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Malaria – Meine persönlichen Erfahrungen mit der Tropenkrankheit

ma; 26. Mar 2013, 10:49 Uhr
Bilder: Marie Albrecht --- Nachts ein Muss in Ghana: ein Moskitonetz.
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Malaria – Meine persönlichen Erfahrungen mit der Tropenkrankheit

ma; 26. Mar 2013, 10:49 Uhr
Gummersbach - Die Gummersbacherin Marie Albrecht absolviert einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst an einer Schule in Ghana und schildert auf OA ihre Erlebnisse und Erfahrungen.
Liebe Leser,

bei uns in Deutschland scheint das Wort „Malaria“ ein sehr großes und schwerwiegendes Wort zu sein. Aber wie könnte man uns das verübeln? Wir wissen ja nichts davon. Der krankheitsübertragenden Anopheles-Mücke ist es in Deutschland viel zu kalt und so bestehen unsere einzigen Kontakte mit der Tropenkrankheit meist in reißerischen Artikelüberschriften: „Jährlich bis zu 500 Millionen Malariakranke“, „Malaria tötet mehr Menschen in Afrika als Aids“, „Malaria – die wahre Plage des afrikanischen Kontinents“.

Wenn man erst einmal in Afrika angekommen ist, entspannt sich dieses Verhältnis zumeist – die Anzahl der Personen, die Malaria glücklich überstanden haben, übersteigt um ein Vielfaches die Zahl derer, die hart damit zu kämpfen hatten oder sie im schlimmsten Falle nicht überlebt haben. Und so ist es auch mir hier in Ghana häufiger passiert, dass ein Kollege in der Schule krank aussah und das nur mit einem „yeah, it is some small malaria…well, it will go, nothing to worry about“, kommentierte.


„Mach dir keine Sorgen, lass dich davon nicht aus dem Gleichgewicht bringen“ scheint generell das Patentrezept für Sorgen, Krankheit und Kummer jeder Art in Ghana zu sein. Man hat Malaria –„oh don’t worry!“, die eigene Mutter ist gestorben „oh, please don’t let it disturb you, okay?“, das Auto hat einen Totalschaden – „It will be fine, alright?“. Standardantworten, die vom scheinbar omnipräsenten „Sorry!“ begleitet werden. Denn in Ghana sagt man nicht nur dann Entschuldigung, wenn man sich selber ungeschickt verhalten hat, sondern wann immer etwas passiert, was einem für den anderen Leid tut. Der Kumpel stolpert, man selber sagt „Sorry!“, die Kollegin wirft sich beim Mittagessen den Yam auf die Bluse, man selber sagt „Sorry!“, der Freund leidet an Malaria – na dann ruft man eben schnell an und sagt (na raten Sie mal…richtig!): „Sorry!“. Eine liebenswerte Angewohnheit, die einen am Anfang sehr verwirrt, weil man sich permanent fragt, warum der Andere sich denn entschuldigt, er hat ja schließlich gar nichts gemacht, die einen aber schnell selber in Fleisch und Blut übergeht. Sollte ich mich zurück in Deutschland bei dem ein oder anderen also für die eigenen Trotteleien entschuldigen, so bitte ich doch herzlichst darum, das ebenfalls zu verzeihen – ich war wohl einfach zu lange in Ghana.


[Diverseste Mittelchen zum Schutz vor Moskito-Stichen und zur Behandlung, falls sich die Mücke doch nicht hat abhalten lassen.]
 
Was auch immer einen in Ghana bedrückt, man lernt, sich deswegen keine Sorgen zu machen. Frei nach dem Motto: Das Leben spielt so oder so wie es möchte. Wir können es hinnehmen, oder aber uns den Kopf darüber zerbrechen, wenn wir das aber tun sollten, so tun wir das gänzlich umsonst, denn das Leben beeindruckt das nicht im Geringsten. Und auch wenn es mich als Deutsche ziemlich entsetzt hat, dass ein Kumpel von mir zum Tode eines guten Familienfreundes nur sagte: „I am not really sad. Why? He is dead anyway and if I would be sad, it would only disturb me and my family, too“, so kann ich eigentlich nur zugeben: Es ist durchaus was Wahres dran! Doch ich schweife ab.

Zuerst einmal zu den Fakten: Malaria ist die am häufigsten vorkommende Tropenkrankheit. Wenn die nachtaktive Anopheles-Mücke einen malariakranken Menschen sticht, nimmt sie krankheitsverursachenden Plasmodien in sich auf und gibt sie beim nächsten Stich weiter. Im Menschen angekommen setzen sich diese einzelligen Parasiten in der Leber fest, brüten dort fröhlich vor sich hin und brechen nach einer Inkubationszeit, die zwischen einer Woche und mehreren Monaten liegen kann, aus. Einmal ausgebrochen, nutzen sie die roten Blutkörperchen als Wirt, fressen sie auf und vermehren sich rasch. Der Körper verliert also rote Blutkörperchen und wird immer schwächer, während die Parasiten im schlimmsten Fall sogar das Gehirn befallen können. Der oder die Malariakranke leidet unter Schwäche, Fieber, Gliederschmerzen, Schüttelfrost und oft auch vermehrten Aufsuchungen der örtlichen Toilette.


[Sobald die Sonne untergeht kommen die Moskitos - und man muss vorsichtig sein.

Im Gegensatz zur besser bekannten Malaria tertiana und quartana, die meist in Nordafrika und Südostasien auftritt und in der Regel nicht tödlich verläuft, kann die afrikanische Malaria tropica schnell zu lebensbedrohlichen Zuständen, inklusive Koma und Multiorganversagen führen. Neben nicht immer wirksamen, oft teuren und/oder mit starken Nebenwirkungen belasteten Prophylaxe-Medikamenten, zählt also vor allem eins: Sich gar nicht erst stechen lassen! Hier bietet der Markt eine breite Palette an Möglichkeiten: Moskitonetze, Körper- und Raumsprays, Räucherstäbchen und so weiter und so fort. Doch eins haben wir ganz schnell gelernt: Ghanaische Moskitos sind hinterlistige kleine Biester! Kleidung und Sprays beeindrucken sie nur wenig: Sie stechen einfach hindurch. Und so wacht man morgens auf und entdeckt zahlreiche kleine rote Stiche an den Beinen und Armen, die weder wehtun noch wirklich jucken, und von denen man nur weiß, dass sie einen in wenigen Wochen sehr krank machen können.

Dies kann vor allem bei alten Menschen, kleinen Kindern und Schwangeren schnell kritisch werden, doch jetzt kommt das große ABER: Fast jeder Afrikaner leidet seit der Kindheit immer wieder unter Malaria und der Körper hat Antikörper gebildet und lässt die Krankheit gar nicht erst stark auftreten. Und: Durch ausreichende Behandlung kann die Sterberate auf unter ein Prozent gesenkt werden. Man fährt schnell ins nächste Krankenhaus, holt sich Medikamente, welche die Parasiten schnell abtöten, eventuell noch ein Tee aus lokalen Blättern und Kräutern gekocht, der die Begleiterscheinungen lindert, und nach drei Tagen ist alles wieder beim Alten. Leider läuft das bei uns obrounis nicht ganz so. In Europa gibt es keine Malaria und wenn wir das erste Mal an dieser erkranken, scheint unser Körper einen panischen Sprung an die Decke zu machen und in Todesangst zu geraten.


[Maries Labortest und Medikamente - zur Parasitenbekämpfung und zum Blutaufbau.] 

Und so kam es, dass auch ich eines sonntags in der Kirche stand und auf einmal das Gefühl hatte, mich an der Wand abstützen zu müssen, um nicht umzufallen. Ich dachte mir nicht viel dabei und stand den Gottesdienst durch. Ich wollte nur meinen Kopf auf eines der Schulpulte legen und Ruhe haben. Doch nach Ende des Gottesdienstes wollte ein Freund, dass ich mit zu ihm nach Hause komme, um seinen Bruder kennenzulernen. Also machte ich mich mit ihm auf den Weg. Auf der kurzen Strecke hatte ich Angst, umzufallen. Ich sagte dies meinem Freund, der mich erst mal auf einen Stuhl bugsierte. Zu diesem Zeitpunkt war ich den Tränen nahe, einfach weil ich so damit beschäftigt war, meinen Körper und Kreislauf unter Kontrolle zu halten, dass ich keinerlei Kraft mehr übrig hatte, dies auch mit meinen Emotionen zu tun. Mein Freund beschloss, mich schleunigst wieder nach Hause zu bringen.

Auf dem Heimweg überkam mich ein komisches Gefühl, das ich noch nie vorher in meinem Leben gespürt hatte. Ich fühlte mich so unendlich müde, dass meine Schuhe zu schwer für meine Füße zu sein schienen. Also ließ ich barfuß nach Hause und schlief dort erst einmal zwei Stunden. Das Erstaunliche: Danach war ich wieder okay. Noch ein bisschen wackelig auf den Beinen, aber nach einer weiteren Stunde wieder topfit. Also ging ich wie gewöhnlich am nächsten Morgen zur Schule. Als mir auf dem Weg dorthin schon wieder die Knie weich wurden, beschloss ich, dass irgendetwas nicht stimmen konnte und erzählte meiner Schulleiterin davon.
Die lachte nur: „yes, that is the 12 hours-cycle of malaria! 12 hours you are fine and then it stars all over again. So you better go to the hospital now!”. Meine Schulleiterin gehörte zu den Typen Mensch, die immer Recht haben. So auch in diesem Fall.

Da ich nicht zwangsläufig ins städtische Krankenhaus wollte, das für seine langen Wartezeiten bekannt ist, rief ich die Sorte Freund an, die jeder Mensch überall besitzen sollte: Der Freund, der immer irgendwo irgendwen kennt, der einem weiterhelfen kann. Auch in diesem Fall sollte ich nicht enttäuscht werden und so fand ich mich keine Stunde später mit besagtem Freund in einer Art Geburtshaus wieder, das von einer pensionierten Ärztin geleitet wurde. Hier konnten sich Ghanaerinnen bezüglich Familienplanung und Verhütung beraten lassen, ihre Kinder zur Welt bringen und Vor- und Nachsorge in Anspruch nehmen.

Eine Ärztin dort war eine Freundin der Mutter meines Kumpels (…oder so). Ohne auch nur fünf Minuten warten zu müssen, wurde mir dort Blut abgenommen und Malaria diagnostiziert sowie die richtigen Medikamente verschrieben. Nachdem ich diese in der Apotheke abgeholt hatte (wobei ich freundlicherweise gefragt wurde, ob man einen höheren Betrag auf die Quittung schreiben solle, damit ich von der Krankenkasse mehr Geld erstattet bekäme, als ich tatsächlich gezahlt habe – ich habe dankend abgelehnt), legte ich mich also zuhause ins Bett – für fast eine Woche.

In dieser Woche litt ich primär unter unglaublicher Langeweile. Mein persönliches Problem mit der Krankheit: Während der Körper sich anfühlt, wie einmal durch den Fleischwolf gedreht, ist der Kopf topfit. Wenn man also im Bett liegt, hat man unglaubliche Lust etwas zu unternehmen und ein paar Bäume auszureißen. Sobald man aber aufsteht, muss man sich sofort wieder hinsetzen, damit die Beine nicht wegklappen. Für mich als sehr aktiver Mensch nicht einfach. Aber was soll ich sagen? Ich habe es gut überstanden, ich bin wieder gesund und zumindest bei mir wird das Wort „Malaria“ in Zukunft keine Angst- und Schreckensszenarien mehr hervorrufen. Denn ganz ehrlich, liebe Leser, so schlimm war es auch nicht!


Bleiben Sie gesund und bis zum nächsten Mal!

Ihre Marie Albrecht

  
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