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Berlin lässt nach der Pause Gnade walten

pn; 7. Dec 2018, 00:00 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung ---- Gesichter, die Bände sprachen.
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Berlin lässt nach der Pause Gnade walten

pn; 7. Dec 2018, 00:00 Uhr
Gummersbach - Der VfL Gummersbach ist auch im vierten Spiel in Folge völlig chancenlos - 'RPP - Ambulantes Therapie- und Reha-Zentrum' und AggerEnergie präsentieren die Berichterstattung über den VfL Gummersbach.
Von Peter Notbohm


VfL Gummersbach – Füchse Berlin 20:29 (10:19).


Christoph Schindler war mit gutem Beispiel vorangegangen. Farbe bekennen wollte der oberbergische Altmeister gegen die Füchse Berlin. Der VfL-Sportdirektor verfolgte die Partie nicht wie gewohnt von der Tribüne aus, sondern gesellte sich zu den Spielern direkt ans Spielfeld auf die Bank. Mal als Motivator, mal gab er den Tröster für einen an sich verzweifelnden Yonatan Dayan und ließ in Einzelgesprächen sicherlich auch die Erfahrung aus seiner eigenen Karriere einfließen, doch gegen einen ausgebufften Gegner aus der Hauptstadt half auch das wenig. Zwar waren sich Schindler und auch Trainer Denis Bathijarevic nach dem Spiel einig, einen beherzten und keineswegs schlechten Auftritt ihres Teams gesehen zu haben. Wer allerdings die ersten 30 Minuten einer völlig einseitigen Bundesligapartie verfolgt hatte, darf sich doch fragen, gegen wen soll denn eigentlich endlich der dringend benötigte Befreiungsschlag gelingen.


[Stanislav Zhukov erzielte die ersten vier VfL-Tore, konnte damit die Unterlegenheit aber keinesfalls kaschieren.]

Denn letztlich war Gummersbach doch nur ein Spielball völlig überlegener Berliner, die sich nach dem Seitenwechsel sogar den Luxus einer überheblichen zehnminütigen Phase erlauben durften. Bereits die Anfangsminuten gestalteten sich aus VfL-Sicht desillusionierend. Stanislav Zhukov netzte zwar noch zum 1:0 (1.), doch Preuss, Schröter, Norouzi, Sommer und Martinovic trafen in der Folge entweder das Tor gar nicht erst oder scheiterten am bestens aufgelegten Nationaltorhüter Silvio Heinevetter, der beim Abpfiff auf 19 Paraden kam. Berlins 38-jähriger Oldie Hans Lindberg zeigte dagegen, dass er noch längst nicht zum alten Eisen gehört und lief stoisch einen Gegenstoß nach dem anderen zum 2:7-Zwischenstand (8.).


Während die Gäste aber auch aus dem gebundenen Spiel einige sehenswerte Kombinationen zeigten, blieb das VfL-Spiel weiter weitestgehend berechenbar, bieder und konzeptlos. Ein Querpass im Rückraum jagte den nächsten, Tore fielen meist nur aus Einzelaktionen. Fast jeder zweite Angriff der Oberberger wurde von den beiden souveränen Unparteiischen Geipel/Helbig mit dem gehobenen Arm für das passive Vorwarnzeichen bedacht. Aber auch defensiv zerfielen die Gastgeber immer häufiger in ihre Einzelteile, so dass die Würfe auf den bedauernswerten Carsten Lichtlein (3 Paraden) meist völlig frei einprasselten. Bathijarevic probierte über 6:14 (21.) zwar immer neues Personal, richtig frischen Wind brachte aber bis zum 10:19-Pausenstand kein Akteur.


[Moritz Preuss müht sich vergeblich nach einem Abpraller - Über 25 Fehlwürfe und acht technische Fehler verbuchte der VfL.]

In der Kabine schien der VfL-Coach sein Team aber noch einmal bei der Ehre gepackt zu haben. Während Berlin die Partie im Kopf bereits abgehakt hatte, kräftig durchwechselte und sich für kommende Aufgaben schonte, gelang Gummersbach dank einiger Puhle-Paraden (insgesamt 9) ein überraschender 5:0-Run, den Moritz Preuss per Tempogegenstoß zum 15:19 (37.) krönte. Berlins bis dahin quasi erloschener Trainervulkan Velimir Petkovic begann zu rumoren und forderte in seiner Auszeit wieder mehr Seriosität ein. Hans Lindberg löschte das Trainerfeuer aber ebenso schnell und sorgte mit zwei Siebenmetertreffern für das alte Kräfteverhältnis. Berlin ließ sich anschließend auch von der berechtigten roten Karte gegen Mijajlo Marsenic, der Pouya Norouzi heftig am Kopf getroffen hatte, nicht mehr aus der Spur bringen.


Über 17:25 (53.) taten die Gäste bis zum Schlusspfiff das Nötigste, während Gummersbach sich zwar nicht aufgab, aber auch keineswegs mehr zulegen konnte. Ein kleiner Höhepunkt blieb das letzte VfL-Tor von Pierre Busch, der von seinen Mitspielern zumindest dafür frenetisch gefeiert wurde. Jubeln durften die Hausherren zudem über das Ergebnis aus Bietigheim. Der Aufsteiger konnte seine knappe Führung gegen den HC Erlangen nicht über die Zeit retten und bleibt punktgleich mit dem oberbergischen Bundesligadino, für den in einer Woche keine Ausreden und Schönrednereien mehr gelten dürfen. Bei den Eulen aus Ludwigshafen ist ein Sieg Pflicht, ohne Wenn und Aber.


Gummersbach: Stanislav Zhukov (6), Florian Baumgärtner (4), Moritz Preuss (3), Tobias Schröter, Pouya Norouzi (je 2), Pierre Busch, Alexander Becker (je 1), Ivan Martinovic (1/1).


Berlin: Hans Lindbergh (11/4), Mijajlo Marsenic, Frederik Simak (je 4), Tim Matthes (3), Bjark Mar Elisson (2), Fabian Wiede, Jacob Holm, Erik Schmidt, Johan Koch, Paul Drux (je 1).


Strafen
6:4 Minuten (2x Preuss, Schröter – Marsenic (Rot), Simak).


Siebenmeter
1/1 – 4/4 (Martinovic und Lindberg sicher).


Zuschauer
2676.



[Während die VfL-Fans zunehmend resignierten, suchte Christoph Schindler den Kontakt zum Team und gab auf der Bank alles.]

Stimmen
Velimir Petkovic (Trainer Berlin): Natürlich sind wir mit den zwei Punkten zufrieden. Das war heute aber auch unsere Pflicht. Der VfL hat einige verletzte Spieler, wir aber auch. Wir haben nicht den Kopf verloren, eine gute Deckung gespielt und eine gute Einstellung gezeigt. Ich konnte mich heute über drei Rückkehrer freuen, aber man konnte auch sehen, dass sie noch nicht in Form sein können. In der ersten Halbzeit haben wir viele einfache Tore gemacht. In der zweiten Hälfte wollten wir wechseln, waren aber überheblich. Nach zehn Minuten haben wir uns aber wieder gefunden. Ich wünsche dem VfL und meinem Kollegen schnelle Erfolgserlebnisse.


Denis Bathijarevic (Trainer Gummersbach): Glückwunsch an Berlin und Petko. Die erste Hälfte war schon deutlich. Unsere ersten 15 Minuten waren nicht schlecht. Wir haben uns sehr gute Chancen herausgespielt, aber Silvio Heinevetter hat uns insgesamt sieben freie Bälle weggenommen, woraus fünf Gegenstöße resultierten. Dann kam unsere schlechte Phase, weil wir über 30 Minuten einfach nicht das Niveau halten können. Nach der Pause wollten wir aggressiver sein, haben eine 5:1-Deckung probiert, die sich gelohnt hat. Durch die gute Abwehr und Matze Puhle haben wir direkt vier Treffer erzielt, dann aber im Positionsangriff zu schnelle Entscheidungen getroffen, die nicht gut waren. Meine Mannschaft hat bis zuletzt gekämpft.


Volker Zerbe (Sportlicher Leiter Berlin): Ich bin zufrieden, wie wir das Spiel gestaltet haben, bis auf die Phase, die Petko geschildert hat. Silvio Heinevetter hat uns mit seinen Paraden viel Sicherheit gebracht. Die Konzentration gilt nun auf die restlichen Spiele in diesem schweren Dezember.


Christoph Schindler (Sportdirektor Gummersbach): Danke für die aufmunternden Worte. Analysieren muss man das Spiel nicht mehr. Es waren zwei völlig unterschiedliche Hälften. Der Beweis wie man es nicht machen sollte und der wie man es machen sollte. Das ist das, was wir für das nächste Spiel mitnehmen müssen. Wenn man mit neun Toren verliert kann man nicht zufrieden und natürlich spielen wir Handball, um Punkte zu holen, aber das ist der Weg, den wir weitergehen müssen, der uns auch aus dieser schweren Phase führen muss. In Ludwigshafen geht es nicht um Taktik oder verletzte Spieler, sondern um Einstellung und Zusammenhalt. Die Jungs haben – ich kann es nur wiederholen - gut trainiert. Wir müssen da alle zusammen durch und werden irgendwann dieses Erfolgserlebnis haben, was für den Kopf enorm wichtig ist.
  
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