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Türken sind anders, Deutsche aber auch

fj; 27. Sep 2013, 11:24 Uhr
Bilder: Michael Kleinjung --- Mit ihren amüsanten Geschichten aus dem Alltag ihrer deutsch-türkischen Familie sorgte Lale Akgün für viel Heiterkeit beim Publikum.
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Türken sind anders, Deutsche aber auch

fj; 27. Sep 2013, 11:24 Uhr
Bergneustadt – Heitere Geschichten aus dem Alltag einer deutsch-türkischen Familie gab es gestern im Krawinkelsaal – Lale Akgün las im Rahmen der Interkulturellen Woche aus ihrem Roman „Tante Semra im Leberkäseland“.
Es gibt wohl keinen Menschen, der nicht ein gewisses Repertoire an unterhaltsamen Episoden aus seinem Familienkreis auf Lager hat. Sei es über die verschrobene Oma oder den launischen Onkel – irgendein Mitglied einer jeden Familie ist immer für eine Geschichte gut. Anders ist es auch nicht in Lale Akgüns Familie, die in den 1960er Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam. Ihr autobiographisches Buch „Tante Semra im Leberkäseland“ ist eigentlich nicht mehr als die Sammlung solcher kurzweiligen Episoden, die sich zumeist um ihr eigenwilliges „Tantchen“ Semra drehen. Eigentlich – denn fast wie nebenbei gibt sie in ihren Geschichten ein differenziertes Bild vom Alltag einer Familie zwischen zwei Kulturen. Akgün doziert nicht über Unterschiede in der deutschen und türkischen Kultur oder der christlichen und muslimischen Religion, sondern macht sie durch heitere Episoden deutlich, die ganz ohne erhobenen Zeigefinger und frei von jeglicher Wertung daher kommen.   


So wurde auch den zahlreichen Zuschauern, die gestern die Lesung Akgüns im Bergneustädter Krawinkelsaal besuchten, klar: Türken sind anders, Deutsche aber auch. Das Normale gibt es im Vergleich zweier Kulturen nicht. Jede hat ihre Eigenheiten, die, so zeigte Akgün, nicht nur für Spannungen, sondern vor allem für jede Menge lustige Begebenheiten sorgen. „Sind die zu geizig, Geld für einen anständigen Blumenstrauß auszugeben?“, fragte sich da beispielsweise die Mutter, als ihre Töchter erstmals eine einzelne Rose von ihren jugendlichen Verehrern überreicht bekamen. Und als die erste Einladung zu einer deutschen Beerdigung ins Hause Akgün flatterte, wunderte man sich dort sehr über den Satz „Von Beileidsbekundigungen am Grab bitten wir abzusehen“. „Die Deutschen sind kalt“, befand die Mutter, „Nein, nur ehrlich. Sie sind froh, dass sie den Alten los sind“, entschied dagegen der Vater, worauf beide gemeinsam Tante Semra darauf einschworen, von den in der Türkei üblichen Klagelauten am Grab Abstand zu nehmen.  



Und auch das sonst oft heikle Thema Religion sorgte hier nur für weitere herzhafte Lacher auf Seiten des Publikums. So beispielsweise in der Episode um Tante Semras jährliche Kreuzfahrten, die immer pünktlich im Fastenmonat Ramadan stattfinden. Denn Reisende müssen nicht fasten, damit sie die Strapazen der Reise besser ertragen können. Religion, so machte Akgün mit dieser und anderen Geschichten aus „Tante Semra im Leberkäseland“ deutlich, hat bei Muslimen ebenso wenig mit Fanatismus zu tun wie bei Christen, wobei Ausnahmen auf beiden Seiten leider die Regel bestätigen. Mit Klischees räumte Akgün, die von 2002 bis 2009 für die SPD im Deutschen Bundestag saß und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes ist, so ordentlich auf – und tat doch nicht mehr, als Geschichten aus dem Alltag einer Familie zu erzählen. Als Dank für die kurzweilige Lesung erhielt sie nicht nur langanhaltenden Applaus, sondern auch einen Blumenstraß von den Veranstaltern vom Förderkreis für Kinder, Kunst & Kultur. „Ja, das ist mal ein ordentlicher Strauß – und nicht nur eine einzelne Blume, die aussieht, als hätte man sie aus Nachbars Garten geklaut“, scherzte die Autorin.  
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