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Finanzinvestor Nordwind Capital übernimmt ISE Innomotive - Die meisten Arbeitsplätze konnten gerettet werden

lo; 10. Apr 2008, 00:00 Uhr
Oberberg Aktuell
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Finanzinvestor Nordwind Capital übernimmt ISE Innomotive - Die meisten Arbeitsplätze konnten gerettet werden

lo; 10. Apr 2008, 00:00 Uhr
(lo/26.3.2008-10:45 AKTUALISIERT: 14:00) Bergneustadt - 95 Prozent der Mitarbeiter werden übernommen - Neuer Eigentümer will Standort Bergneustadt stärken und Wachstumskurs einschlagen - IG Metall bezeichnet Vertragsabschluss als zufriedenstellend und sieht Zukunft gesichert.
[Bilder: Michael Kleinjung --- Die Bergneustädter Sporthalle war bei der Betriebsversammlung sehr gut gefüllt.]

Die NC Beteiligungsgesellschaft mbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Nordwind Capital, einer unabhängigen, auf Unternehmensrestrukturierungen spezialisierten Private-Equity-Gesellschaft (300 Millionen Euro Eigenkapital) mit Sitz in München, hat die im April 2007 in Insolvenz gegangene Bergneustädter ISE Innomotive übernommen. Entsprechende Vereinbarungen unterzeichneten Insolvenzverwalter Christopher Seagon und Nordwind Capital. Die Mitarbeiter des Unternehmens wurden heute Morgen in einer Betriebsversammlung in der Sporthalle auf dem Bursten informiert. Neben der ISE Innomotive hat Nordwind Capital auch die Vermögenswerte der ISE Industries aus Witten und Duisburg erworben. Bestandteil der Transaktion sind auch die Tochtergesellschaften von ISE sowie die Auslandsbeteiligungen in USA, Südafrika, Türkei, Ungarn, Polen und China.

[IG Metall-Bevollmächtigter Norbert Kemper informierte die Beschäftigten über das Ergebnis der Verhandlungen.]

Die ISE Innomotive hat mit den Standorten Bergneustadt, Drolshagen-Scheda sowie Meinerzhagen und Holzgerlingen insgesamt etwa 1.650 Beschäftigte, von denen knapp 1.550 neue Arbeitsverträge von Nordwind Capital erhalten werden, 400 davon befristet. Darüber hinaus ist für die Beschäftigten der ISE Innomotive vorgesehen, dass Beschäftigte, die nicht übernommen werden können, in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft auf neue berufliche Herausforderungen vorbereitet werden. Geplant ist weiterhin, dass pro Jahr mindestens 15 neue Auszubildende eingestellt werden. Wie Norbert Kemper, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Oberberg, verriet, sei von den zuletzt übriggebliebenen Kaufinteressenten nur Nordwind bereit gewesen, so viele Arbeitsplätze zu erhalten. Die Gewerkschaft hatte kürzlich einen Tarifvertrag mit Nordwind Capital ausgehandelt.

Die Zuversicht überwog bei den Mitarbeitern, als sie die Burstenhalle verließen und wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten, obwohl sie sich auf Kürzungen bei den Sonderzahlungen und unbezahlte Mehrarbeit einstellen müssen. Der Kauf durch Nordwind sei für die Beschäftigten eine frohe Botschaft, „denn nun gibt es wieder eine Perspektive. Nordwind übernimmt eine qualifizierte Mannschaft, die sehr motiviert ist und hohes Know-How besitzt“, erklärte Kemper. Knapp 240 Fachkräfte haben die ISE-Gruppe seit der Insolvenzanmeldung im Januar 2007 verlassen. „Es sind viele gute Leute weggegangen, aber es konnten auch viele gehalten werden“, sieht Seagon die Innovationskraft des Unternehmens dennoch gesichert.

Nordwind Capital setzte sich in dem seit Herbst vergangenen Jahres andauernden Bieterverfahren gegen zahlreiche Mitbewerber durch. Seagon konnte durch den Verkauf nach einer über einjährigen Fortführung der Geschäftsbetriebe an allen inländischen Standorten mit begleitenden operativen Sanierungsmaßnahmen deren Fortbestand sichern. „Nordwind Capital hat sich neben der Vereinbarung akzeptabler wirtschaftlicher Bedingungen eindeutig für den Erhalt aller Standorte der ISE Innomotive ausgesprochen, ein überzeugendes Konzept für die Zukunft der ISE Innomotive präsentiert und sich sowohl mit den Arbeitnehmervertretern als auch mit den Kunden der ISE geeinigt. Das ist ein gutes Ergebnis für die Gläubiger sowie eine solide Basis für die Zukunft des Unternehmens. Die jetzt erfolgte Vereinbarung ist deshalb für alle Beteiligten die bestmögliche Lösung“, sagte Seagon.

[Erwartungsvoll und zufrieden vernahmen die Beschäftigten, dass die überwiegende Zahl vom neuen Eigentümer übernommen wird.]

Für ihn ist der Verkauf vor allem darauf zurückzuführen, dass die Beschäftigten trotz der Insolvenz „die Ärmel hochgekrempelt und hoch motiviert gearbeitet haben“. So wurden alle Beteiligten, vor allem die Kunden des Oberbergischen Automobilzulieferers, weiterhin von der Qualität und der Wettbewerbsfähigkeit der Produkte überzeugt. „Das haben auch die Verantwortlichen von Nordwind Capital bei ihren zahlreichen Werksbesichtigungen erkannt und so notwendiges Vertrauen gewonnen“, sagte Seagon weiter. Den Verkauf der beiden juristisch eigenständigen Unternehmen an einen Investor hat er von Anfang an favorisiert. „Wir hatten zahlreiche Anfragen potenzieller Investoren für beide Gesellschaften gemeinsam, da die Synergien, die beide Unternehmen zusammen bieten, auf der Hand liegen“, sagte der Insolvenzverwalter.

Anton Schneider, Geschäftsführer und Partner von Nordwind Capital hob anlässlich der Vertragsunterzeichnung die Bedeutung der Qualifikation der Mitarbeiter und das technologische Niveau der Standorte für die künftige Entwicklung der ISE hervor: „Gemeinsam mit den engagierten Mitarbeitern werden wir die weitere Sanierung der neuen ISE Gruppe zügig abschließen und das Unternehmen finanziell und operativ auf einen nachhaltigen profitablen Wachstumskurs steuern. Unser erstes Ziel ist es, die Produktivität an den Standorten deutlich zu erhöhen.“ Für Nordwind Capital ist die aktuelle Transaktion die zweite Beteiligung an einem deutschen Automobilzulieferer und die dritte Beteiligung insgesamt: Im Jahr 2005 hatte der Finanzinvestor die Schwäbischen Hüttenwerke (SHW), einen Automobilzulieferer für Motor- und Getriebeteile und Bremsscheiben mit Sitz in Aalen übernommen.

[Bild: Björn Loos --- Insolvenzverwalter Christopher Seagon (Mitte), der neue Geschäftsführer Berd Reifenhäuser, Dr. Martin Beck, Anton Schneider (Geschäftsführung Nordwind Capital), Unternehmenssprecher Holger Voskuhl sowie Norbert Kemper und der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Kakuschki (v.r.) im Pressegespräch.]

„Wir fühlen uns am Standort Deutschland sehr wohl“, unterstrich Schneider das Unternehmenscredo. Die Finanzierung des ISE-Kaufes erfolge zu hundert Prozent aus Eigenkapital. Zudem wurde vereinbart, dass in den nächsten fünf Jahren keine Dividende ausgeschüttet und das Geld im Unternehmen bleibt. Da Verbesserungspotenzial vorhanden sei, werde Nordwind Investitionen tätigen, für die zunächst mindestens 40 Millionen Euro eingeplant sind. „Die Notwendigkeit, permanent zu investieren, ist da“, betonte Schneider. Die Mithilfe durch die ISE-Kunden sei dabei gewährleistet. „Sie werden die Investitionen massiv unterstützen.“ Neuer Geschäftsführer ab 1. Juni wird der 42-jährige Bernd Reifenhäuser, der bislang die Geschäfte bei der SHW führte und nun nach Bergneustadt wechselt.

Auch Bürgermeister Gerhard Halbe war erleichtert über den positiven Kaufabschluss und sicherte dem Investor jegliche Unterstützung bei den anstehenden Aufgaben zu. „Jetzt sind wir endlich aus dem Tal der Spekulationen heraus. Ich bin froh, dass nun Fakten auf dem Tisch sind.“



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