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Marienheide belastet Bürger drastisch – reicht das?

bv; 26. Jun 2012, 23:00 Uhr
Bilder: Bernd Vorländer --- Eine Mehrheit des Marienheider Rates sprach sich für die Sparmaßnahmen aus.
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Marienheide belastet Bürger drastisch – reicht das?

bv; 26. Jun 2012, 23:00 Uhr
Marienheide – Ratsmehrheit beschließt Steuererhöhungen – Bis zum Haushaltsausgleich fehlen mehr als zwei Millionen Euro – Hallennutzungsgebühren kommen – Rat votiert überraschend für Verbund der Grundschulen.
Von Bernd Vorländer

Groß war das Interesse der Bürger bei der heutigen Ratssitzung, die SPD-Fraktionschef Wilfried Fernholz als „besonderen Tag“ für die Gemeinde bezeichnete. Schließlich galt es für die Vertreter der Parteien, eine Liste von 25, höchst unerfreulichen Punkten abzuarbeiten. Mit zum Teil drastischen Einsparungen sollten aus Verwaltungssicht die Vorgaben der Aufsichtbehörden erreicht werden, um zum Haushaltsausgleich zu kommen. Dann nämlich käme die verschuldete Gemeinde in den Genuss von 1,25 Millionen Euro Stärkungspaktmitteln. Doch es kam anders. Fernholz hatte für die Mehrheit seiner Fraktion erklärt, grundsätzlich auch zu schmerzlichen Einschnitten bereit zu sein. „Natürlich wissen wir, dass es unpopulär ist und wir wissen auch, dass wir Prügel einstecken. Aber jeder Euro, den wir heute einsparen, sind 100 Euro in die Spardose unserer Kinder, Enkel und Urenkel“, so der Sozialdemokrat.


[CDU-Chef Marc Coroly ließ kein gutes Haar am Stärkungspakt, den er als "Sterbepakt" bezeichnete.]

Freilich hatte die SPD erhebliche Änderungswünsche. Dem Antrag, die Schließung der Bücherei um ein Jahr auf Ende 2013 zu verschieben, gab die Ratsmehrheit statt. Doch für die Sicht der Sozialdemokraten, den Vorschlag der Verwaltung (925 Punkte Gundsteuer B und 480 Punkte Gewerbesteuer) dahingehend zu verändern, die Grundsteuer B auf unter 800 Punkten zu belassen und dafür die Gewerbesteuer auf 520 Punkte festzulegen, fand keine Zustimmung. Auch der Vorschlag der FDP, die Grundsteuer auf 600 Punkte anzuheben, erschien den meisten Ratsmitgliedern noch zu hoch. Eine Mehrheit folgte dann dem Vorschlag von CDU, WfM und UWG, die Grundsteuer B moderat auf 500 Punkte festzulegen.

Zuvor hatte CDU-Fraktionsvorsitzender Marc Coroly deutlich gemacht, was er von dem Stärkungspakt der Landesregierung hält – nämlich nichts. „Das ist ein Sterbepakt“, so der Christdemokrat. Marienheide sei kein Armenhaus, „nur werden wir für unsere guten Leistungen durch fehlende Landesmittel bestraft“, wies Coroly auf die erfreuliche Steuerquote der Gemeinde hin.


Timo Fuchs (WfM) wollte nicht tatenlos zusehen, wie die Zukunft der Gemeinde verfrühstückt werde. „Bei den von der Verwaltung vorgeschlagenen Steuersätzen unterwerfen wir uns einem kranken System. Das wäre verantwortungslos.“ Eine drastische Erhöhung der Gewerbesteuer könne Unternehmen möglicherweise aus dem Gemeindegebiet vertreiben. „Die können auch rechnen.“

Mit erheblichen Ausgabesteigerungen müssen indes die Marienheider Sportvereine rechnen. Mit 18 Ja-Stimmen gegen 9 ablehnende Haltungen verabschiedete der Rat Hallennutzungsgebühren. Marc Coroly befürchtete, dass es in diesem Punkt in einigen Jahren kein Halten mehr gebe. „Wir sprechen immer vom Ehrenamnt und beschließen dann so etwas“, plädierte er gegen diese Einnahmesteigerung für die Gemeinde. Zuvor war schon ein Einwohnerantrag des TV Rodt-Müllenbach gescheitert, der, mit über 1.300 Unterschriften unterfüttert, die Sporthalle Rodt beim Spardiktat außen vor sehen wollte.


[Marienheides Bürgermeister Uwe Töpfer hat seine Zweifel, ob sich die Aufsichtsbehörden mit dem bisherigen Sparvolumen zufrieden geben werden.]

Man sei zwar in Gesprächen mit Sponsoren, um eine Sanierung durchführen zu können, doch bei einer Übernahme der Halle durch den Verein, den offenbar die Verwaltung als einzig denkbare Möglichkeit ansieht, sei überhaupt nicht geklärt, wie der Verein den laufenden Betrieb sicherstellen könne, erklärte Helmut Bastek vom TV R-M. „Wir haben keine Einnahmen und die Mitglieder müssten das finanzieren. Ob das möglich ist, wissen wir nicht. Wir brauchen Zeit“, so Bastek. Marienheides Bürgermeister Uwe Töpfer sicherte zu, dass man weiter in Gesprächen bleibe.

Straßenlampen in Marienheide werden weniger brennen, das Schulschwimmen nur in der Grundschule, nicht aber in der Gesamtschule weiter finanziert und der Wasserpreis wird steigen - so weitere Beschlüsse des Rates. Überraschend war, dass eine knappe Mehrheit von 15:14 Stimmen den Verbund von Gemeinschaftsgrundschule und Katholischer Grundschule präferierte. Vor kurzem hatte der Schulausschuss noch einen gegenteiligen Beschluss gefasst. Endgültig ist diese Entscheidung jedoch noch nicht, sondern müsste nochmals vom Rat bestätigt werden.


[Zahlreiche Bürger verfolgten die Ratssitzung in Marienheide.]

„Das sind mehr als zwei Millionen Euro zu wenig“, meinte Rathauschef Uwe Töpfer, nachdem eine deutliche Mehrheit die Sparbeschlüsse insgesamt abgesegnet hatte. Die Gemeinde werde die Beschlüsse jetzt der Bezirksregierung übersenden. Man muss jedoch kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass die Aufsichtsbehörde dieses Ergebnis zur Korrektur ins Rathaus zurückschicken wird. Möglicherweise droht den Parlamentariern eine Sondersitzung in den Ferien. Ob WfM-Chef Stephan Alefelder mit seinem Wunsch, die Landesregierung möge Hilfe und Einsicht zeigen, dass mehr in Marienheide nicht drin sei, auf offene Ohren an verantwortlicher Stelle stößt? Wie hatte es Anke Bockelmann stellvertretend für mehr als 1.000 Menschen in einem Bürgerantrag formuliert, der vom Rat einstimmig angenommen wurde und der vor gravierenden sozialen Einschnitten beim Spardiktat warnte: „Ziviler Gehorsam hat uns in die Lage gebracht, in der wir jetzt stecken. Vielleicht hilft uns ja jetzt ein gewisser ziviler Ungehorsam.“      
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