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Wie „Fönix“ aus der Asche

bv; 30. Aug 2017, 16:45 Uhr
Bilder: Bernd Vorländer --- Im heimischen Stadion wird häufig und hart trainiert - Weltmeistertitel sind kein Zufallsprodukt.
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Wie „Fönix“ aus der Asche

bv; 30. Aug 2017, 16:45 Uhr
Lindlar – Zu Besuch bei der Doppelweltmeisterin – Mit ihrem Mann Haukur leitet Johanna Tryggvason den isländischen Pferdehof Hestalindin in Lindlar.
Von Bernd Vorländer

So sehen also Doppelweltmeister aus. Auf der einen Seite der braune Vierbeiner mit dem kräftigen Körperbau, der wuscheligen Mähne, dem ausdrucksstarken Kopf. Dort die Amazone, die mit dem gebürtigen Isländer enormen sportlichen Erfolg hat. Sie ist das komplette Gegenteil: Grazil, blond, aber der Willen ist genauso ausgeprägt. Beide bilden zusammen eine Symbiose großer Leistungsbereitschaft und von entschlossenem Siegeswillen. Johanna Tryggvason hat vor wenigen Wochen mit ihrem „Fönix“ bei den Welttitelkämpfen der Islandpferde in den Niederlanden zweimal das Weltmeister-Prädikat errungen und alle Konkurrenten auf die Plätze verwiesen. Wer ist also dieses Duo, das schon 2015 auf dem Treppchen der WM ganz oben stand? Tryggvason empfängt den Besucher auf dem heimischen Hof Hestalindin in Lindlar mit einem freundlichen Lächeln, bittet in einen der Ställe - und neugierig beäugt „Fönix“ den schreibenden Menschen, der unvermittelt vor ihm steht. Der Weltmeister darf sich erst einmal ausruhen. Ruhm und Ehre hat er seinem Hof und natürlich seiner Reiterin gebracht.


[Ein erfolgreiches Trio: Johanna und Haukur Tryggvason mit "Fönix".]

Mit ihrem Ehemann Haukur, der ebenfalls ein seit vielen Jahren erfolgreicher Reiter ist, bewirtschaftet Johanna Tryggvason seit fünf Jahren das Trainingszentrum und den Ausbildungsstall für Islandpferde im Lindlarer Ortsteil Hartegasse. Aufgewachsen ist die Weltmeisterin im Schwarzwald, wo ihre Eltern einen Pferdehof führen. Nach dem Abitur führte sie ihr Weg nach Island, wo eine Ausbildung zur Pferdewirtin folgte. „Ich hatte hervorragende Lehrmeister und Trainer. Das hat mir später sehr geholfen“, sagt die 35-jährige, die auf der Insel ihren späteren Mann kennenlernte. Gemeinsam machte man sich im Schwarzwald selbständig, die Finanzkrise beendete den Wunsch von einer Rückkehr nach Island. So suchte man geraume Zeit nach einem geeigneten Objekt in Deutschland, um die Ideen eines eigenen, größeren Hofes umzusetzen – und wurde in Lindlar fündig. „Wir sind hier von den Menschen ganz toll aufgenommen worden und fühlen uns rundum wohl“, macht Tryggvason den Nachbarn und dem Dorf ein großes Kompliment.

Auf dem Hestalindin-Hof geht es um den Unterricht von Reitern, die Ausbildung von Pferden, die Zucht, den Verkauf von Pferden – und natürlich um sportliche Erfolge. Islandpferde sind vielseitig begabt, physisch ebenso stark wie psychisch robust und beherrschen neben den bekannten Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp auch „Tölt“ und „Pass“. Entscheidend ist das Zusammenspiel zwischen Pferd und Reiter. „Pferd und Reiter brauchen Charakter, Vertrauen und Respekt. Nur dann macht es Spaߓ, weiß Johanna Tryggvason. Nicht jedes Islandpferd ist für höchste Leistungen geeignet. Ziel bei der Ausbildung sei, am Ende für den Reiter ein gutes Reitpferd zu entwickeln. „Ein Turnierpferd mit herausragenden Eigenschaften, das ist ein Bonus.“ Weltmeisterpferd „Fönix“ war insofern ein Glücksfall für die Titelträgerin. Er kam mit sieben Jahren zu ihr, ein Wechsel auf die Zukunft, eine Chance – nicht mehr. Aber Tryggvason erkannte den Rohdiamanten, entwickelte den Isländer und weiß heute: „Ein solches Pferd werde ich nie wieder finden.“

  
Die sportlichen Erfolge haben den Hof bekannt gemacht – und sie gab es in den vergangenen Jahren im Dutzend. Natürlich helfen Titel auch wirtschaftlich. Die Nachfrage nach Unterricht und Pferden ist nach der Doppelweltmeisterschaft spürbar angestiegen. Beste Werbung also. Aber eben auch harte Arbeit. „Dieser Job fordert“, weiß Tryggvason. Von einer Kernzeit-Idylle wie im Büro ist man weit entfernt. Die Bewirtschaftung des Hofes, Training auf Spitzenniveau, viele Wochenenden im Jahr auf Turnieren oder bei beruflichen Terminen, die organisatorische und logistische Planung erfordert zudem viel Zeit. Und selbst eine Pferdenärrin wie Johanna Tryggvarson sagt: „Ich brauche auch Zeiten, in denen ich kein Pferd sehe.“ Schließlich ist sie auch Mutter eines elfjährigen Sohnes und braucht einen Zipfel Privatleben mit ihrem Mann. An Urlaub ist derzeit noch nicht zu denken, es ist zu viel zu tun, das Telefon klingelt häufig. Aber die Doppelweltmeisterin beklagt sich nicht. „Die Pferde geben einem so viel zurück, da vergisst man die ganze Arbeit.“

Im Internet kann man sich den Hestalindin-Hof anschauen oder auch per Mail weitere Informationen erhalten.
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