Archiv

Suche nach Gemeinschaft führt nach Bierenbachtal

fj; 16. May 2018, 10:50 Uhr
Bilder: Fenja Jansen --- Für ihre Informationstreffen darf die Gemeinschaft Haus Bierenbach die Gebäude bereits nutzen. Evelies Schürg und David Ries begrüßten die Interessierten gemeinsam mit ihren Kindern.
ARCHIV

Suche nach Gemeinschaft führt nach Bierenbachtal

fj; 16. May 2018, 10:50 Uhr
Nümbrecht - In Bierenbachtal soll ein Mehr-Generationen-Wohnprojekt entstehen: Die „Gemeinschaft im Haus Bierenbach“ möchte hier eine neue Heimat für eine ‚selbstgewählte Großfamilie' finden – Initiatoren: Wir sind weder Sekte noch Kommune.
Unter vielen Menschen allein, so fühlten sich Evelies Schürg (33) und David Ries (37) nach der Geburt ihres ersten Sohnes zunehmend in ihrer Heimatstadt Köln. „Wir haben uns nach der Geborgenheit einer Gemeinschaft und Nähe zur Natur gesehnt“, erklären die jungen Eltern. Diesen Traum wollen sie sich nun – gemeinsam mit Gleichgesinnten – in Nümbrecht-Bierenbachtal erfüllen. Hier steht das Haus Bierenbach, nachdem es zuletzt vom Oberbergischen Kreis als Flüchtlingsunterkunft genutzt wurde, seit September 2016 leer. Errichtet wurde es 1957 als Erholungs- und Bildungsstätte samt Kapelle und Gästehaus, bis heute ist es Eigentum des Evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf.


[Auf dem Gelände von Haus Bierenbach steht auch eine Kapelle. Sie könnte demnächst als Veranstaltungsort zu neuem Leben gelangen.]

Schon bald könnte das Haus den Besitzer wechseln und Heimat der „Gemeinschaft im Haus Bierenbach“ werden. So nennt sich der Verein, den die jungen Eltern gemeinsam mit Gleichgesinnten gegründet haben, und die Kirchenimmobilie in Nümbrecht zu seinem neuen Lebensmittelpunkt machen möchte. „Auf der Suche nach einem Ort, an dem unsere Gruppe ihre Vision von einem Leben in Gemeinschaft verwirklichen kann, sind wir auf das Haus aufmerksam geworden“, erklärt Ries, der als Lehrer an der Freien Schule Berkenroth arbeitet. Derzeit acht feste Mitglieder hat der Verein, der nun auf der Suche nach weiteren Menschen ist, die sich ebenfalls ein Leben als Teil der Gemeinschaft im Haus Bierenbach vorstellen können.

Bei dieser handelt es sich weder um eine Sekte noch um eine Kommune: „Wir sind konfessionslos und verfolgen keine politischen Interessen“, stellt Evelies Schürg klar. Stattdessen stünden Werte wie persönliche Weiterentwicklung, das Zusammenwachsen als Gruppe und gegenseitige Wertschätzung und Achtung im Mittelpunkt. „Unsere Gemeinschaft ist eine ‚gewählte‘ Großfamilie, eine Gemeinschaft, die die Lebensqualität für alle erhöht, sich in das umliegende Dorf integriert und in die Region ausstrahlt“, heißt es dazu auf der Internetseite.


[Auf dem 33.000 Quadratmeter großen Gelände will die Gemeinschaft Werkstätte, Ateliers, einen Laden, ein Café, ein Bildungszentrum und mehr entstehen lassen.]

Einen besonderen Stellenwert sollen dabei die Kinder in der Mehr-Generationen-Gemeinschaft einnehmen. „Wir Erwachsenen bilden ein Netz, das die Kinder der Gemeinschaft trägt, und schaffen ihnen ein Umfeld, das ihren Bedürfnissen entspricht. Die Gemeinschaft ist das direkte Lebensumfeld der Kinder, hier wachsen sie auf, sie ist ihr ‚Dorf‘, ihr ‚Clan‘“, heißt es dazu. Durch mehrere Stunden Arbeit, die pro Woche für die Gemeinschaft verrichtet werden, bringen sich die einzelnen Mitglieder in die Gruppe ein. „Je nach Neigung kann es sich dabei beispielsweise um die Kinderbetreuung, Küchendienste oder auch die Übernahme von Verwaltungsaufgaben handeln“, erklärt Ries.


[Evelies Schürg (33) und David Ries (37) sind die Initiatoren des Projekts, betonen aber: „Ohne das Mitwirken der andern Vereinsmitglieder wären wir nie so weit gekommen!“]

Wohnen sollen die Mitglieder der Gemeinschaft, die innerhalb der nächsten Jahre auf bis zu 60 Erwachsene und Kinder anwachsen soll, in insgesamt 20 Wohneinheiten auf dem Gelände. Dazu werden vorhandene Gebäude renoviert, aber auch Neubauten kann sich der Verein vorstellen. „Wir wollen ein Dorf im Dorf werden“, erklären die jungen Eltern. Dazu sollen ebenfalls ein Café, ein Hofladen und ein Bildungszentrum für alle Generationen entstehen. Hier soll es Angebote zu Themen wie Familie, nachhaltige Lebensweise, Kultur und mehr - nicht nur für die Mitglieder der Gemeinschaft - geben. Daneben sollen kulturelle Veranstaltungen stattfinden, „so könnte die Kapelle wieder belebt werden“, so Ries. Werkstätte, Ateliers und Nutzgärten sollen ebenfalls auf der 33.000 Quadratmeter großen Anlage entstehen.



Vorbild für die Gemeinschaft, die in Bierenbachtal entstehen soll, ist die Lebensgemeinschaft Schloss Tempelhof im Landkreis Schwäbisch Hall, mit deren Mitgliedern Ries und seine Gruppe im engen Austausch stehen. Auch diese hätte in Nümbrecht gern eine eigene freie Schule gegründet, was jedoch abgelehnt worden sei. „Wir streben dafür eine enge Kooperation mit der Freien Schule Berkenroth an“, so Ries.

Um dies alles zu ermöglichen, wollen die Gründer des Vereins „Gemeinschaft im Haus Bierenbach“ eine Genossenschaft ins Leben rufen: Jedes Mitglied zahlt einen Genossenschaftsanteil, mit diesem Kapital soll der Kauf des Geländes und der hier stehenden Gebäude - die dadurch zu gemeinschaftlichem Besitz werden - sowie die Renovierung der Gebäude bezahlt werden. Seinen eigenen Wohnraum mietet dann jeder von der Genossenschaft, daneben wirtschaften alle Teilnehmer für sich selbst, so die Pläne. Das Bildungszentrum soll ebenfalls als gemeinnütziger Betrieb geführt werden. „In diesem Zusammenhang freuen wir uns auch über unterstützende Mitglieder, die zwar nicht hier einziehen, durch ihre Beiträge aber die gemeinnützigen Projekte auf dem Gelände unterstützen wollen“, erklärt Ries.

[Die vorhandenen Gebäude sollen renoviert werden und als Wohneinheiten und Gemeinschaftsflächen dienen.]

Über all diese Pläne informierten die Vereinsmitglieder kürzlich auf einem Informationstreffen und viele waren gekommen, um zuzuhören: Über 30 Menschen hatten sich versammelt. Dem einen war das eigene Haus nach dem Auszug der Kinder zu groß geworden, der andere war auf der Suche nach einer alternativen Wohn- und Lebensweise für sich und seine Familie, ihnen allen gleich war der Wunsch nach Gemeinschaft. Auch eine Anwohnerin aus Bierenbachtal hatte sich zu der Gruppe gesellt. „Ich wollte mal hören, was hier passieren soll, um den Dorfklatsch zu beruhigen“, sagt sie augenzwinkernd und fügt ernster hinzu: „Ich finde es gut, dass das Gelände wieder mit Leben gefüllt wird. Wenn dann noch ein Café und ein Ort für Veranstaltungen entstehen, tut das dem ganzen Ort gut“, findet sie und sagt, dass sie mit dieser Meinung nicht alleine in der Nachbarschaft ist. Viele würden sich auf die Gemeinschaft freuen. Diese hat nun bis September Zeit zu prüfen, ob sie das Anwesen tatsächlich kauft und ihre Pläne in die Tat umsetzt. Bis dahin räumt der Kirchenkreis dem Verein „Gemeinschaft im Haus Bierenbach“ ein Vorkaufsrecht ein.

Weitere Informationen unter www.gemeinschaft-haus-bierenbach.de.
WERBUNG