Archiv

'Zahl der Krankenhäuser wird drastisch abnehmen'

bv; 17. Jul 2013, 11:42 Uhr
Bild: adi --- Joachim Finklenburg ist seit 40 Jahren in der Verwaltung und Leitung medizinischer Einrichtung tätig und Geschäftsführer des Klinikums Oberberg.
ARCHIV

'Zahl der Krankenhäuser wird drastisch abnehmen'

bv; 17. Jul 2013, 11:42 Uhr
Gummersbach --- Klinikum-Oberberg-Geschäftsführer Joachim Finklenburg zu nötigen Kooperationen, gerechten Löhnen, Millionen-Investitionen und seinem ganz persönlichen Handicap.

Von Bernd Vorländer

OA: Steht ein Krankenhaus-Manager wie Sie nicht ständig im Feuer: Einerseits wachsender Kostendruck, andererseits steigende Wünsche und Erwartungen der Patienten?

Finklenburg: Beides schließt sich nicht aus. Das Kunststück ist es, trotz des wirtschaftlichen Drucks eine optimale Patientenversorgung zu gewährleisten. Dabei muss man wissen, dass man diese Herausforderung nur im Team meistert. Und natürlich muss man die Klaviatur an Möglichkeiten einer ambulanten bzw. stationären Versorgung auch kennen.

OA: Wie motivieren Sie Ihr Team, dem ja bei Pflege und Behandlung eine besondere verantwortungsvolle Aufgabe zukommt?

Finklenburg: Die Menschen, die in unseren Häusern arbeiten, sind unser  größtes Kapital. Wir stecken viel Geld in Aus- und Weiterbildung, müssen anders als in privaten Klinken keine Gewinne erwirtschaften. Die kommunalen Gesellschafter lassen das Geld im Unternehmen, was letztlich auch den Patienten zugute kommt. Qualifiziertes Personal ist durch nichts zu ersetzen. Ich sage: Krankenhausversorgung eignet sich nicht wirklich für Privatisierungsmaßnahmen.

OA: Immer stärker gilt es ja gerade auch bei älteren Patienten, Mehrfacherkrankungen und das tendenziell höhere Alter bei Krankenhausplanungen im Blick zu behalten?

Finklenburg: Völlig richtig. Alterstrauma-Konzept, Schlaganfall-Behandlungseinheit, die Installierung eines Case-Managers, der Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung begleitet – dies alles sind Entwicklungen, mit denen wir auf medizinische und organisatorische Anforderungen reagieren.

OA: Das Krankenhaus macht nicht alles selbst, Tochterfirmen wurden gegründet. Wo liegen die Gründe für die Ausgliederung?

Finklenburg: Das ist ganz einfach. Unser Kerngeschäft ist die Behandlung von erkrankten Menschen, nicht aber Reinigung und Versorgung. Dafür gibt es Spezialisten, deshalb haben wir diese Dinge ausgelagert und sind in diesen Bereichen auch absolut wettbewerbsfähig.

OA:  Sie arbeiten verstärkt mit anderen Krankenhäusern zusammen, haben aber auch Facharztzentren aufgebaut?

Finklenburg: Das ist der Weg der Zukunft, keiner kann ohne Kooperationen auskommen. Das dürfte vor allem kleinere Krankenhäuser vor große Probleme stellen. Wir können nicht mehr jeden Spezialisten vorhalten oder ins Oberbergische holen, aber wir können mit ihm Vereinbarungen treffen. Hier wie auch auf der Hausarztschiene sehen wir zahlreiche Möglichkeiten der sinnvollen Verzahnung. Wir müssen da noch bestehende Hemmnisse überwinden – zum Wohle des Patienten.

OA: Viele Patienten stehen dem Großbetrieb Krankenhaus skeptisch gegenüber. Wie nehmen sie diesen Menschen die Angst?

Finklenburg: Zunächst einmal nehmen wir diese Sorgen sehr ernst und kümmern uns mit speziell geschultem Personal um die Patienten. Es ist für uns ein Spagat: Wir brauchen eine gewisse Größe, um uns bestimmte Behandlungsmöglichkeiten und erfahrene Ärzte auch leisten zu können, aber wir müssen unseren Patienten auch die Sicherheit geben, dass sie sich nicht verloren vorkommen. Daran arbeiten wir jeden Tag.


OA: In Waldbröl sind die Wogen der Empörung nach Schließung der Kinderstation am Krankenhaus hoch geschlagen. Wie schätzen sie die Situation heute ein?

Finklenburg: Waldbröl wird in einigen Jahren wie ein neues Krankenhaus dastehen – mit neuer Struktur, mit höherer Bettenzahl, komplett saniertem Bettenhaus, neuer Notaufnahme, neuer Aufnahmestation und Endoskopie. Ich habe den Eindruck, die Menschen spüren, dass wir erheblich in den Standort Waldbröl investieren. Ich bin jedenfalls sehr optimistisch. Mit den Einheiten Marienheide, Gummersbach und Waldbröl gehören wir mit 1.200 Betten zu den größten Krankenhäusern in ganz NRW. So sind wir in der Lage, Personal und Ausstattung vorzuhalten, was die Menschen auch von uns erwarten. Wir können nicht mehr Mitarbeiter beschäftigen, was wir gerne tun würden, aber wir bezahlen unsere Leute nach Tarif und es gibt nach wie vor Weihnachtsgeld. Ich setze mich in meinen unterschiedlichen Funktionen dafür ein, dass wir unsere Mitarbeiter besser bezahlen können. Ganz ehrlich: In keinem Land der westlichen Welt werden Mitarbeiter so ausgebeutet wie in deutschen Krankenhäusern.

OA: Das Wort ‚Krankenhaussterben’ ist nichts Neues. Dieser Prozess ist kaum aufzuhalten. Womit müssen Patienten rechnen und wird es auch in Oberberg zu dieser Entwicklung kommen?

Finklenburg: Die Zahl der Krankenhäuser wird drastisch abnehmen. Die NRW-Landesregierung will in den kommenden Jahren mindestens 10.000 Betten abbauen. Und im ländlichen Bereich werden wir einen weiteren Konzentrationsprozess erleben. Die Demografie wird gnadenlos zuschlagen. Patienten wie Pflegepersonal werden älter werden und wir als Klinikum werden viele, auch neue Wege gehen müssen, um junge Menschen für die Pflege zu gewinnen. Pflege muss attraktiver werden, sonst haben wir keine Chance gegen andere, derzeit wesentlich besser bezahlte Berufe. Die künstlich erzeugte Konkurrenz zwischen Kranken- und Altenpflege muss beendet werden und es braucht weitere Ausbildungsmöglichkeiten.

OA: Bei weiterer Zentralisierung dürfte der Arzt um die Ecke dann der Vergangenheit angehören?

Finklenburg: Ja, das ist in Deutschland sehr gewöhnungsbedürftig, aber es wird nicht anders gehen. Und schließlich ist unser Land ein Stück weit selbst schuld. 40.000 junge Menschen würden gerne Medizin studieren, aber es werden höchstens 10.000 Plätze vergeben. Wenn dann einer sein Studium abschließt, beispielsweise in Gummersbach seinen Facharzt absolviert, der hat eine andere Karriereerwartung und wird sich nicht in Marienheide oder Morsbach als Hausarzt niederlassen. Das ist ein Riesenproblem. Der Landarzt braucht eine wesentlich bessere Vergütung, sonst sehe ich da schwarz.

OA: Sie blicken auf 40 Jahre Arbeit in medizinischen Einrichtungen zurück. Was ist besser, was schlechter geworden?

Finklenburg: Leider muss ich sagen: Vieles ist schlechter geworden. Unsereins kommt morgens mit dem Kostendruck ins Büro und verlässt es mit demselben Druck. Die Mitarbeiter auf den Stationen sind in ständiger Hetze, haben eine riesige Verantwortung und aufgrund des gesetzlich vorgeschriebenen Papierkram immer weniger Zeit für die Patienten. Wenn ich so etwas erlebe, macht mich das sehr betrübt.

OA: Sie gelten in Tarif-Verhandlungen der kommunalen Krankenhäuser als ‚harter Hund’ und mit allen Wassern gewaschen. Ist Diplomatie nicht ihre Stärke`?

Finklenburg: Falsch, gerade bei Tarifverhandlungen muss man kompromissfähig sein. Und zwischen schwarz und weiß gibt es viele Zwischenschattierungen, es gibt Spielregeln und Taktiererei. Das alles gehört dazu. Was aber wichtig ist: Man muss verlässlich sein und Absprachen einhalten.

OA:  Unduldsamkeit wird Ihnen nachgesagt. Wie kommt man dann zu der Sportart Golf, die einen ja gerade Demut lehrt – und verraten sie uns ihr Handicap?

Finklenburg: Golf ist Abwechslung. Fußball- oder Tennisplätze  sind überall gleich, aber kein Golfplatz ähnelt dem anderen. Golf ist Bewegung, Sport – und - ja - Demut. Es gibt Tage, da gelingt alles und andere, an denen man am liebsten den Schläger durchbeißen möchte. Aber es ist immer wieder schön. Mein Handicap ist 21/5.
  
WERBUNG