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Gescheiterten Jugendlichen eine Perspektive bieten

ch; 14. Aug 2009, 00:05 Uhr
Bilder: Christian Herse --- Das Kolping-Bildungswerk besitzt unter anderem eine Malerwerkstatt, wo die Jugendlichen die Handwerksgriffe erlernen.
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Gescheiterten Jugendlichen eine Perspektive bieten

ch; 14. Aug 2009, 00:05 Uhr
Hückeswagen – Mit einer Vermittlungsquote von 86 Prozent bereitet das Kolping-Bildungswerk Jugendliche erfolgreich auf das Arbeitsleben in Oberberg vor. Doch trotz des Erfolgs soll nun der Geldhahn zugedreht werden.
[Klaus-Peter Flosbach hat seine Unterstützung angekündigt.]

Von Anfang an ist Wolfgang Heer dabei. Aufgrund der massiven Jugendarbeitslosigkeit half er bereits 1982 bei der Katholischen Kirchgemeinde Wipperfürth mit, den Heranwachsenden trotz allem eine Perspektive zu geben. Dieses Angebot wurde so stark angenommen, dass schon bald die wenigen Kräfte überfordert waren und der Bereich an das Kolping-Bildungswerk in Hückeswagen abgegeben wurde. „Seitdem musste ich beobachten, wie die Schere zwischen beruflichen Anforderungen und dem tatsächlichen Können immer weiter auseinander klaffte“, so Heer am gestrigen Vormittag. Jedoch habe sich nicht das Wissen der heutigen Jugend verschlechtert, sondern die Ansprüche seien gestiegen.

Schon seit jeher wandeln sich Berufsfelder, werden komplexer und erfüllen andere Aufgabengebiete. War früher ein Hauptschulabschluss von Nöten, geht es heute häufig nicht mehr ohne Fachoberschulabschluss. „Musste der damalige Mechaniker nur schrauben können, so hat der Kfz-Mechatroniker ein Laptop vor sich stehen, um Daten auszulesen“, machte auch der Vorsitzende des Kolping-Bildungswerkes Köln, Günter Herberhold, auf die geänderte Situation aufmerksam. Viele Jugendliche verlieren dabei den Anschluss, sind demotiviert und fallen letztendlich durch das Raster des Arbeitsmarktes. Diesen Fällen möchten die Mitarbeiter an der Peterstraße eine Perspektive bieten.

[Wolfgang Heer  (li.) kümmert sich bereits seit 27 Jahren um Jugendliche.]

„Hier können derzeit 72 Jugendliche, davon 14 Lernbehinderte, auf eine Ausbildung gezielt vorbereitet werden. Wir helfen bei der Vermittlung von Praktikumsstellen, bieten Schulabschlusskurse an oder lehren grundlegende Arbeitsweisen in verschiedenen Berufsbildern“, fasste es Oliver Schindel, der seit elf Jahren als Bildungsbegleiter tätig ist, seine Aufgaben zusammen. Das erklärte Ziel sei es, dass die jungen Erwachsenen, die zumeist zwischen 18 und 19 Jahren alt sind, einen Ausbildungsbetrieb finden oder Arbeiten gehen können. Auch die Wiederentdeckung an der Lust zum Lernen wird bei vielen schon als Erfolg gewertet: „Waren es früher Lerndefizite, so müssen wir heute besonders sozial-psychologisch vermitteln, da es hier oft dran mangelt.“ Erfahrungswerte zeigen, dass junge Menschen ohne eine soziale Bindung größere Probleme haben, sich in der Gesellschaft zurecht zu finden. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Eltern häufig kaum Interesse an der Zukunft ihrer Schützlinge zeigen.

Dass die Arbeit des Bildungswerkes mit einer Perspektivquote von 86 Prozent als außerordentlich gut bezeichnet werden kann, hat auch die Bundesagentur für Arbeit erkannt. Sie kündigte an, dass künftig bis zu 80 Jugendliche in Hückeswagen betreut werden sollen. Dennoch plagen Heer Zukunftssorgen: „Seit diesem Jahr bekommen wir nur noch für 60 Prozent der Maßnahmen eine Arbeiterstelle bezahlt. Die restlichen Prozentpunkte werden immer wieder für drei Monate individuell überprüft und müssen einzeln genehmigt werden.“ Damit werde es schwer, qualifiziertes Personal zu finden, dass stets abrufbar sei.

[Peter Biesenbach im Gespräch mit einem der Jugendlichen.]

Außerdem drängen immer mehr „Billiganbieter“ in den Markt, die mit Dumpingpreisen diesen zerstören. „In Engelskirchen hatte die Caritas lange Zeit den Bereich der Hauswirtschaftslehre inne, bis ein anderer Anbieter ein wirtschaftlicheres Angebot abgab und den Sektor übernahm. Nach 13 Monaten war allerdings bereits Schluss, da man sich überschätzt hatte“, erinnert sich Rolf Schäfer vom Oberbergischen Sozialausschuss. Der Grund für dieses Durcheinander ist, dass der Bundesverband für Bildungsmaßnahmen bei seinen Ausschreibungen nur auf das Geld achte und nicht auf die Erfolgsquoten. Ein Zustand, der auch dem Landtagsabgeordneten Peter Biesenbach mächtig gegen den Strich geht: „Es kann doch nicht sein, dass hier Leute ihre Arbeit richtig gut machen, dann raus gedrängt zu werden, um später einen Scherbenhaufen wieder zu übernehmen.“ Auch in Düsseldorf habe sich die Problematik schon rumgesprochen, sodass er sich zuversichtlich zeigte, dass man in naher Zukunft eine Lösung finden werde.

Bundestagsmitglied Klaus-Peter Flosbach unterstützte die Meinung seines Parteikollegen und forderte die zügige Einführung von festen Kriterien, die eine Wettbewerbsgleichheit ermöglichen. Schließlich gehe es nicht um ein Massenprodukt in der Industriefertigung, sondern um die Jugend und deren Zukunftschancen. „Keine politische Ebene kann solche Missstände von alleine lösen. Da müssen wir alle mit anpacken, weil es uns allen auch etwas nützt“, versprach er beim späteren Rundgang durch die neuen Werkstatträume in Hückeswagen. Aussagen, die Heer Mut machen, da er auch künftig alles unternehmen will, um möglichst vielen Jugendlichen in Oberbergs Norden eine Perspektive zu bieten.
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