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Ateliers gewährten exklusive künstlerische Einblicke

us; 4. Nov 2018, 18:15 Uhr
Bilder: Ute Sommer --- Barbara Pabst vor einem ihrer neueren Werke mit kosmischem Bezug.
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Ateliers gewährten exklusive künstlerische Einblicke

us; 4. Nov 2018, 18:15 Uhr
Oberberg - Mit der Initiative „Offenes Atelier Oberberg“ bietet die Engelskirchener Kulturinitiative EngelsArt eine Plattform, auf der 38 Künstler der Region an diesem Wochenende ihre Arbeiten im kreativen Schaffensumfeld präsentierten und mit Besuchern in Austausch traten.
Von Ute Sommer

Ist die Buchbinderei mehr Handwerkskunst oder Kunsthandwerk? Mit Betreten der Werkräume von Karsten Heider in Ründeroth beantwortet sich die Frage von allein, denn in Wandregalen, im Bücherschrank und auf dem Tisch konkurrieren zahlreiche, attraktive Kunstgegenstände in Buchform um die Aufmerksamkeit des Betrachters. Ob groß oder kleinformatig, voluminös oder schmaler, bei allen Druckerzeugnissen seiner großen Sammlung handelt es sich um Einzelstücke, in denen sich ausgewählte Materialien mit eigenwilliger Gestaltung und individueller Haptik zu einem unkonventionellen Buch-Gewand miteinander verbinden.


"Wenn ich mit dem Buch fertig bin, ist es keine Leseausgabe mehr", erläutert der Buchbinder-Künstler Karsten Heider, der im Haupterwerb zusammen mit Partnerin Anke Ahle ein Antiquaritat unterhält. Als Ründerother verweist der Kunsthandwerker stolz auf die Tradition seines Geburtsortes, beherbergte der Engelskirchener Ortsteil mit der Geschäftsbücherfabrik Gustav Jaeger bis 1973 doch die führenden Bücherproduzenten Deutschlands. Solchermaßen ebenfalls aufgewachsen in einer Buchbinderfamilie absolvierte der 49-Jährige zunächst eine Ausbildung zum Buchhändler, bevor er vor rund 15 Jahren seine Begabung für das klassische Kunsthandwerk entdeckte und anfangs mit Hilfe seines Vaters, später als Autodidakt weiterentwickelte.


[Die Heidersche Buchkunst-Sammlung.]

"In früheren Zeiten war jedes Buch einzigartig, erst mit der Industriealisierung wurde es zur Massenware", verweist er auf die jahrhundertealte Geschichte des Bucheinbands, die in heutigen Zeiten fast in Vergessenheit geraten ist. "Man benötigt ein feines Gespür für Materialien und Farben", erklärt der Fachmann das angestrebte Gleichgewicht zwischen ästhetischer Optik und sinnlicher Haptik. Mittels edler Werkstoffe wie Schlangenhaut, Straußenfuß- und Fischleder, Pergament, Leinen oder selbst gestaltetem Acrylmotiven verwandeln sich rare Sondereditionen, Erstausgaben, Handschriften oder limitierte Exemplare unter Verwendung von Presse, unterschiedlichen Schrift-Sätzen, Falzbeinen, Vergoldewerkzeugen, Schärfmesser und Streicheisen in unvergleichliche Unikate, die nirgends auf der Welt Entsprechung finden.

Etwa eine Woche Arbeit investiert Karsten Heider so in den künstlerischen Handeinband eines Werkes, wie in die 2004 erschienene, mit Illustrationen von Rockwell Kent gestaltete, 1000 Seiten umfassende Ausgabe des Literaturklassikers "Moby Dick" von Herman Melville. Der exakt passgenaue, Schaumkronen-umtobte Buchschuber bewahrt die, in wasserblauem, nigerianischem Oasenziegenleder gebundene Publikation vor Beschädigungen und bietet Standsicherheit im Regal. Auf dem Buchdeckel steigen eingeprägte Bläschen empor zum Buchtitel, der ebenfalls in Wellenform ins meerfarbene Leder eingeprägt wurde. Den Buchrücken aus hellem Leinen ziert eine asymmetrische blaue Fischlederintarsie, in den Innendeckeln erwecken Papierapplikationen den Anschein, als sei Wasser eingedrungen. Durch die zeitaufwändige, kreative Bearbeitung vollzieht sich so die Metamorphose des bloßen Druckerzeugnisses zum Kunstwerk und vervielfacht den Wert des Buches leicht auf mehrere Hundert Euro. 


[Heftlade, Prägepresse, Vergoldewerkzeuge und Schärfmesser als Werkzeuge der Buchbinderkunst.]

"Liebe Freunde der Kunst, ich freue mich über anregende Gespräche und neue Bildideen-nur Mut, das gesamte Wohnhaus ist geöffnet". Besucher, die der freundlichen Einladung im Gästebuch der Engelskirchener Künstlerin Barbara Pabst beim Wochenende des "Offenen Ateliers Oberberg 2018" nachkamen, erlebten so einen anregenden Galeriebesuch mit fachkundiger Führung durch die Künstlerin selbst. Diese exklusive Gelegenheit nutzen auch die Hülsenbuscher Petra Natzke und Rainer Grotzki um sich ein Bild über die heimische Schaffenszene zu machen. "Tolle Kunst liegt vor unserer Türe und es ist faszinierend, was es alles zu sehen gibt", lobten sie die Aktion "Offene Ateliers", bei der sie nach Besuch von zwei Künstlerwerkstätten als dritte Station bei Barbara Pabst zu Gast waren.


[Auch gegenständliche Werke von Barbara Pabst zeigen professionelles Können und künstlerische Akkuratesse.]

Im Ambiente ihres historischen Fachwerkhauses aus dem 18. Jahrhundert präsentierte diese auf mehreren Etagen eine Vielzahl von Öl-und Ölkreidewerken, Aquarellen, Bildern mit Acrylfarben oder Kohlezeichnungen aus unterschiedlichen Schaffensphasen. "Malerei und Kunst waren immer schon das, wofür ich gebrannt habe", erläutert die Malerin, die nach Pädagogikstudium und Familienarbeit im Alter von 40 Jahren erneute Kunststudien an den Hochschulen Köln und Düsseldorf aufnahm. Auf der Suche nach ihrer eigenen "Kunst-Idee" eröffneten ihr die erneuten Lehrjahre und der Kontakt zum Brüsseler Galeristen Francois Wachters neue künstlerische Inspirationen und die metaphysische Bedeutung von Toren, Türen und Durchgängen, als Verbindung in andere Räume oder das Übertreten von (letzten) Schwellen wurden zum Antrieb ihres Schaffens.

Weder in gegenständlicher noch in abstrakter Darstellung greift sie immer neu Werden und Vergehen, den Kreislauf des Lebens und die Transformation des Seins auf. Als ständig wiederkehrende Zeichen weisen durchscheinende Hieroglyphen und X-förmige Symbole auf unbekannte und unerklärliche menschliche Erfahrungsbereiche hin. Eine weitere Konstante ihrer Arbeit ist es, dass sämtliche Werke stets ohne Titel bleiben, denn, "der Betrachter soll selbst gedanklich im Bild spazieren gehen".

Begründet durch den plötzlichen Tod ihres Sohnes im Jahr 2016 stellte sich ihr eine außerordentliche Lebensherausforderung, in deren Folge zwar Mal-und Zeichentechnik beibehalten wurden, sich die Bildsujets aber radikal austauschten. Neuere Werke haben kosmische Bezüge, weisen mit schwarzen Löchern und taumelnden Planeten auf Welten, die sich dem menschlichen Begreifen entziehen. "Die spannende Frage ist stets, wann ein Bild so richtig fertig ist, denn auch ich bin immer auf dem Weg.“
  
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