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Einsatztagebuch: Die Elbe ist zu einem Meer geworden

ch; 11. Jun 2013, 19:34 Uhr
Bilder: privat --- Was wie ein idylischer See wirkt, ist in Wirklichkeit die zu einem gigantischen Strom angewachsene Elbe. Bevor die Kameraden anpacken konnten, hieß es jedoch oftmals erst einmal nur eins: Warten.
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Einsatztagebuch: Die Elbe ist zu einem Meer geworden

ch; 11. Jun 2013, 19:34 Uhr
Oberberg – Seit dem heutigen Morgen sind die Oberbergischen Feuerwehrkräfte im Havelland im Einsatz, um Dörfer vor der völligen Überflutung zu schützen.
Von Christian Herse

Es sind wohl Bilder, welche die Kameraden nie wieder vergessen werden. Nach zehn Stunden Fahrt kommen sie mit den letzten Sonnenstrahlen im altmärkischen Stendal in Sachsen-Anhalt an. An den Hauseingängen stehen Bewohner und winken den Helfern freudestrahlend zu. Manche kommen an die Autos, fragen, woher die Feuerwehrleute kommen und wie es ihnen geht. In jedem Moment ist die Dankbarkeit bei den Menschen zu spüren.

[Erste Lagebesprechung im Katastrophengebiet.]

Doch auf die Freude folgt die Ernüchterung. Die Elbe ist zu hoch, die Brücke nach Stendal hinein gesperrt. Es herrscht Unklarheit, wo die Männer und Frauen aus dem Bergischen untergebracht werden sollen. Gegen Mitternacht ist klar, dass ihre Reise erst im 40 Kilometer entfernten Rhinow im Havelland enden wird. Dort bauen Freiwillige eine Turnhalle kurzerhand zu einem Feldlager um, wo dann die 180 Helfer um 2:30 Uhr nach 22 Stunden endlich Erholung finden. Um 7 Uhr ist die Nacht zu Ende. Wirklich geschlafen haben sowieso die wenigsten angesichts der Aufgaben, die auf sie heute warteten. Bis es soweit ist, dauert es allerdings. Es ist nicht klar, wer wo und wie eingesetzt ist. Die Infrastruktur ist großflächig zusammengebrochen und auch die Logistik hakt.


[Eine Turnhalle fungiert als Unterkunft für die freiwilligen Helfer aus dem Bergischen.]

Am Mittag geht es dann nach Sandau an der Elbe. Die Bereitschaft V wird dabei in fünf Züge aufgeteilt, die an unterschiedlichen Punkten alle die gleiche Aufgabe haben: Den Ort vor der völligen Überflutung schützen. Obwohl die Elbe normalerweise 200 Meter entfernt strömt, schwappt das Wasser nun bis an den Ortseingang. „Man kann die andere Uferseite nicht mehr sehen. Es scheint, als wenn die Elbe zu einem Meer geworden ist“, schüttelt ein Gummersbacher Kamerad ungläubig den Kopf.

[Anders als gestern noch gedacht wurden heute Sandsäcke gestapelt.]

Mit Folien werden die Deiche ausgebaut, um diese noch weiter aufstocken zu können. Denn das Wasser steigt unaufhörlich weiter. Die Bundeswehr fliegt Sandsäcke von oben herbei, transportiert Material auf Amphibienfahrzeugen und zum Teil mit Panzern in den Ort. Bauern laden mit ihren Traktoren ab, die Anwohner bilden Ketten. Es herrscht ein intensiver Zusammenhalt, bei dem niemand im Stich gelassen wird. Um 15 Uhr dann die nächste Hiobsbotschaft. Der Deich droht zu brechen. Die Fahrzeuge werden umgeparkt, um im Zweifelsfall zeitnah abrücken zu können. Aber soweit, wie in Fischbeck, soll es in Sandau nicht kommen. Gestern war die Elbe nach einem Deichbruch ins Hinterland geströmt und hatte den 700 Seelen-Ort vollständig überflutet. Hubschrauberbilder zeigen sogar ganze Häuser, die durch die plötzlich eindringenden Wassermassen zum Teil weggespült wurden.

Wie lang der Einsatz am heutigen Dienstag noch dauert, ist derweil unbekannt. Um 17 Uhr erhalten die Kameraden erstmals eine warme Mahlzeit. Zur Stunde heißt es "warten". Denn trotz der unzähligen helfenden Händen stockt erneut die Logistik und es sind keine Sandsäcke mehr verfügbar.

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