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Jeck und populär auch nach 125 Jahren

bv; 8. Jan 2018, 16:34 Uhr
Bild: Bernd Vorländer --- Sehen die KG Närrische Oberberger auf einem guten Weg (v.li.): 1. Vorsitzender Armin Gries, Kinderprinzenführer Andreas Reif und Senatspräsident Reinhold Müller.
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Jeck und populär auch nach 125 Jahren

bv; 8. Jan 2018, 16:34 Uhr
Engelskirchen – Die KG Närrische Oberberger aus Engelskirchen feiert ihr Jubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen und muss sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen.
Von Bernd Vorländer

Natürlich hat sich vieles verändert: Die vergangenen 125 Jahren beinhalteten derart viele Zeitsprünge, menschliches Leid, Neuerungen, dass sich auch ein Jubiläumsverein den Zeiten anpassen und neuen Herausforderungen stellen muss. Doch eines ist in Engelskirchen geblieben – Liebe und Wertschätzung des Fastelovends, was man erst so richtig erkennen kann, wenn man einmal tief eintaucht in den bunten Knubbel kostümierter und gut gelaunter Jecken, sich treiben lässt von dem berauschenden Gefühl einer Sitzung, das Programm genießt, mit Freunden feiert und den Alltag für einige Stunden hinter sich lässt. Karneval am Leppe- und Aggerstrand in Engelskirchen war indes immer schon mehr als lediglich die Aneinanderreihung von Veranstaltungen, sondern ein Lebensgefühl, mit dem man sich und andere begeisterte. „Vieles hat sich gewandelt, aber das Wissen, mit dem Karneval so viele Menschen glücklich machen zu können, das ist geblieben und gibt uns allen ein hohes Maß an Zufriedenheit“, sagt Armin Gries, 1. Vorsitzender der KG Närrische Oberberger, die mit fast 20 Veranstaltungen in ihre Jubiläumssession gehen.

Schon vor dem eigentlich überlieferten Gründungsjahr 1893 hatten sich die ersten unverdrossenen Jecken im Engelskirchener Hotel Guilleaume, dem späteren Kaiserhof, zusammengesetzt und einen Karnevalsverein gegründet – mit einem damals besonderen Namen. Ziel war es, den „wilden“ und ungeordneten Karneval in Bahnen zu lenken. Und man gab sich als „Carnevals-Gesellschaft“ den Beinamen „Närrische Oberberger“. Ob man damit zeigen wollte, in der Region erster Karnevalsverein am Platze zu sein oder man vielmehr die eher „drögen“ Oberberger persiflieren wollte, ist bis heute unklar. „Mit dem Karneval schuf man ein Ventil für die Menschen, denn Engelskirchen war zu dieser Zeit nicht nur streng katholisch, sondern auch bettelarm“, erklärt Senatspräsident Reinhold Müller. Jedenfalls war die KG ihrer Zeit weit voraus, denn erst mit der kommunalen Neuordnung 1975 verließ die Gemeinde den rheinisch-bergischen Kreis und formierte fortan als oberbergische Kommune.


Jeck sind die Engelskirchener bis zum heutigen Tag, auch wenn der Karneval inzwischen zu einer Ganzjahres-Angelegenheit geworden ist. Der 23-köpfige Vorstand arbeitet immer noch ehrenamtlich, verantwortet inzwischen jedoch ein kleineres Wirtschaftsunternehmen. „Die Ansprüche der Besucher unserer Sitzungen sind enorm gewachsen und wir müssen das Vertrauen, das uns mit dem Kauf jeder Karte entgegengebracht wird, jedes Mal neu rechtfertigen“, sagt Armin Gries. Doch die Programme können sich sehen lassen, schließlich hat man die Beletage des rheinischen Karnevals zu Gast. 200 Aktive der KG sorgen auf, neben und hinter der Bühne dafür, dass die Gäste begeistert, versorgt, betreut und beschützt werden. Der bürokratische Aufwand ist enorm, inzwischen benötigt man Spezialwissen, um alle Anträge ordnungsgemäß auszufüllen und den Gesetzen Genüge zu tun. Gerade für die Umzüge am Karnevalswochenende gilt es, zig Kleinigkeiten zu bedenken. „Vieles ist ja auch sinnvoll, aber die Behörden sollten erkennen, dass sie es mit Ehrenamtlern zu tun haben. Wir Deutsche neigen nun mal leider zur Überregulierung“, sagt Reinhold Müller.

Doch immer noch überwiegt der Spaß an der Freud bei weitem, auch bei denjenigen im Jubiläumsverein, die die Verantwortung schultern. „Sonst würde man das ja gar nicht machen“, sehen Gries, Müller und auch Kinderprinzenführer Andreas Reif auch die sozialen Aspekte des rheinischen Fastelovends. Sie alle berichten über berührende Besuche in Altenheimen, Behindertenwerkstätten oder Kindergärten, in denen sie mit freudestrahlenden Gesichtern für manche hektische Stunde entschädigt werden.

Nachwuchssorgen muss man sich bei der KG nicht machen. Andreas Reif hat eine Kinderprinzen-Warteliste bis 2022, bei den Prinzessinnen sogar bis 2025. Kindertanzgruppen und Kinderelferrat wachsen. „Viele bekommen den Fastelovend von Eltern und Großeltern quasi schon in die Wiege gelegt“, meint Reif, der eine besondere Beobachtung gemacht hat: „Wenn die Kinder ihre KG-Uniform anziehen, ist sogar das geliebte Handy unwichtig.“ Mit der Gruppe Juks (Junge Karnevalisten) hat man die Lücke beim jugendlichen Karnevalisten-Nachwuchs als Bindeglied zur Gesellschaft geschlossen. Hier weiter Pflöcke einzuschlagen, sieht Armin Gries als wichtige Zukunftsaufgabe an. „Wir müssen den Nachwuchs finden, der künftig Verantwortung im Vorstand übernimmt und so den Generationswechsel gestalten.“  

Doch jetzt steckt man zunächst einmal mitten in der Session, in der Tausende zu den Sitzungen, gar Zehntausende zu den Zügen erwartet werden. „Wir freuen uns auf den Trubel“, sagen die drei KG-Karnevalisten übereinstimmend. Auch wenn die kommenden Wochen wieder einmal hart werden.
  
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