischen Ziele im Südkreis sind von der Autobahn schneller zu erreichen, als mit der Bahn."



Kronenberg bedauert, dass "die CDU-Mehrheiten in den Räten und im Kreis nicht die historische Chance sehen, die Mobilität der Menschen in Oberberg zu entscheidend verbessern." Es sei bei allem jedoch das Wichtigste, dass die Politik den wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus unterstützt. Nach den Aussagen in den Kommunen kann man darauf wohl hoffen, die Nutzung für den ÖPNV ist zur Zeit allerdings ein totes Gleis.

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