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Vom schönen Schein und menschlichen Abgründen

Red; 4. Oct 2016, 10:13 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Manfred Krajewski (Mitte) verabschiedet sich nach 30 Jahren Theaterarbeit.
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Vom schönen Schein und menschlichen Abgründen

Red; 4. Oct 2016, 10:13 Uhr
Bergneustadt - Am Wochenende feierte die Inszenierung von Regisseur Manfred Krajewski im Losemund Theater eine gelungene Premiere - Mit rabenschwarzem Humor deckt das Stück menschliche Abgründe auf.
Die Premiere am Losemund Theater war gleichzeitig ein Abschied: Mit „Alles im Garten“ von Edward Albee führte Manfred Krajewski nach 30 Jahren Theaterarbeit zum letzten Mal Regie am Losemund Theater.

In der kleinen amerikanischen Siedlung ist nichts so, wie es auf den ersten Blick scheint. Der perfekt gepflegte Garten von Jenny (Rita Winter) und Richard (Manfred Gronenwald), ein Prachtexemplar aus Blumen und englischem Rasen (effektvoll gemalt von Bernhard  Kyborg), zeigt nach außen die intakte Welt eines glücklichen Lebens. Hinter dieser Fassade jedoch gleicht ihre Ehe eher einem vertrockneten, verwahrlosten Garten, in dem sich Langeweile und Entbehrung verbreitet haben.

Umgeben von reichen, auf Etikette bedachten Nachbarn, versucht das Ehepaar in dem Reigen aus Dekadenz und Anmaßung mitzuhalten und ist sehr darauf bedacht, den Schein zu wahren. Man will ja schließlich dazu gehören. Tochter Claire (Clara Zsmais) geht auf eine teure Privatschule und die Beiträge im Club, in dem Farbige und Juden ausgeschlossen sind, kosten ebenfalls viel Geld. Eigentlich kann man sich das alles gar nicht leisten, aber man macht trotzdem mit, schließlich gehört es ja zum guten Ton. Man macht mit, obwohl die Situation unerträglich ist und man mit einem kleineren Haus, dem Austritt aus dem Club und dem Verzicht auf ein Auto keine Geldsorgen mehr hätte. Der Schein also bleibt und mit ihm der perfekte Garten. Nach innen jedoch wuchert das Unkraut in Form von Unzufriedenheit und Streit.

Bis eines Tages die Britin Mrs. Toothe (Barbara Viebahn) bei Jenny auftaucht und ihr einen höchst lukrativen Job anbietet. Nachdem Jenny sich anfangs dagegen wehrt, erliegt sie recht schnell der Versuchung, das so fehlende Geld zu verdienen und noch mehr darüber hinaus: „Es war so viel, ich wusste nicht mehr, wohin damit.“ Das Bröckeln der Fassade nimmt seinen Lauf, während Ehemann Richard entdeckt, um was für eine Art Job es sich handelt und findet seinen Höhepunkt in der Gartenparty, die das Ehepaar für seine vermeintlichen Freunde gibt.

Die gelungene Inszenierung ist leicht und locker und geht mit viel Schwung ans Werk. Der Zuschauer hat das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein, wenn die Darsteller sich ganz natürlich ins Wort fallen und sogar weiter reden, wenn der Andere schon widerspricht. Es ist wie im richtigen Leben, wenn die Gäste der Gartenparty (Sabine Meyer-Heidemann, Falco Meyer, Christiane Schwarzer, Oliver Gelhausen, Andrea Luitjens, Marlo Potthoff) durcheinander sprechen und sich ganz natürlich vom Kaviar zur Theke in den Garten bewegen. Man plaudert, man stichelt und ist entzückt über die Schönheit des Gartens. Dieser bewusste und besondere Einsatz der vierten Wand wird aufgebrochen, wenn Jack, der Freund des Hauses (Torsten Bode) zu den Zuschauern spricht und am Schluss für eine Überraschung sorgt. Die Inszenierung und die Darsteller überzeugen.



Jenny durchläuft viele Gefühlsebenen. Liebend und zweifelnd, aber auch energisch und provozierend. Authentisch ist ihre Wandlung vom Hausmütterchen zur aufreizenden Gastgeberin, mit natürlicher Mimik setzt sie punktgenau die Pointen, die Albees Stück ausmachen und die Zuschauer zum Lachen bringen. Nicht minder an eine wilde Achterbahnfahrt erinnert die Gefühlswelt von Richard. Leicht griesgrämig-nörgelnd und unzufrieden ist er immer darauf bedacht, den Schein zu wahren, und merkt dabei gar nicht, wie ihm die Situation langsam aber sicher entgleitet. Sehr überzeugend liefert sich das Paar einen verbalen Schlagabtausch bis hin zu körperlichen „Angriffen“.

Einen besonderen Eindruck hinterlässt Barbara Viebahn als Mrs. Toothe mit einer guten Bühnenpräsenz. Angelegt zwischen böse, komisch und gehässig ist sie es am Ende auch, die die Fassade auf der großen Gartenparty endgültig zusammenbrechen lässt.

Wer sich die rabenschwarze Geschichte, nach der man die eigenen Nachbarn mit anderen Augen sieht, nicht entgehen lassen möchte: Der Vorhang hebt sich im Losemund Theater wieder am 16., 22. und 30. Oktober. Im November am 12., 13., 19., 26. und 27. in der Spielstätte Kleine Bühne, Kölner Straße 297, Bergneustadt

www.losemund.de


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