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'Kulturschock': Vom Fasching zum Karneval

ls; 13. Feb 2018, 14:45 Uhr
Bilder: Leif Schmittgen --- Birgit (li.) und Lisa Windmüller aus Schwäbisch-Hall erlebten ein buntes Karnevalswochenende im Oberbergischen.
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'Kulturschock': Vom Fasching zum Karneval

ls; 13. Feb 2018, 14:45 Uhr
Oberberg – Wie erlebt man als Faschingsnarr Karneval? Wir haben zwei Schwäbinnen während der jecken Tage in Oberberg begleitet.
Von Leif Schmittgen

Der Zug, in dem Birgit und Lisa Windmüller aus Schwäbisch-Hall ins Rheinland reisen, ist proppenvoll mit verkleideten Karnevalisten. „Die feiern ja schon in der Bahn“, ist Birgit sehr angetan von der guten Stimmung, die schon viele Kilometer vor ihrem Zwischenziel Köln aufkommt. Angekommen am Hauptbahnhof der Domstadt, ist das Mutter-Tochter-Gespann aus Baden-Württemberg plötzlich mitten im Getümmel von tausenden Verkleideten. Es ist nämlich Weiberfastnacht und der Straßenkarneval in Köln hat eben begonnen. Schnell werden also die Reisetaschen im Schließfach verstaut und los geht es über die Domplatte in Richtung Heumarkt, wo sie im Epizentrum des Kölner Karnevals stehen und gleich infiziert sind: „Der Wahnsinn: Hier ist ja an jeder Ecke mehr los, als in jedem Festzelt bei uns“, gerät Lisa ins Schwärmen.

[Noch mal schnell Nachschminken heißt es für die beiden Schwäbinnen im Denklinger Festzelt. Gleich geht die Party los.]

Gegen Abend machen sich die Schwäbinnen dann auf den Weg in die Kreisstadt Gummersbach, wo sie bei Freunden ihr Quartier für die nächsten Tage beziehen. Sie sind noch so gut in Stimmung, dass sie sich spontan entscheiden, bei der Weiberfastnachtsparty der Feuerwehr in Gummersbach-Rebbelroth vorbeischauen: Während dort DJ Roland Reh mit kölschen Tönen so richtig einheizt, stürmen sie in die tanzende Menge und erleben kurz darauf den ersten Hammer: „Ich habe noch nie gesehen, dass Tänzerinnen beim Einmarsch auf den Schultern getragen werden. Das ist ein Kulturschock für mich“, staunt die 23-jährige Lisa, als die Denklinger Karnevalisten in den Saal einmarschieren.


Und genau mit jenen Denklingern soll es ein schnelles Wiedersehen am Karnevals-Samstag geben. Die Mädels checken nämlich bei der großen Prunksitzung am Karnevalssamstag im Kreissüden ein, nachdem sie sich am Freitag eine Pause gegönnt hatten. Und prompt folgt sofort der nächste Kulturschock: Gleich zu Beginn hält es im Festzelt beim Auftritt der „Klüngelköpp“ niemanden mehr auf den Bänken und die Stimmung ist sofort auf dem Siedepunkt. „Der Wahnsinn!“, sagt Birgit Windmüller: „Sowas habe ich noch nicht erlebt“. Nach anfänglichem Zögern und Staunen haken sich die Mädels schnell bei den „Einheimischen“ ein und schunkeln bei „Ciao Bella“ und „Mir sin jedäuf, met 4711“ kräftig mit. Man kenne die Lieder auch in Süddeutschland, doch textsicher sind Schwäbinnen noch nicht so ganz. Was heißt eigentlich „jedäuf“? Ein Blick ins Kölsch-Deutsche Wörterbuch auf dem Handy von Lisa bringt schnell Aufklärung: „Ah, getauft“, freuen sich beide, dass der Text des Karnevalshits nun für sie auch Sinn ergibt.


[Kräftig geschunkelt wurde  bis in die späten Abendstunden.]

Auch Franz Josef „Juppi“ Steinfort vom Vorstand der KG Rot-Weiß Denklingen hat Wind davon bekommen, dass zwei Gäste aus Süddeutschland im Saal sind und erkundigt sich, ob die Schwäbinnen denn schon richtig „jeck“ seien. Eine verbale Antwort brauchen sie ihm gar nicht geben, denn er beobachtet, wie die Windmüllers die „Burgmäuse“ - die Kindertanzgruppe der KG - klatschend beim Einmarsch empfangen. „Es ist richtig toll, was die Kleinen hier schon leisten“, lobt die 49-jährige Birgit und ist restlos begeistert vom Gardetanz der Minis sowie auch vom Rest der Prunksitzung. „Ich habe es mir ganz anders vorgestellt, aber es ist absolut genial hier“ bilanziert Birgit, nachdem sie viele Livebands und vor allem auch „tolle Tanzgruppen“ gesehen hat. Sie hätte sich bei einer Prunksitzung mehr Büttenredner gewünscht, so kenne sie es nämlich aus dem Fernsehen. Das Schöne aber sei, dass man im Gegensatz zu den Festen in ihrer Heimat ausschließlich Karnevalsmusik höre und auf gängige Partylieder gänzlich verzichte.

Am Sonntag steht bei den inzwischen total raderdollen Mädels dann eine kurzzeitige Trennung an. Während sich Lisa zum Besuch des Karnevalszuges in Ründeroth entscheidet, zieht es Mutter Birgit nach Lindlar. „So bekommen wir unterschiedliche Eindrücke“, begründet Lisa. Schüchtern ist keine der beiden und Birgit ist mit der Lindlarer Zugleitung schon vor dem Start des Umzuges schnell auf Du und Du: Fragen, wie so ein Großereignis überhaupt organisiert wird und wie der Zug dann abläuft, beantwortet Zugleiter Manfred Scholz und drückt ihr gleich noch ein „Schokolädchen“ in die Hand. Vor der Kirche genießt sie anschließend den Umzug und heimst naturgemäß noch jede Menge Kamelle ein.


[Zugleiter Manfred Scholz stand gerne für Fragen rund um den Karvevalszug zur Verfügung.]

Anders als erwartet, läuft es bei Lisa: In Ründeroth angekommen, verzögert nämlich ein Bahnunfall den Start des Karnevalszuges um etwa eine Stunde. Die Zeit des Wartens geht für Lisa aber schnell vorüber, denn sie kommt mit vielen Jecken schnell ins Gespräch und genießt schließlich den Umzug. Am Sonntagabend findet reger Erfahrungsaustausch zwischen den beiden statt. „Bei uns werden die Zuschauer mehr in den Zug integriert, während man hier eher Zaungast ist“, so Lisa. Es sei aber trotzdem sehr schön, denn die Kostüme seien hier viel bunter, im Schwäbischen würden eher Hexen und Geister dem Winter symbolisch den Garaus treiben. Auch die toll geschmückten Wagen beeindrucken sie gleichermaßen.
 
[Das Warten auf den Zug war kurzweilig. Im Gespräch mit den Jecken sammelte Lisa viele Eindrücke und genoss anschließend den vorbeiziehenden Tross.]

Die neue Woche startet am Rosenmontag bereits sehr früh am Morgen. Ziel für die zwei Jecken ist nämlich der Karnevalsumzug in Köln. „Wir wollen früh da sein, damit wir möglichst nah am Geschehen sind“, meint Lisa. Vor dem Dom haben sie dann auch schnell ein Plätzchen in den vorderen Reihen ergattert und sind sogar so nah dran, dass sie jede Menge „Strüßjer und Bützjer“ und von den Zugteilnehmern einheimsen. Am Dienstagmorgen geht es schließlich wieder in die Heimat: Würden sie wiederkommen? „Jaaaa, auf jeden Fall“, sagt Lisa und auch Mama Birgit ist vom rheinischen Karneval angetan: „Das war ein tolles Erlebnis, an das wir noch lange denken werden“, resümiert sie ihre Eindrücke von ihrem ersten Besuch bei den Festtagen in Oberberg und Köln.  
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