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Gedenken an die Opfer der NS-Terrordiktatur

us; 29. Jan 2018, 10:15 Uhr
Bilder: Ute Sommer --- Sollte nicht endlich ein Schlussstrich gezogen werden oder ist das Gedenken an die Schrecken des Nationalsozialismus unentbehrlich für gelingende Zukunft? Abraham Lehrer hielt ein flammendes Plädoyer für lebendige Erinnerungskultur.
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Gedenken an die Opfer der NS-Terrordiktatur

us; 29. Jan 2018, 10:15 Uhr
Nümbrecht - Anlässlich des 'Tages zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus' gestalteten Schüler des Homburgischen Gymnasiums eine beeindruckende Feierstunde, in deren Mittelpunkt die Ansprache von Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, stand (AKTUALISIERT).
Von Ute Sommer

Am 27. Januar 1945 wurden die Gefangenen des Konzentrationslagers Auschwitz von Soldaten der Roten Armee befreit, das Vernichtungslager gilt als Synonym für NS-Rassenwahn und industrialisierten Massenmord. Auf Initiative des Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog wird dieser Tag seit 1996 als nationaler Gedenktag gefeiert, der seither jährlich in Nümbrecht begangen wird. Der Einladung des Freundeskreises Mateh Yehuda und der Gemeinde waren auch diesmal zahlreiche Gäste aus Bürgerschaft, Kirchen und Politik ins Foyer des Rathauses gefolgt.

Angesichts der stetig zurückgehenden Zahl von Zeitzeugen und derzeit 28 weltweit andauernder Kriege, sei der Stellenwert der Feierstunde gar nicht hoch genug zu bewerten, unterstrich Bürgermeister Hilko Redenius in seiner Begrüßung. Als Teilnehmer der Geschichts-Studienfahrt, die sie im November 2017 ins polnische Krakau führte, berichteten Fynn Johanns und Melissa Roxanne Hebold, Oberstufenschüler des Homburgischen Gymnasiums Nümbrecht (HGN), über interessante Einblicke in jüdisches Alltagsleben, wie Besuche in Synagogen und Gespräche mit Kriegsüberlebenden. "Mit dem Besuch von Auschwitz lebten die Schrecken des Nationalsozialismus direkt vor unseren Augen auf. Uns wurde bewusst, dass wir Verantwortung vor Gott und den Menschen tragen, dass sich diese Zeit niemals wiederholt", mahnten die Jugendlichen.  


Ausgehend vom jüdischen Erbe der Gemeinde Nümbrecht und der unfassbaren Opferzahl von mehr als sechs Millionen Ermordeten stellte Referent Abraham Lehrer, Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln, Vorstandsvorsitzender der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Frage nach dem angemessenen Umgang mit dem Holocaust. Fast jede jüdische Familie, egal wo auf dieser Welt, habe Verlustschmerz ertragen müssen, leide bis heute an den Folgen des NS-Horrors. Obwohl die Erinnerung an die Opfer der Shoah heute einen festen Platz in Deutschland habe und zur Grundlage politischen Lebens gehöre, werde Geschichtsvergessenheit zunehmend populärer und komme aus der Mitte der Gesellschaft. "Die AfD sitzt im Parlament und fordert ein Ende des ‚Schuld-Kultes‘, bezeichnet das Berliner Holocaust-Mahnmal als ein ‚Denkmal der Schande‘“, so Lehrer.  


[Zusammen mit Abraham Lehrer, der sich nach Ende der Feierstunde ins Goldene Buch eintrug, gestalteten Marion Reinecke, Vorsitzende des Freundeskreises Nümbrecht/Mateh Yehuda (v.li.), Medea Krassowka, Mariella Barf, Fynn Johanns und Melissa Roxanne Hebold eine würdige Gedenkveranstaltung.]

Latent wachsender Antisemitismus sei allerdings kein explizit deutsches Phänomen, sondern mache sich im globalen politischen Klima bemerkbar. "Niemand wird schuldig geboren, doch wer die Vergangenheit vergisst, wird verantwortungslos gegenüber der Zukunft“, forderte Lehrer, eine lebendige Erinnerungskultur zu pflegen. "Das Wissen um die Shoah fördert die Achtung vor der Menschenwürde und der individuellen Freiheit.“

Als wichtigste Basis der Demokratie bezeichnete er die Akzeptanz von Minderheiten und Andersdenkenden und zeigte sich dankbar für Menschen, die auch 70 Jahre nach Kriegsende immer noch Zeugnis ablegten um solche Völkermord-Katastrophen künftig zu verhindern. Am Ende der eindrücklichen Gedenkveranstaltung trug sich Abraham Lehrer ins Goldene Buch der Gemeinde ein.

Stellvertretend für die Kirchen versicherte Pastoralreferent Michael Grüder, dass alle Christen und Nümbrechter an der Seite ihrer jüdischen Mitbürger stünden und trug Verse aus den Trost-und Dankpsalmen 77 und 124 vor. Für den musikalischen Rahmen der Veranstaltung zeichneten die HGN-Schülerinnen Mariella Barf und Medea Krassowka sowie das Ensemble „Shoshan“ verantwortlich.   
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