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Vierbeiner helfen aus der Krise

fj; 6. Sep 2012, 16:05 Uhr
Bilder: Nils Hühn --- Sven Hoffmeister freute sich über das Wiedersehen mit Penny und nutzte die Gelegenheit, um ein bisschen mit dem Hund zu spielen.
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Vierbeiner helfen aus der Krise

fj; 6. Sep 2012, 16:05 Uhr
Marienheide - Dass Hunde oft die besseren Therapeuten sind, ahnten Dr. Andreas Sobottka und Hundetrainerin Mareike Doll-Degenhardt schon lange - Ihre Studie erbringt nun weltweit erstmalig den Beweis.
Von Fenja Jansen

Vor acht Jahren erlitt der heute 49-jährige Sven Hoffmeister zwei Herzinfarkte. Danach, so berichtet er, ging es stetig bergab: „Schon der Gang auf die Toilette war mir oft zu viel. Ich war antriebs- und emotionslos, mein Selbstwertgefühl war am Boden.“ Hoffmeister leidet an Depressionen. Nach einem gescheiterten Selbstmordversuch wurde er ins Gummersbacher Krankenhaus eingeliefert. Durch eigene Recherchen im Internet erfuhr er von der Studie zur hundegestützten Therapie im Zentrum für Seelische Gesundheit in Marienheide. Auf eigenen Wunsch ließ er sich hierher verlegen. Vier Wochen arbeitete er intensiv mit Penny, einer Hündin der Rasse Australien Working Kelpies. Dank ihr nahmen seine Symptome in diesem Zeitraum deutlich ab.


[Klinikum Oberberg Geschäftsführer Magnus Kriesten, Hundetrainerin Mareike Doll-Degenhardt, Patient Sven Hoffmeister und Andreas Sobottka, leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie, (v.l.n.r.) mit den Hunden Penny und Buddy.]

Die Vorstellung, dass der Umgang mit Tieren die Symptome psychischer Krankheiten mindern kann, ist verbreitet, so Andreas Sobottka, leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie und Psychotherapie. Das derzeitige Angebot reicht vom Schwimmen mit Delphinen bis hin zu therapeutischen Reiten. Allein der Kanarienvogel im Flur eines Krankenhauses zaubert manchen Patienten schon ein Lächeln ins Gesicht. Dass in den meisten ihm bekannten Fällen Hunde eingesetzt werden, wundert den Oberarzt nicht. „Ich bin selber Hundebesitzer und weiß um den Einfluss von Hunden auf das Seelenleben ihrer Halter.“ Eine Studie, dass die Arbeit mit den Tieren die Symptome psychisch erkrankter Menschen tatsächlich reduzieren kann, gab es bislang jedoch noch nicht. Den wissenschaftlichen Beleg erbrachte nun Sobottka in Zusammenarbeit mit der staatlich anerkannten Hundetrainerin Mareike Doll-Degenhardt und ihren Australien Working Kelpies. Die Hunde zeichnen sich durch ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Sensibilität und hohes Einfühlungsvermögen aus.


Was den Menschen aus Hoffmeisters Umfeld nur noch schwer gelang, glückt Penny auf Anhieb – sie findet einen Zugang zu ihm. „Eine schnelle und trotzdem möglichst intensive Bindung zwischen Patient und Therapiehund aufzubauen, war eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen unserer Studie“, sagt Sobottka (Bild). Der Weg zu einer Beziehung zwischen Mensch und Tier sollte über zusammen gemeisterte Aufgaben führen. Miteinander errungene Erfolge schweißen zusammen, schnell weichen die Hunde ihren Patienten nicht mehr von der Seite, begrüßen sie freudig zu Beginn der Trainingseinheiten. „Hunde vergeben ihre Zuneigung nicht einfach so, man muss sie sich verdienen und ihnen zeigen, dass man unter vielen Menschen jemand Besonderes ist“, erklärt Doll-Degenhardt. „Dass den Patienten das gelungen ist, hat ihnen Selbstbewusstsein gegeben.“ Das bestätigt auch Hoffmeister. „Wenn ich Penny durch einen Hindernisparcours dirigierte und sah, dass der Hund auf mich hörte, hat mich das gestärkt.“ Das schlug sich auch in den messbaren Ergebnissen der Studie wieder. Allen 60 Teilnehmern ging es nach vier Wochen erheblich besser.


Der Abschied von den Hunden fiel den Patienten schwer. „Es hat viele Tränen gegeben“, erzählt Sobottka. Sich nun jedoch einen eigenen Hund anzuschaffen, ist nur auf den ersten Blick eine gute Idee, weiß die Tiertrainerin. „Das kann auch schnell ins Gegenteil umschlagen. Wenn der Hund beispielsweise nicht alleine gelassen werden kann, führt das schnell dazu, dass der Halter sich so noch weiter isoliert.“ Sobottka und Doll-Degenhardt hoffen aber, dass dank ihrer Ergebnisse Therapiehunden wie Penny künftig bei der Behandlung von depressiven Patienten eine noch größere Bedeutung zugemessen wird. Laut Klinikum Oberberg Geschäftsführer Magnus Kriesten stehen der hundegestützten Therapie in Marienheide alle Türen offen. Auch Hoffmeister dürfte sich die tiergestützte Therapie als ständiges Angebot wünschen: Nach Abschluss der Studie erkrankte er erneut und muss nun erfahren, dass auch die herkömmliche Krankenhaustherapie hilft, jedoch nicht so schnell und effektiv, wie es Penny und ihre Artgenossen vermochten.
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