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„Die Blechtrommel“ im Schloss

vma; 13. Jun 2017, 10:34 Uhr
Bilder: Vera Marzinski --- Clemens von Ramin, Ulrike Folkerts und Schlagwerker Stefan Weinzierl eröffneten in der Orangerie von Schloss Homburg dem Publikum einen speziellen Zugang zur „Blechtrommel“.
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„Die Blechtrommel“ im Schloss

vma; 13. Jun 2017, 10:34 Uhr
Nümbrecht – In der Orangerie von Schloss Homburg präsentierten Schauspielerin Ulrike Folkerts, Rezitator Clemens von Ramin und Musiker Stefan Weinzierl „Die Blechtrommel“ - basierend auf dem Jahrhundertroman von Günter Grass.
Von Vera Marzinski

Ulrike Folkerts, die bundesweit bekannt und populär wurde in der Rolle der Ludwigshafener Hauptkommissarin Lena Odenthal, die sie seit 1989 in der ARD-Krimireihe „Tatort“ darstellt, sprach am vergangenen Sonntag in der Neuen Orangerie von Schloss Homburg den kleinen Oskar. Clemens von Ramin übernahm die Rolle des Erzählers, Stefan Weinzierl untermalte die Texte mit Schlagwerk. Die Idee des klassischen Schlagzeugers Weinzierl war es, ausgewählte Passagen aus „Die Blechtrommel“ von Günter Grass mit den facettenreichen Klangfarben seines großen Spektrums an Schlaginstrumenten zu untermalen. Im Zentrum des Geschehens: Die Blechtrommel – allerdings keine weiß-rote, sondern eine silber-glänzende Snare Drum.


[Clemens von Ramin (li.) hatte Folkerts als zweite Stimme ausgewählt, als das Programm aufgestellt wurde – die Konstellation der beiden passte perfekt.]

„Und man müsste noch viel lauter trommeln, damit vieles nicht passieren kann“, habe ein Veranstalter im Rahmen ihrer Lese-Musik-Tour gesagt, so von Ramin. „Dem habe ich nichts hinzuzufügen“, unterstrich er. Die Blechtrommel von Günter Grass erschien 1959 und zählt heute zu den wichtigsten Romanen der deutschen Nachkriegsliteratur. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Oskar Matzerath, der im Alter von drei Jahren aufhört zu wachsen und so scheinbar immer ein Kind bleibt – das jedoch bereits mit dem Verstand eines Erwachsenen auf die Welt kam.



Auch die Verfilmung von Volker Schlöndorff aus dem Jahr 1979 war ein großer Erfolg: Sie erhielt einen Oscar und die Goldene Palme in Cannes. Folkerts hat sich von der filmischen Variante beeindrucken und berühren lassen und sich dann erst intensiver mit der Textvorlage beschäftigt. Von Ramin betonte nach dem knapp zweistündigen Vortrag, dass man als Schüler auch noch nicht die mannigfache Deutung der Wörter bei Grass erkennen könne – um einen Zugang zu bekommen benötige es mehr Reife.


[Stefan Weinzierl ließ mit dem Klangspektrum seiner facettenreichen Schlaginstrumente Hörwelten entstehen.]

Diesen Zugang haben die drei wahrlich gefunden – und öffneten ihn auch für die Zuhörer in der Neuen Orangerie auf Schloss Homburg. Marimbaphon, Vibraphon, Trommeln und Effektinstrumente setzte Weinzierl mal atmosphärisch untermalend, mal solistisch ein. Damit unterstützte er auf besondere Art die Sprachgewalt und Sprachschönheit des Romans von Grass. Das laute Trommeln des Nachtfalters auf der Glühbirne wurde dadurch genauso akustisch wahrnehmbar, wie die Geräusche einer Kriegsnacht. Das ließ erschauern und berührte. Gleichermaßen wie die Lesung der beiden Schauspieler, die ebenso erschauern ließ, wie die lauten Paukenschläge und das eindringliche Klingen des Marimbaphons. Aber auch zum Schmunzeln brachte, wenn Oskars „Donau so blau“ erklang – damit brachte er eine ganze Ansammlung von seinem sicheren Platz unterm Rednerpult durcheinander. Die Struktur des vorgetragenen Textes gab einen Querschnitt in das Leben des Blechtrommlers, ohne den Originaltext zu verändern. Und zudem vermittelten die drei mit der Umsetzung des Textes, wie hochaktuell der Grass-Text auch heute noch ist.


[Ulrike Folkerts übernahm den Part des Oskar in der Lesung.]
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