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Stein um Stein - aus Indien

ls; 17. Jan 2019, 10:10 Uhr
Archivbild --- Auf dem Marktplatz wird indische Grauwacke verlegt, die in der Nachbarschaft massenweise abgebaut wird.
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Stein um Stein - aus Indien

ls; 17. Jan 2019, 10:10 Uhr
Wipperfürth – Auf dem Marktplatz der Hansestadt Wipperfürth wird bald Grauwacke verlegt, die aus Indien stammt - was in Lindlar für Aufregung sorgt - Stellungnahme des DNV-Geschäftsführers Reiner Krug (AKTUALISIERT).

Von Leif Schmittgen

Ein Marktplatz ist in der Regel die Visitenkarte einer Kommune – so auch in Wipperfürth. Hier, im Zentrum der Hansestadt, finden viele Veranstaltungen statt und es wird Karneval gefeiert. Seit geraumer Zeit wird in der Innenstadt gewerkelt, Wipperfürth soll fit gemacht werden für die kommenden Jahrzehnte. Und der Marktplatz ist quasi als Krönung gedacht. Doch in der Metropole im Kreisnorden gibt es massiven Ärger eben um diesen Marktplatz: Mancher Bürger schüttelt ungläubig den Kopf, die Parteien im Rat halten die Luft an. Was ist geschehen?

Es geht um die Pflastersteine, die den Marktplatz verschönern und barrierefrei machen sollen. Denn die Grauwacke, die hier zum Einsatz kommt, stammt nicht aus dem für diesen Stein traditionsreichen, benachbarten Lindlar, sondern wird aus Indien angeliefert. Für den Geschäftsführer des Lindlarer Grauwackeunternehmens Quirrenbach, Frank Peffekoven, ein völlig unverständlicher Schritt der Wipperfürther Stadtverwaltung. Er ist sauer darüber, wie das Vergabeverfahren bei der Ausschreibung des künftigen Bodenbelages abgelaufen ist. Den versteckten Vorwurf, die Steine aus Lindlar seien im Vergleich zu den Produkten aus Südasien zu teuer gewesen, weist Peffekoven zurück: „Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen.“


Vor rund zwei Jahren hatte sein Unternehmen ein Angebot beim Generalunternehmer abgegeben, der für die Ausschreibung zur Sanierung des Marktplatzes von der Stadt den Zuschlag erhalten hatte. „Damals wurde allerdings eine andere Steinqualität bei uns angefragt, als jetzt in Indien bestellt worden ist“, glaubt der Geschäftsführer. Der nun bestellte „Stein des Anstoßes“ ist nach seiner Ansicht nämlich nicht - wie ursprünglich angefragt - von gesägter und gebürsteter, sondern gebrochener Qualität. Und man hat aus Sicht des Lindlarer Unternehmens in der Ausschreibung soziale und umwelttechnische Aspekte nicht berücksichtigt.

Hätte man erneut bei den Lindlarer Steinbruchunternehmen nachgefragt (Peffekoven bezieht den örtlichen Mitbewerber BGS mit ein), hätte man aus seiner Sicht sicherlich einen ähnlichen Preis wie den aus Indien anbieten können. Das Vergabeverfahren sei vonseiten der Kommune sogar so angepasst worden, dass nur auf diese Weise die Bruchsteinvariante mit ins Vergabespiel gebracht werden konnte, mutmaßt Peffekoven.

Von einer Änderung der Ausschreibung spricht auch Wipperfürths Bauamtsleiter Stephan Hammer: „Zugunsten der regionalen Unternehmen“, betont Hammer jedoch. Man habe zum einen die Qualitätsstufe der sogenannten Massenprozente, der Wasserdichtigkeit des Materials, von (kleiner als) 0,5 auf 1,2 korrigiert. „Die regionalen Unternehmer konnten die Forderung von 0,5 nicht anbieten, deswegen haben wir korrigierend eingegriffen“, so der Bauamtsleiter. Laut europäischer Richtlinien liege der Grenzwert bei 2,0, weshalb die Kommune innerhalb der Toleranzen die Ausschreibung angepasst habe um regionale Anbieter wieder ins Spiel zu bringen. Außerdem habe man die Qualitätsanforderungen insoweit verallgemeinert, dass zum Beispiel die Verarbeitung von Rillen in den Steinen, zur besseren Festigkeit in den Fugen, möglich gewesen wäre. Hammer: „Auch dabei hatten wir im Auge, die regionalen Anbieter zu stärken“.

Warum diese nach der Anpassung der Ausschreibung nicht reagiert hätten, weiß Hammer nicht, sein Amt habe darauf aber nach der Vergabe an den Tiefbauunternehmer auch keinen Einfluss mehr. „Ist der Auftrag vergeben, kümmert sich der Generalunternehmer um die Materialbeschaffung. Dass die Firma Boymann mit Hauptsitz im niedersächsischen Glandorf auf einen indischen Lieferanten setze, findet Hammer bedauerlich, ihm seien aber die Hände gebunden. Auch umwelttechnische Aspekte seien berücksichtigt worden, allerdings spielten die bei der Masse der gelieferten Steine keine Rolle: „Rechnet man den CO2-Verbrauch eines Schiffes auf die transportierte Menge um, ist man im Toleranzbereich“, sagt der Fachbereichsleiter.

„Wir hätten gerne auf regionale Unternehmen zurückgegriffen, sowohl beim Material als auch bei der Baudurchführung“, bedauert Wipperfürths Bürgermeister Michael von Rekowski die aktuelle Entwicklung. Der Unternehmer aus Niedersachsen habe zum Festpreis angeboten, zur Wahl des wirtschaftlich sinnvollsten (nicht des billigsten) Bieters, sei man beim weltweiten Vergabeverfahrens verpflichtet. Außerdem trage das indische Unternehmen das „Fair Stone-Siegel“, bei dem darauf geachtet werde, dass zum Beispiel keine Kinder im Unternehmen beschäftigt würden und die dortigen Mitarbeiter adäquate Löhne erhielten.

Bei diesem Punkt hat der Geschäftsführer des Deutschen Natursteineverbandes (DNV), Reiner Krug Zweifel: „Vergleichbar ist das mit einem Biosiegel, da gibt es viele Nachahmer“, stellt Krug in Frage, ob bei der Vergabe auch alle Auflagen erfüllt worden seien. „Ich hätte das Zertifikat genau überprüft“, sagt Krug und bemängelt auch den direkten Umweltaspekt. „Ein Schiff stößt de facto viele Tonnen an CO2 aus und fährt mit Schweröl“, gibt er zu bedenken. Er fordert bei den Ausschreibungsverfahren ein Umdenken in der Politik, sodass wieder mehr regionale Unternehmen bei Bauaufträgen zum Zuge kommen. Die Folgekosten, zum Beispiel durch zu erwartenden erhöhten Pflegeauffand, seien aufgrund der Wipperfürther Entscheidung hinsichtlich der Lebensdauer eines Bodenbelages von 30 bis 50 Jahren nun ungleich höher, schätzt der DNV-Geschäftsführer, dessen Verband seinen Hauptsitz in Würzburg hat. 

Die Sicht der Wipperfürther Stadtverwaltung wird auf der Homepage der Stadt dargestellt

Der Geschäftsführer des Deutschen Naturwerkstein-Verbandes, Reiner Krug, äußert sich zu den aktuellen Ereignissen in einer Stellungnahme.  

Kommentar: Alles Grauwacke oder was?
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